Ben Winters – Der letzte Polizist
Verlag: Heyne
349 Seiten
ISBN: 978-3453534513
8,99 €
Inhalt:
Maia oder offiziell auch 2011GV1, ein Asteroid, ist auf dem Weg zur Erde. Der herannahende Weltuntergang ist natürlich das alles beherrschende Thema und so ist es kaum verwunderlich, dass ein „Hänger“ – ein Selbstmord durch Erhängen – kein großes Interesse erweckt. Außer bei Detective Henry Palace. Erst vor kurzem in seinen Traumjob befördert, kann er die Selbstmordtheorie nicht so recht glauben – auch wenn er keine Beweise hat. Nur Vermutungen, magere Indizien und ein Bauchgefühl. Doch wer sollte den langweiligen Buchhalter Peter Zell ermorden wollen? So kurz bevor sowieso alle sterben werden? Palace Ermittlung stößt auf Unverständnis und Kopfschütteln, aber er gibt nicht auf – Maia hin oder her.
Meine Meinung:
Ganz ehrlich: Ich hatte mehr erwartet. Ein drohender Weltuntergang, ein Selbstmord, der keiner ist und ein hartnäckiger Ermittler – das verspricht Spannung, dachte ich mir. Doch leider war das Buch ziemlich zäh. Aber von Anfang an.
Maia rast also auf die Erde zu. Die Leute sind jetzt nicht am ausflippen (zumindest nicht mehr in der Zeit, wo der Krimi einsetzt), aber es zeigen sich natürlich Auswirkungen: es gibt neue oder erweiterte Gesetze, Benzin ist rationiert und nur offizielle Stellen dürfen es überhaupt haben, jeder, der es sich leisten kann arbeitet seine „Löffelliste“ ab – leider wird nicht erklärt, woher der Begriff kommt (oder ich versteh den Begriff einfach nicht), doch gemeint ist damit, dass viele ihren Job hinschmeißen und das tun, was sie schon lange tun wollten. Seltsame Lebensweisen bürgern sich ein und Kalendertage werden abgestrichen bis zum Untergang – ein „Adventskalender des Weltuntergangs“. Und dann gibt es eben die „Hänger“, Leute, die nicht auf Maia warten, sondern sich vorher das Leben nehmen. Wobei man gerechterweise erwähnen muss, dass Ben Winters Szenario nicht von einem völligen Weltuntergang ausgeht. Der Einschlag wird wohl eine Menge Leben kosten und die Nachwirkungen noch eine Menge mehr – doch noch ist unklar, wo genau Maia auftreffen wird. Das Setting ist also durchaus logisch dargestellt, alle Auswirkungen kann ich mir vorstellen. Doch gerne hätte ich noch mehr in diese Welt hinein geschnuppert, auch andere Figuren in dieser Situation näher kennengelernt. Vieles wird nur angedeutet und bestimmt einiges gar nicht erwähnt.
Doch die Geschichte wird einzig aus Henry Palace Sicht erzählt. Er ist erst vor Kurzem befördert wurden – zugegebenermaßen nur aufgrund der „Löffelliste“ – aber Detective im Morddezernat ist schon der Job, der am besten zu ihm passt. Er ist hartnäckig, klug und beißt sich gegen alle Widerstände (Staatsanwalt, Rechtsmedizinerin, desinteressierte Kollegen, die ihn belächeln) durch. Das ist SEIN Job. Viele behalten die Arbeitsroutine bei und finden dadurch Kraft vor dem nahenden Ende, doch Palace hat kurz vor knapp erreicht was er wollte: er darf im Morddezernat ermitteln. Aber er macht das seltsam kalt und distanziert. Palace lebt und arbeitet zwar mit den Auswirkungen von Maia, ist aber selbst davon komischerweise unberührt. Es scheint, als würde Maia zwar als Tatsache existieren, aber ihn so gar nicht belasten. Er macht halt seinen Job. So ist es aber eben auch nicht verwunderlich, dass ich mit ihm nicht warm geworden bin. Er läuft durch die Welt, als wäre es nicht seine und da ist es fast schon verwunderlich, dass er so viel Energie für Peter Zell, das Opfer, aufbringen kann.
Die anderen Figuren sind alle Randfiguren. Man sieht alle aus Palace Sicht und d. h. dass man ihre Gefühle und Gedanken zur herannahenden Maia nur durch ihn sieht – und das ist wenig. Dabei sind einige Personen mit viel Potential dabei. Allen voran Palace Schwester Nico oder auch Peter Zells mysteriöser Freund. Meines Erachtens hätten mehrere Erzählperspektiven das Buch unglaublich bereichert – die einseitige Sichtweise schadet in diesem Fall.
Die Ermittlung liegt allein auf den Schultern von Henry Palace. Unverständnis, Kopfschütteln und Häme schlagen ihm entgegen, doch er arbeitet brav seine Liste ab: Familie, Arbeit, Zeugen, Freunde. Anfangs findet er verdächtig wenig und ich persönlich hätte schon aufgegeben – vor allem im Anblick von Maia. Nichtsdestotrotz gibt er nicht auf und kommt erstmal nicht voran. Und diese Anfangskonstellation zieht sich wie Kaugummi, bevor hier endlich etwas vorwärts geht. Der Klappentext verspricht „einen dunklen Strudel aus Intrigen, Drogenhandel und Mord“ – na ja, war schon alles dabei, aber gestrudelt hat da nix. Langsam kommt Palace vorwärts und kann nach und nach den Leuten ins Gesicht lachen und sagen: Ha, ich habs euch ja gesagt. Tut er nicht, könnte er aber. Zeitgleich muss er sich noch auf die Suche nach seinem Schwager machen und ehrlich gesagt, habe ich die Auflösung dieser Nebenhandlung nicht ganz verstanden. Aber zum Ende hin kommt dann doch noch etwas Schwung in die Ermittlung um Peter Zell und das Ende überrascht dann doch irgendwie. Nicht nur mit der Lösung des Falls, sondern auch mit weiteren Auswirkungen, die Maias Ankunft mit sich bringt, und einem Epilog, der ein zusätzliches kleines Geheimnis auflöst.
Fazit:
Für mich war Detective Henry Palace zu kühl und distanziert, die Kurz-vor-dem-Weltuntergang-Atmosphäre konnte mich aus seinen Augen nicht fesseln. Nichtsdestotrotz fand ich die Idee vom „verzögerten“ Weltuntergang sehr gut und die Handlung war gut konstruiert und schlüssig. Von mir gibt es 3 Schafe.