Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Aus der Balance – Megan Abbott

Megan Abbott – Aus der Balance
Übersetzung: Karen Gerwig und Angelika Müller, Pulp Master Verlag, 416 Seiten, ISBN: 978-3946582168

Es gibt so viele Dinge im Leben, über die man nichts weiß. Und anstatt Sachbücher zu wälzen, finde ich es immer fantastisch, wenn AutorInnen mir ein Thema verpackt in einer guten Geschichte, ok bei mir meist in einer Kriminalgeschichte, näher bringen. Und so gelingt das auch Meg Abbott in ihrem Spannungsroman “Aus der Balance”, denn wer hätte schon gedacht, dass Ballett so spannend und faszinierend sein kann, ganz abseits einer Ballettaufführung? Und, noch nebenbei erwähnt, ist Meg Abbott die erste (aber hoffentlich nicht die letzte) Autorin im Programm des Pulp Master Verlages. Tendenziell sind Autorinnen im Pulp/Noir Genre ja eher wenig zu finden, umso wichtiger, dass diejenigen, welche sich in dem Genre tummeln, auch veröffentlicht werden.

Die beiden Schwestern Dara und Marie, führen gemeinsam mit Charlie, der sowohl Daras Ehemann  ist als auch der frühere Meisterschüler ihrer Mutter war, die Ballettschule, die ihre Mutter gründete. Mögen die Ballettschülerinnen mit straff geknoteten Haaren und rosa Tutu das Ebenbild von Perfektion und Reinheit abgeben, so sieht es hinter den Kulissen ganz anders aus. Neid und Missgunst, Ehrgeiz und kaputte Füße unterlegt mit einem ranzigen Schweißgeruch beherrschen die Ballettsäle der Schule. Dara, Marie und Charlie treiben den Wettbewerb unter ihren Schülern zusätzlich voran, denn nur diese klaustrophobische Atmosphäre bringt wahre Stars der Branche hervor, nur wer diese Qualen durchsteht, erhält die begehrten Studienplätze. Ähnlich eng und intim ist auch die Beziehung dieser drei, die miteinander aufgewachsen sind und Zeit ihres Lebens kaum je getrennt waren. Sie leben in ihrer eigenen kleinen Welt. Als durch einen Brand der Bauunternehmer Derek in ihr Leben tritt, gerät diese “heile” Welt aus den Fugen.

Ohne dass überhaupt dieser Fremdkörper namens Derek, in die Welt der Drei platzt, fand ich die Beschreibung der Atmosphäre – der intimen Beziehung der drei Protagonisten, der beiden Häuser, das alte Wohnhaus und die Schule, beides etwas vergammelt und knarzig, des Ballettunterrichts mit allen seinen Facetten von aufgeregten Schülerinnen sowie wenigen Schülern, die außerhalb viel Häme ertragen müssen, und ehrgeizigen Eltern, und das alles auf die Spitze getrieben durch die jährliche Nussknacker-Aufführung, die aus aufgeregt und ehrgeizig neidisch und bösartig macht – unglaublich intensiv und schaurig.  Untermalt wird diese Szenerie durch Rückblicke in Daras und Maries Vergangenheit, welche die Omnipräsenz ihrer Mutter offenbart und die Schwäche und Abwesenheit ihres Vaters.

Dieses fragile, aber in sich gefestigte Konstrukt, immer noch aufrecht gehalten von Daras und Maries verstorbenen Mutter, bekommt Risse als Derek, der Bauunternehmer, in ihr Leben tritt. Einer, der so gar nicht in das zart-harte Ballettmilieu passt. Ein so fürchterlich männlicher Mann, groß und grob, wild und animalisch, einer, der seinen Platz behauptet und sich nimmt was er will. Ein Brocken von einem Kerl, so gegensätzlich zu dem feinen, leidenden und kränkelnden Charlie. Der Bauunternehmer kommt in die Ballettschule um den abgebrannten Saal zu erneuern, hämmert, sägt, zerstört und nimmt sich Marie.

Und wenn man so will, beginnt nun ein Tanz. Doch ganz entgegen der Erwartungen, finden sich die Tänzerinnen selbst hier erst gar nicht zurecht. Der Bauunternehmer gibt den Ton an, spielt mit den Dreien, verfolgt seine Ziele. Er treibt die Drei vor sich her, beeinflusst und flüstert, macht Andeutungen und ist immer präsent. Es scheint, als würden die drei den Kerl nie wieder los werden. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem man nur ganz klar weiß, auf welcher Seite Dara und auf welcher Seite Derek stehen. Bei Marie, nun, die hat dem Bauunternehmer ja erst Tür und Tor geöffnet. Und Charlie ist so weich und schmerzerfüllt, gegen so einen Felsen kommt er nicht an.

Ein Kammerspiel, umrundet von Mäuschen und Schneeflocken in Tutus, entspinnt sich. Zu der eh schon schaurigen Atmosphäre gesellen sich nun Sex und Verlangen, Erniedrigung und Demütigungen. Hinterlistig schleicht sich Derek in das Leben der Tänzer und hebelt es aus allen Strukturen und den Dreien gelingt es erst nur ohnmächtig zuzusehen. Doch Derek kann sich nicht zu früh freuen, denn das Trio hat noch einige Familiengeheimnisse in petto. Die Autorin wartet nicht nur mit einigen Enthüllungen und Überraschungen auf, sondern entfernt auch eine Komponente früher als ich gedacht hätte. Wer nun denkt, ab da wäre die Spannung abgeflaut, der ist auf einem Irrweg, denn der Stein, den Dereks Auftauchen und Eindringen in die Familie, ins Rollen gebracht hat, lässt sich nicht aufhalten.

Abschließend kann ich nur sagen, dass mir Megan Abbotts Geschichte außerordentlich gut gefallen hat. Dabei ist es auch nicht wichtig, ob man die Geschichte nun als Krimi, Spannungsroman oder sonstiges einordnet, denn gute Geschichten sprengen sowieso die dargelegten Grenzen. Aber seid Euch gewisse – an Spannung mangelt es in “Aus der Balance” keinesfalls. Man sollte sich auch keineswegs von dem Thema Ballett abschrecken lassen – vor allem nicht die Männer, die Ballett als reine Frauensache abstempeln. Denn dann würden sie eine ausgezeichnet ausgefeilte Geschichte in einer schräg-schaurigen Atmosphäre verpassen, die es einem unmöglich macht, das Buch nicht gierig aufzusaugen. Zumal man in der Geschichte auch rausfinden kann, dass Ballerinen durchaus keine zarten Geschöpfe sind, sondern genau wissen, was Schmerzen sind.
Was soll ich sagen – es gibt also wirklich so gar keinen Grund, warum man “Aus der Balance” nicht lesen sollte. Bitte greift unbedingt zu!

Ach, und ganz zum Schluss noch ein Lob an den Verlag. Es ist wundervoll, dass Megan Abbott beim Pulp Master Verlag eine Heimat gefunden hat und auch schon ihr nächstes Buch angekündigt wurde. Ich freu mich sehr darauf! Aber ja, auch da müsst ihr stark sein, denn da geht es um Cheerleading.  


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Moon Lake – Joe R. Lansdale

Joe R. Lansdale – Moon Lake, Übersetzung: Patrick Baumann, Festa Verlag, ISBN: 978-3-98676-030-4

Neues Jahr – neuer Schwung? Zumindest im Moment habe ich Lust und Laune, mal wieder etwas auf meinem Blog zu posten. Ob das anhält? Wir werden sehen.

Jedenfalls ist der vor Kurzem im Festa Verlag erschienene neuste Streich von Joe R. Lansdale auf jeden Fall eine Erwähnung wert. Ich wäre ja froh, wenn der Autor beim Festa Verlag eine Konstante werden würden, denn nachdem beim Golkonda Verlag die Hap & Leonard Reihe wohl nicht mehr weitergeht und bei anderen Verlagen der Autor nur sporadisch in Erscheinung tritt, wäre das sehr sehr genial für mich Fangirl. Für mich ist und bleibt Lansdale einer der großen Erzähler des amerikanischen Südens und ja, das bleibt er auch, egal in welchem Genre er schreibt. Gerade die Vielfalt des Autors fasziniert mich, denn bisher konnte er mich auch in Genres, die ich sonst nicht mit der Kneifzange anfassen würde, begeistern. Gerüchteweise habe ich gehört, dass der Festa Verlag in 2023 zumindest schon mal eine weitere Übersetzung von einem seiner Bücher plant…. Juchu!

Kommen wir nun aber zu “Moon Lake”…. Daniel Russell überlebt nur knapp, als sein Vater ihr Auto von einer Brücke in den Moon Lake steuert. Sein Vater sowie das Auto bleiben verschwunden. Doch als Jahre später der Moon Lake austrocknet und das Autowrack freigibt, reist Daniel zurück nach New Long Lincoln. Dort finden sich allerdings nicht nur die Knochen seines Vaters und so macht Daniel sich auf, um die Rätsel des Moon Lake und von Long Lincoln auf den Grund zu gehen.

Nach dem einleitenden und schrecklichen Ereignis geht es erstmal gemächlich los, denn Daniel wird von einer einheimischen schwarzen Familie aufgenommen, bis es dem Sheriff von New Long Lincoln gelingt, seine Tante zu erreichen und diese auch Lust hat, zurück in die USA zu reisen und ihrem Neffen ein Zuhause zu bieten. Nichtsdestrototz liest sich dieser Anfang ganz wunderbar, Lansdale gelingt es wie immer, seinen Leser in den Bann zu ziehen. Da ich erst vor Kurzem “Die Wälder am Fluss” gelesen habe, kamen hier Parallelen auf – die Geschichte beginnt mit einer Art Coming-of-Age Story im ländlichen Süden der USA.

Doch dann schießen wir einige Jahre vorwärts, Daniel Russell ist mittlerweile erwachsen. Er verdient als Journalist seine Brötchen und wohnt noch im Haus seiner Tante, dass er nach ihrem Tod geerbt hat. Als er dann vom Sheriff erfährt, dass der Moon Lake ausgetrocknet ist und das Autowrack seines Vaters aufgetaucht ist, fährt er dorthin um die Leiche bzw. was davon übrig ist, zu identifizieren und damit abzuschließen. Aber, wie so oft, kommt es anders als man denkt, denn das Autowrack hält noch Geheimnisse parat.

Und nicht nur das Autowrack. Denn zurück in New Long Lincoln passieren Daniel einige seltsame Dinge, es gibt Andeutungen und Geheimnisse. Der Autor baut eine unheimliche Stimmung auf, die auf mysteriöse, vielleicht übernatürlich Geschehnisse in New Long Lincoln hindeuten, auch in Bezug auf den Moon Lake, der das “alte” Long Lincoln bedeckt. Vor Jahren wurde Long Lincoln geflutet, doch noch alle Häuser stehen und als der See nun austrocknet, tauchen diese Gebäude wieder auf. Schon alleine diese Tatsache verleiht der Geschichte ihren Reiz.

Wer nun eine ausgefeilte Krimihandlung bzw. Ermittlung seitens Daniel erwartet, liegt nicht ganz falsch. Er betreibt einige Nachforschungen, doch einiges fällt ihm auch in den Schoss oder er stößt zufällig darauf. Insgesamt macht es das aber nicht weniger spannend, denn die unheimliche Atmosphäre, welche das Dorf umgibt, steigert sich weiter, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Mitunter wird es für Daniel sogar gefährlich und er kriegt einige Blessuren ab.

Insgesamt muss ich sagen, dass Lansdale ein wirkliches Gespür für junge Charaktere hat, so dass mir der junge Daniel viel mehr im Gedächtnis haftet, als der erwachsene Daniel. Vielleicht mag es auch ein wenig daran liegen, dass im späteren Verlauf die Stadt mit Ihren Einwohner mehr Gewichtung bekommt und natürlich die düstere, unheimliche Atmosphäre ihren Platz braucht. Aber mir scheint es, als hätte Lansdale einfach ein unheimlich gutes Gespür für junge Charaktere und ihre Wünsche, Träume und Handlungen.

Wer auch “Die Wälder am Fluss” kennt, wird sich am Anfang erinnert fühlen, doch die Geschichten sind sehr unterschiedlich. Während in “Die Wälder am Fluss”, die Krimihandlung und gesellschaftspolitische Themen viel mehr ausgearbeitet sind und das ganze Buch aus Sicht eines Jungen geschrieben ist, findet man hier viel mehr Mysteriöses und Spannendes. Beide haben mir sehr gut gefallen, doch da ich immer Bücher mit mehr “Futter” im Rücken bevorzuge, hat “Moon Lake” ein klitzekleines Bisschen das Nachsehen.

Moon Lake – Joe R. Lansdale, signierte Vorzugsausgabe

Und nun muss ich leider noch die tolle Vorzugsausstattung der signierten Sonderausgabe erwähnen – “leider”, da diese schon vergriffen ist. Wer also Glück hatte und sich auch den höheren Kaufpreis gegönnt hat, der ist eben nicht nur mit der Signatur von Joe R. Lansdale belohnt worden, sondern auch mit der Signatur – und hier wichtiger: den wunderschönen und passenden farbigen Zeichnungen – von Dirk Berger belohnt worden. Aber keine Sorge, das Buch gibt es auch in der “Must Read” Fassung des Festa-Verlags (eben ohne Signatur und Zeichnungen), sowie als ebook. Ihr könnt also jetzt loslaufen und Euch das Buch holen. Nein, eigentlich müsst ihr das sogar – denn egal wie, Bücher von Joe R. Lansdale lohnen sich und dürfen in keinem Bücherregal fehlen.

Fazit:
Ein ganz wunderbarer Mix aus Coming-of-Age Story und einer unheimlichen, mysteriösen Ermittlung, die man kaum aus der Hand legen mag. Nur zu empfehlen!


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Perfekt: Family Business – Lisa Sandlin


Family Business – Lisa Sandlin
Übersetzerin: Andrea Stumpf
357 Seiten
ISBN: 978-3518470282

 

 

Delpha Wade und ihr Chef, Privatdetektiv Tom Phelan, sind gerade noch dabei sich vom letzten Fall zu erholen, als schon ein neuer Kunde eintrifft: Xavier Bell engagiert die Detektei, um seinen Bruder zu finden. Nachdem sie sich über die Jahre aus den Augen verloren haben, möchte der betagte Mr. Bell sich nun mit seinem Bruder aussprechen und versöhnen. Sagt er. Doch nicht nur an dem neuen Kunden, sondern auch an seiner Geschichte, lassen sich so einige Seltsamkeiten feststellen.

Endlich – der zweite Teil mit Delpha Wade! Manch einer mag sich erinnern, dass ich sehr begeistert vom ersten Teil Ein Job für Delpha war und ja, ich bin es auch jetzt wieder.
Dabei muss man beachten, dass der Kriminalfall nun ja, eher unspektatulär ist, die Ermittlungen bedingt durch die Umstände nur langsam vorangehen und überhaupt mehr auf die Charakterzeichnung, vor allem von Delpha, und das Setting der USA in den 70ern, Wert gelegt wurde. Und trotzdem, oder gerade deswegen, war das Buch spitze und hat mich nicht mehr losgelassen.

Neben dem Fall um Xavier Bell nehmen die zwei Detektive noch zwei, drei andere, kleinere Fälle an, die zwar schnell erledigt sind, aber tatsächlich aber mehr Actrion in die Handlung bringen als die Suche nach dem vermissten Bruder. Diese stellt sich als recht zäh und hartnäckig heraus, haben doch beide Brüder keine tiefe Verbundenheit zu ihrem Namen und wechseln diesen hin und wieder. Eine Sisyphusarbeit! So wälzen sich Tom und Delpha durch Geburtenregister, Maklerkäufe und Telefonbücher, klingeln bei Hauskäufern und besuchen Bibliotheken – was man eben so gemacht hat, in den Zeiten bevor jegliche Kleinigkeit im Internet verfügbar war. Ja, gute alte Recherchearbeit – und das weitgehend über das ganze Buch verteilt. Und trotzdem war das nun wirklich nicht langweilig, sondern schlicht und einfach spannend zu lesen.

Das gelingt durch das Einflechten der besagten weiteren Fälle des Detektivbüros, aber eben nicht nur, sondern eben auch durch die fabelhafte Delpha Wade. Wer sich nicht erinnert, dem sei hier nochmal gesagt, dass Delpha eine ganz normale Frau in den Dreißigern ist, die aber das Unglück hatte, nachdem sie einen Mann, der sie vergewaltigen wollte, in Notwehr getötet hatte und kein Geld für einen Anwalt aufbringen konnte, 13 Jahre im Gefängnis abgesessen hat. Aus diesem Grund ist Delpha nun eben zurückhaltend und verschlossen, nicht so vertrauensselig und schon gar nicht reich. Dafür ist sie aber wissbegierig, genau und clever, und möchte wieder ihren Platz in der Gesellschaft haben. Und hier hilft ihr Tom Phelan, welcher der einzige ist, der ihr einen Job gibt.

Im zweiten Teil nun, ist Delpha quasi aus dem Job der Sekretärin herausgewachsen und Tom schickt sie auch raus, um Recherchen zu erledigen und Nachforschungen zu betreiben. Hin und wieder ist das mit Rückblicken auf ihre Jahre im Gefängnis versetzt, die bei passenden Gelegenheiten eingestreut sind und Einblick in ihre Vergangenheit geben, darauf, wie sie zu dem Mensch geworden ist, der sie jetzt ist.

Wenn auch die Action in dem Buch eher gedeckt war, der Fall nun nicht sonderlich spektakulär, habe ich den Krimi doch eingesogen und im Nu ausgelesen. Das liegt zu einem großen Teil an Delpha, die für mich einfach eine der superspannendsten, interessantesten weiblichen Charaktere der letzten Jahre in der Kriminalliteratur ist, aber auch dem Flair der Zeit geschuldet ist. Ich fass es mal so zusammen: es strahlt eine vergangene Gemütlichkeit aus, die wir in unseren heutigen hektischen Zeiten einfach nicht mehr nachvollziehen können. Telefone haben noch Schnüre, Recherchen betreibt man in der Bibliothek – man kann dort sogar anrufen und die Auskunftsbibliothekarin sucht dem Anrufer die Antwort auf Fragen heraus, Wahnsinn, ich wusste gar nicht, dass es das gab! – die Autos sind klapprig, das Essen ist fettig. Einfach wundervoll! Es ist ein romantisches Bild der USA, eine verschlafene Stadt im Süden der USA in den 70ern  – überraschenderweise der perfekte Platz, um dort Kriminalfälle zu lösen.

Tobias Gohlis hat es perfekt zusammengefasst: “Von Delpha Wade möchte man mehr lesen.” Wohl wahr. Hat sich auch der Verlag gedacht und das Zitat hinten auf das Cover gedruckt. Von solchen Zitaten bin ich ja oft kein Fan, doch diesmal kann ich nur zustimmen. Für Privatdetektive habe ich sowieso einen besonderen Platz in meinem Leseherz und Delpha Wade hat es sich dort schon gemütlich gemacht. Ich mag Delpha Wade, ich mochte sie schon im ersten Teil und ich hoffe, es werden noch viele weitere Teile der Reihe erscheinen.

Fazit:
Für mich der perfekte Krimi. Und mal wieder der Beweis, dass ein Krimi weder reisserisch, noch blutig noch voller Action sein muss, sondern eben auch mit leisen Tönen, Charakterisierung und Setting voll überzeugen kann.

 

P.S.: Zum Abschluss noch eins. Wirklich unklar ist mir, warum man ein Buch, dessen englischer Titel “Bird Boys” ist, im “Deutschen” dann “Family Business” nennt. Das passt zwar auch zur Geschichte (immerhin), aber warum tausche ich einen englischen Titel zu einem anderen englischen Titel für eine deutsche Ausgabe?

 


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Shorty | Der schöne Schein: Tödliche Therapie – Sara Paretsky


Sara Paretsky – Tödliche Therapie
Verlag: Piper
Übersetzung: Anette Grube
300 Seiten
ISBN: 978-3492983747

 

 

 

 

Worum geht es?
V.I. Warshawski hat sich überreden lassen, Fabiano, der Consuelo, die Schwester von Lotty Herschels Krankenschwester, geschwängert hat, zu einem Vorstellungsgespräch zu fahren. Während sie auf Fabiano warten, kippt die hochschwangere Consuelo um und Warshawski bringt sie schnellstmöglich ins nächste Krankenhaus. Lotty Herschels Partner Malcolm wird gerufen, doch Mutter und Baby sterben. Ein tragischer Unglücksfall. Als dann aber kurz darauf Malcolm ermordet wird und Unterlagen aus dem Krankenhaus verschwinden, wird die Privatdetektivin stutzig und beginnt zu ermitteln.

Einer wie der andere?
Obwohl sich V.I. erst ein wenig sträubt zu ermitteln, kommen ihr dann doch einige Sachen komisch vor und sie stochert. Zuerst nur ein bisschen, dann in gewohnter Weise. Und leider auch immer mit gewohnten Nebeneffekten – die arme V. I. muss immer ganz schon was aushalten!

Opfer, Tat und Täter
Consuelo und das Baby sowie Malcolm sind die Opfer. Ein Zusammenhang ist erst mal nicht ersichtlich, doch irgendwie scheint es schon verdächtig, dass Malcolm so kurz nach der Behandlung von Consuelo stirbt. Die Täter? Wähnen sich unantastbar und haben Verbindungen zu kriminellen Elementen.

Themen
Krankenhäuser, Krankenversorgung, staatlich, privat. Abtreibungen, Abtreibungsgegner. Anwälte und Gangs. Kosten-Nutzen-Rechnung. Gewinn.

Was war gut?
Obwohl man – wie V.I. – zuerst nicht richtig sieht, wo hier ein Fall ist, entwickeln sich die Ermittlungen nach und nach. Ich mag es, wie V.I. die Sachen angeht. Sie sieht genau, dass Dinge die sie tut schief gehen können, sichert sich grob ab und läuft dann offenen Auges ins Messer. Aber so ein paar Blessuren haben sie noch nie aufhalten können. Wie alle Privatdetektive nimmt sie es mit den Regeln nicht so genau, das ist eben der Vorteil, wenn man kein Polizist ist. Akten stehlen ist nützlich und kein Verbrechen, nicht? Ich mag ihre Kämpfernatur, die aber eben nicht übermenschlich ist. Und in diesem Fall versagt sogar ihr Detektor, der sie vor bösen/falschen Menschen warnt. Menschlich eben.

Was war schlecht?
Boah – wer denkt sich denn die Titel aus? Tödliche Therapie – welche Therapie? Kein Mensch wird in dem Buch therapiert. Im Original heißt es „Bitter Medicine“, was sich auch wunderbar ins Deutsche hätte übertragen lassen.

FAZIT:
Ein weiterer spannender Fall um die Privatdetektivin V.I. Warshawski, die diesmal ein Krankenhaus aufmischt. Wie im Flug gelesen, wie immer sehr genossen und jetzt schon gespannt auf den nächsten Fall!


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Quick & Dirty 1/2019

Der Steingänger – Davide LongoDerSteingänger

Rowohlt, Übersetzerin: Suse Vetterlein, ISBN: 978-3499290398

Worum geht es?
Cesare findet seinen alten Freund Fausto, mit dem er früher Flüchtlinge über die Berge nach Frankreich gebracht hat, ermordet in einem Gebirgsbach. Der Franzose – wie Cesare von seinen italienischen Mitbürgern genannt wird – ist verdächtigt, doch hängt Faustos Ermordung wirklich mit seinen Tätigkeiten als Schlepper und neuerdings Drogenkurier zusammen?

Wie war es?
Literarisch so stimmungsvoll kann nur einer schreiben – Davide Longo. Auch sein Debütroman konnte mich nun voll überzeugen, wobei die Kriminalgeschichte fast schon nebensächlich ist. Ich verliebe mich immer in diese stille, abgeschiedene Atmosphäre, die er mit seinen Worten zaubern kann. Aber natürlich ist auch die Kriminalgeschichte nicht zu verachten, denn dahinter steckt mehr – oder eigentlich weniger – als man denkt.

 


Das Meer – Wolfram Fleischhauer56008124n

Droemer-Knaur, ISBN: 978-3426307076

Worum geht es?
Ökoterroristen gegen Fischereimafia.
Eine Fischereibeobachterin der EU geht über Bord, vereinzelte Fischvergiftungen treten in Europa auf, eine Tochter wird gesucht und ein Dolmetscher hat keine Ahnung worum es eigentlich geht.

Wie war es?
Thematisch war der Ökothriller ein absolutes Highlight. Man muss echt schlucken bei den Greueltaten, welche die Fischereimafia bewusst, die Bevölkerung unbewusst durch ihre Nachfrage nach Fisch, den Meerestieren und dem Ökosystem Meer antun. Ich nehme mich hier nicht raus, ich esse zwar nicht viel Fisch, aber nur weil ich ihn nicht sehr mag. Die Empfehlung von Ärzten, zweimal die Woche mindestens Fisch zu essen, sollte man sich nach dem Buch nochmal gründlich überlegen.
Für einen Thriller hätte das Buch aber ein wenig mehr Spannung vertragen können, doch das größere Problem hatte ich mit der Auswahl der Protagonisten. Denn hier sind mal wieder die alten, weißen Männer ganz vorne, die beiden weiblichen Protagonistinnen bekommen nur wenig Chance ihre Gedanken mitzuteilen. Wer weiß, vielleicht bewusst gewählt, denn man sieht nicht nur die klaffende Lücke zwischen den Generationen sondern auch zwischen den Geschlechtern, eingeschnürt in Paragraphen und Sitzungen der EU, die zwar Gutes wollen, aber nur wenig ausrichten können oder wollen. Der Dolmetscher, der dem Autor am nächsten liegt, was man aus dem Nachwort erfährt, war der unbeteiligste Charakter, denn über 90% des Romanes weiß er gar nicht, worum es geht und als er es dann erfährt, interessiert es ihn auch nicht so richtig.
Ach, ich weiß nicht, wie gesagt, thematisch war es wirklich gut, aber die Umsetzung war nun nicht so meins.


Sick City – Tony O’Neill51xUrKIPg+L._SX314_BO1,204,203,200_

Heyne Hardcore, Übersetzer: Stephan Pörtner, ISBN: 978-3453676237

Worum geht es?
Als Jeffreys Gönner nachts im Bett stirbt, beschließt er, eine Entziehungskur zu machen. Dabei trifft er Randal, ebenfalls drogenabhängig, aber auch reich und mit dem Filmgeschäft verbandelt. Das trifft sich gut, hat Jeffrey doch von seinem Gönner ein geheimes Sex-Tape „geerbt“, welches er zu Geld machen will. Zwei Junkies, ein legendäres Video und L.A. – da kann doch nichts schief gehen, oder?

Wie war es?
Zwei Junkies, ein Dealer, ein Killer und eine Stripperin, die alleine nichts hinkriegt. Schon das Ensemble in diesem abgefahrenen Krimi hat es in sich. Sprachlich zwar nicht der Bringer, dafür aber sehr authentisch rast man durch das Buch und sieht die Wand auf sich zukommen bzw. die Protagonisten Fahrt aufnehmen und in ihr Unglück rasen. Sehr viele Drogen, sehr viele Arten Drogen zu nehmen, Gossensprache und nicht das beste Personal und trotzdem eine Wucht. Ein irrer Trip, den man sich nicht entgehen lassen sollte.


Exodus aus Libyen – Tito Topin41JK-qwbcBL._SX301_BO1,204,203,200_

DistelLiteraturVerlag, Übersetzerin: Katarina Grän, ISBN: 978-3923208906

Worum geht es?
Acht völlig unterschiedliche Menschen – Geschlecht, Religion, sozialer Status – machen sich auf den Weg von Tripolis nach Tunesien. Der Jeep schafft es kaum aus der Stadt, bevor er in einem kleinen Ort strandet, der unter der Knute des Militärs steht, zurückerobert von den Rebellen. Wer bzw. wie viele werden Tunesien erreichen?

Wie war es?
Unheimlich erschreckend. Acht Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, alle einzeln vorgestellt in Kapiteln eingeworfen zwischen den Kapiteln ihrer unmöglich scheinenden Reise. Jeder mit eigenen Motiven, mit einer Hintergrundgeschichte, müssen sie sich doch irgendwie arrangieren, zusammenbleiben, füreinander einstehen. In einem Land zerrissen zwischen den Schergen des Machthabers, dem „Pourriture“ (dem Korrupten/Verderbten (Gaddafi)), und den Rebellen, ein zerstörtes Land, mit Toten, mit Hungernden, mit Flüchtlingen, klapperdürren Hunden und der ständigen Angst zu sterben. Bei dieser Lektüre muss man schwer schlucken, aber es ist so wichtig, sie zu lesen, um zumindest ein wenig zu verstehen, welche Schrecken auf der Welt vorgehen, derweil wir in unseren sicheren Häusern sitzen, keinen Hunger leiden, uns nicht vor Kampfflugzeugen verstecken müssen. Unbedingt lesen!

 


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Shorty | Vaterersatz: Spenser und das Finale im Herbst – Robert B. Parker


Robert B. Parker – Spenser und das Finale im Herbst
Verlag: Pendragon
Übersetzer: Malte Krutzsch
188 Seiten
ISBN: 978-3865324863

 

Worum geht es?
Patty Giacomin heuert Spenser an, um ihren Sohn Paul von ihrem Mann Mel zurückzuholen. Die Giacomins haben sich scheiden lassen, Patty hat das Sorgerecht, doch Mel hat Paul mitgenommen. Recht schnell findet Spenser Paul, bringt ihn zurück, doch sieht, dass weder Patty noch Mel sich auch nur irgendwie für Paul interessieren, es geht einzig darum, dem anderen eins auszuwischen. Spenser kann das nicht mit ansehen und nimmt Paul bei sich auf.

Einer wie der andere?
Irgendwie ja und irgendwie auch nicht. Spenser hat zwar sehr viel, was andere Privatdetektive auch haben, aber eigen ist er irgendwie schon. Moralisch handelt er richtig, doch natürlich ist er damit nach Gesetz und Recht ein Entführer. Ach ja, und in Erpressung übt er sich auch noch.
Aber Hawk und Susan sind wieder mit dabei. Also irgendwie doch ein typischer Spenser Krimi.

Opfer, Tat und Täter
Paul ist das Opfer, definitiv. Nicht von Spenser, sondern von seinen Eltern. Der Junge ist so phlegmatisch, der würde sogar mich zur Weißglut treiben, doch bei den Eltern kein Wunder. Hauptsache sie können sich am anderen rächen, Paul ist ihnen egal.

Themen
Spenser erzieht einen Jungen. Nimmt ihn mit raus an den See, in eine Hütte. Treibt ihn zum Sport an, gibt ihm was zu essen, baut mit ihm ein Haus. Und geht mit ihm ins Ballett. Zugegeben, diese Initiative kommt nicht von Spenser, doch er hört dem Jungen zu. Und der will eben ins Ballett. Er gibt ihm Struktur, Halt, ein Vorbild. Hach, dieser Spenser.

Was war gut?
Man mag jetzt denken, dieser Spenser ist eher langweilig, Erziehungsprogramm und so. Aber nein, natürlich weiß Spenser auch so, wie er zu seinem Vergnügen kommt. Harte Kerle verprügeln, harte Kerle bedrohen, schnüffeln und sich absichern. Privatdetektiv par excellence plus diesmal eben Vaterfigur.

Was war schlecht?
Nichts zu finden – wie immer ein klasse Spenser Krimi.

FAZIT:
Spenser kann eben nicht nur Privatdetektiv, sondern auch Vorbild und Vaterfigur. Aber keine Sorge, mächtig Action gibt es auch. Wie immer: pures Lesevergnügen!


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12 Schritte: Trüb – Sarah Schulman


Sarah Schulman – Trüb
Verlag: Argument
Übersetzerin: Else Laudan
269 Seiten
ISBN: 978-3867542418

 

 

 

 

Maggie Terry ist Alkoholikerin und drogensüchtig. Maggie Terry ist jetzt über 18 Monate trocken. Ihren Job bei der Polizei hat sie natürlich verloren, gleiches gilt für ihre Lebenspartnerin Frances und ihre Tochter Alina. Wegen Frances hat sie überhaupt die Reha gemacht, gezwungen hat Frances sie und ist dann mit Alina zu einer Neuen gezogen. Das wurmt Maggie, sie vermisst Alina sehr. Doch ein Schritt nach dem anderen, denn immerhin hat sie Mike Fitzgerald. Und Rachel. Und Jamie Wagner. Mike gibt ihr nach der Reha einen Job, Rachel ist ihre Mentorin. Jamie Wagner ist ihr erster Fall als Privatermittlerin in Fitzgeralds Anwaltskanzlei.

„Jetzt konnte sie das erkennen. Sie war nur einfach unfähig, die Chance zur Veränderung zu ergreifen, unfähig, im Unrecht zu sein. Unfähig, nicht zu explodieren, nicht mit Vorwürfen zu antworten, sich nicht als Opfer von Missbrauch zu gerieren, weil ihre Liebste verlangte, dass sie zuverlässig war. Dass sie fair war. Sie hatte immer alles mit Feuer beantwortet. Und jetzt hatte sie Asche.“ (S. 107)

Puh, Maggie bei ihrem Neuanfang zu folgen, ist nicht ganz einfach. Der Fall um die erdrosselte Schauspielerin Jamie Wagner, ist nicht nur zuerst, sondern auch über weite Strecken eher eine Nebengeschichte. Klar, Maggies Gedanken drehen sich um Alkohol, um Drogen, um ihre Liebsten, die sie verloren hat, denen sie aber auch die Schuld gibt, oder zumindest eine Mitschuld, bitteschön! Sie kann sich kaum auf Kleinigkeiten konzentrieren, treibt von AA-Treffen ins Büro und wieder in ihr kleines Apartment. Es ist authentisch, ja, aber auch hin und wieder anstrengend. Gerade anfangs dachte ich, geht es denn mit dem Fall nie los? Maggie badet in einem Moment im Selbstmitleid, derweil sie im nächsten Einsicht zeigt. Alles garniert mit ihrem analytischen Blick. Denn auch wenn sie früher besoffen und zugedröhnt war, eine gute Polizistin war sie schon.

Die Ermittlungen zu Jamie Wagner übernimmt Maggie nicht alleine, sondern zusammen mit Craig, auch ein Privatermittler der Kanzlei und ein IT-Freak. Das muss sich nicht nur einrütteln, sondern Craig hat massive Vorurteile über Maggie. Da ist er nicht alleine, denn die Kollegen im Büro sind entweder offen ablehnend und misstrauisch oder herzlich und euphorisch. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf die beiden Männer in Jamies Leben: ihren Exfreund, einen berühmten Schriftsteller, und ihren Vater, bei dem schon bald klar ist, dass seine Beziehung zu Jamie ein Missbrauchsverhältnis war. Aber auch eine windige Therapeutin steht auf dem Plan. Wie es der Zufall so will, unternimmt Maggie einige Befragungen alleine und stößt dabei nicht nur auf Jamies Dämonen, sondern auch auf ihre eigenen, so dass sich die beiden Leben ineinander flechten, ohne sich jemals berührt zu haben. Ähnlichkeiten tun sich auf, auch wenn beide Frauen unterschiedlicher nicht sein könnten. Worte, Wendungen, Personen erinnern Maggie immer wieder an ihr Leben und sie driftet ab in Erinnerungen, Erinnerungen, die ihr sauer aufstoßen, bei denen sie vor allem Frances alle Schuld zuweist und doch weiß, dass das nicht die Lösung ist. Sie pendelt von sich zu Jamie und wieder zurück, immer auf der Suche nach der Lösung. Der Lösung des Falles, aber auch der Lösung für ihr Leben.

Ah, und nicht zu vergessen: New York. Maggie war lange weg und so bekommt sie die Veränderungen, die New York durchmacht, direkt um die Ohren gehauen. Alte, eingesessene Geschäfte, die nun leer und abweisend sind oder jetzt ein weiteres In-Restaurant oder die nächste Filiale einer Kette beinhalten, die vielen Yuppies und Reichen, die New York plötzlich bevölkern, wobei sie das gar nicht tun und die Straßen fast schon verwaist scheinen. Die New Yorker fehlen, verschwinden, diejenigen, die New York diesen tollen Ruf eingebracht haben. Gentrifizierung und Trump/Kushner, das ist mit New York geschehen und Maggie Terry erkennt ihre Stadt nicht mehr. Das Deli, welches Maggies im morgendlichen Ritual besucht, muss schließen, von einem Tag auf den anderen, dafür gibt es jetzt gegenüber Soja-Latte und kalt-gepresste Säfte für 10 Dollar. New York ist kein Ziel mehr, für die, welche die Offenheit, Wandelbarkeit, Unverwechselbarkeit von New York suchen, es ist nur noch ein Ziel für Reiche und welche, die noch reicher werden wollen. Etwas, dass mal außergewöhnlich war, was nun auf Einheit und Gleichheit getrimmt wird. Die Autorin übt Kritik, an ihrem veränderten New York, an dem neuen American Way of Life, an Donald Trump – und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Schonungslos grast sie die Zeitungen ab, konfrontiert mit immer irreren, aber leider wahren Nachrichten, zeigt das zerstückelte New York, und untermalt damit die Geschichten der beiden verlorenen Schicksale, das von Maggie Terry und Jamie Wagner. Doch nur eine hat noch die Chance das Schicksal zu wenden.

Und mag das jetzt alles doch ein wenig trostlos klingen, ist der Krimi doch ein so wundervoll komplex verwobenes Gebilde, welchem man ohne jegliche Verwirrungen folgen kann, welches man aufsaugt und in welches man sich sinken lässt. Ja, ein wenig trostlos, ja, ein wenig trüb, auch ein wenig schwer, aber so genial noir, dass man das Buch mit einem zutiefst zufriedenen Gefühl zuklappt. Nicht nur weil er superb geschrieben ist und mit Maggie Terry eine so widersprüchliche wie realistische Alkoholiker charakterisiert, sondern auch, weil Maggie am Ende, wenn auch nicht am Ziel ihres Weges, zumindest einen Schritt weiter ist. Nicht 6, nicht 8, schon gar keine 12 Schritte, aber einen. Einen wichtigen Schritt weiter.

Fazit:
So genial wie noir – wo war Sarah Schulman all die Jahre? Mit ihrem neuen Krimi legt die Autorin eine wahre Glanzleistung vor, die trotz all der Düsternis ganz wunderbar unterhält. So wie ein Noir eben sein soll. Ich bin begeistert!

 

Noch ein Appell zum Schluss:
Liebe Else, bitte grabe die 7 vor vielen Jahren bei Ariadne erschienen Krimis von Sarah Schulman wieder aus. Denn diese Autorin ist genial und ich möchte und will gerne alle ihren Krimis lesen, die nun aber leider nur noch schwer antiquarisch zu bekommen sind. Wie stehen die Chancen dafür?


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Shorty | Weißmützen-Eldorado: Bärenblues – Joe R. Lansdale


Joe R. Lansdale – Bärenblues
Verlag: Golkonda Verlag
Übersetzer: Steve Ayan
275 Seiten
ISBN: 978-3946503040

 

 

 

Worum geht es?
Florida Grange ist verschwunden. Die Rechtsanwältin und Haps Ex, ist nach Grovetown gefahren, um verschollene Aufnahmen einer Blueslegende zu suchen. Hap und Leonard begeben sich also auch dorthin, um Florida zu finden. Grovetown ist ein hübsches kleines Städtchen – für Weiße. Ist man anderer Hautfarbe hat man hier nichts zu lachen, denn der Klan ist hier nicht nur aktiv, sondern diktiert das Dorfleben.

Einer wie der andere?
Hap und Leonard sind keine Privatdetektive, doch irgendwie landen sie immer in Geschichten, bei denen sie Fragen stellen. Oft die falschen Fragen. Nichtsdestotrotz machen sie damit die Pferde scheu und bekommen ordentlich eins auf die Fresse. In Grovetown erreicht das eine neue Höchstleistung. Verdammte Rassisten!

Opfer, Tat und Täter
Hap und Leonard sind Opfer, Florida auch. Die Täter sind Rassisten und Nicht-Rassisten. Kommt ganz darauf an, welches Verbrechen man untersucht.

Themen
Heute spricht man von Alltagsrassismus, Rassismus, der sich eingeschlichen hat, den man fast schon unbewusst benutzt – doch Lansdale packt hier die große Keule aus. In Grovetown ist es wie in den 60ern, vor Martin Luther King, vor Rosa Parks. Weißmützen, Ku-Kluxer – auch wenn sie sich hier die Ritter von Sowieso nennen – ist aber auch egal, Rassist bleibt Rassist.

Was war gut?
Wer auf Action steht, bekommt hier ordentlich was geboten, auch wenn man stellenweise Angst haben muss, dass die beiden Helden sang- aber keinesfalls klanglos untergehen. Grovetown bietet trotz einiger „normaler“ Menschen eine bedrohliche Kulisse, ein Kaff, welches ich in keinem Reiseführer finden möchte. Wie gut, dass am Ende nicht mehr viel von dem Dörfchen steht… auch wenn nicht Hap und Leonard daran „schuld“ sind, der Gerechtigkeit wird genüge getan.
Ich kann mich ja immer wahnsinnig über sowas aufregen: Feminismus, Sexismus, Rassismus. Manchmal fällt es mir da schwer weiterzulesen. Bei Hap und Leonard lief das aber anders. Die beiden können ordentlich was abkriegen und sind trotzdem unzertrennlich, moralisch auf der richtigen Seite und haben absolut keine Lust aufzugeben.

Was war schlecht?
Nichts zu finden…. Außer vielleicht, dass ich jetzt wohl bei Teil 6 weiterlesen muss, denn die dazwischen liegenden Teile sind noch nicht beim Golkonda-Verlag erschienen (ich vermute, dass die Lizenzen noch anderen Verlagen gehören), oder ich versuche die anderen Teile antiquarisch zu kriegen. Ach, aber eigentlich hätte ich die 2 anderen Teile schon auch gerne mit den genialen Covern des Golkonda-Verlags…

FAZIT:
Ein bärenstarker weiterer Band mit den „Best Buddies“ Hap und Leonard. Ein wenig gruselig, bei den ganzen Weißmützen, und harter Tobak für die beiden, aber ne Menge Spaß für jeden Leser.


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Sogwirkung: Psychose – Blake Crouch


Blake Crouch – Psychose
Verlag: Goldmann
Übersetzerin: Kerstin Fricke
416 Seiten
ISBN: 978-3442489701

 

 

 

 

“Psychose” ist der erste Teil der “Wayward Pines” Trilogie, welche der Heyne Verlag gerade im Monatstakt veröffentlicht. Wenn ich es richtig gesehen habe, gab es das Buch schon im Selfpublishing und wurde nun, nachdem das ganze als erfolgreiche Serie vermarktet wurde, vom Goldmann Verlag nochmal aufgegriffen. Da ich den Hype bisher nicht mitbekommen habe, finde ich es also hervorragend, dass diese Trilogie nochmal aufgenommen wurde, denn – soviel kann ich schon mal verraten – ich fand es genial.

Ethan Burke ist Secret Service Agent und auf der Suche nach zwei verschwundenen Agenten, die sich zuletzt gemeldet haben, als sie auf dem Weg nach Wayward Pines waren. So macht sich auch Burke auf den Weg, wird in einen Autounfall verwickelt und wacht benommen und mit Gedächtnisverlust neben einem Fluss in Wayward Pines auf. Nach und nach kommen seine Erinnerungen zurück, doch trotzdem ist irgendwas merkwürdig an dem kleinen Städtchen.

Tatsächlich stellt es sich nun schwierig heraus, grob zu umreißen, wohin die Geschichte sich wendet, denn ich mag den anderen Lesern keine der Kleinigkeiten verraten, die Ethan Burke nach und nach herausfindet und natürlich schon gar nicht die große Auflösung am Ende, aber genau diese, die Antwort auf die Frage “Was ist los in Wayward Pines?” ist so drängend in das Buch gearbeitet, dass man quasi nicht mehr aufhören kann weiterzulesen. Man muss einfach wissen, was hinter all dem steckt. Ich habe das Buch tatsächlich in einem Tag verschlungen, sogar in wenigen Stunden, einfach weil es für mich so einen Sog entwickelt hat, dass ich eben unbedingt wissen wollte, wie es ausgeht, bzw. welches Geheimnis Wayward Pines hütet.

Dabei könnte man, wenn man denn wollte an einigen Sachen herummäkeln. Klar ist das Buch nun kein literarisches Meisterwerk, doch den Anspruch hat es eben auch gar nicht. Es reicht völlig, eine unheimliche, mysteriöse Atmosphäre aufzubauen. Beim Lesen hatte ich ganz viele Ideen im Kopf, was das Dorf sein könnte, welches Geheimnis hier verborgen liegt, wie es ausgehen könnte, und doch kommt es ganz anders. Man grübelt und grübelt, geht mit Ethan Burke durch die Stadt und hat dabei ständig diese Kribbeln im Nacken. Als ob einen jemand beobachtet. Man blickt die sauberen Straßen an, die wohnlichen Häuser, die netten Barbecues und obwohl alles normal aussieht, stimmt etwas nicht. Man weiß es einfach, man kann nur nicht genau sagen, was nicht stimmt.

Auch Ethan Burke braucht eine Weile und seine Nachforschungen gehen nicht einfach über die Bühne. Er ist im übrigen die einzige Figur des Buches, die mehr Hintergrund und Charakter verliehen bekommt, die anderen sind nichts weiter als gute Statisten. Burkes Suche nach der Wahrheit ist im Übrigen nicht leicht. Ich möchte ihn hier doch mal kurz als “John McClane” zwischen zwei Buchdeckeln bezeichnen, denn so wenig Essen, Schlaf und Genesung der Kerl kriegt, so viel Prügel steckt er im Gegenzug ein. Aber ihn zu einem Haudrauf zu reduzieren wäre auch nicht richtig, tatsächlich zeigt sich, dass er sich auch durch Hartnäckigkeit und Dickköpfigkeit auszeichnet und immerhin versucht diese verquere Geschichte zu lösen.

Das Ende war nicht nur für mich überraschend, sondern auch für Burke und ich mag fast behaupten, dass man kaum drauf kommen kann. Trotzdem schließt man das Buch mit einem guten Gefühl und das möchte ich dem Autor zu gute halten, denn obwohl es eine Trilogie ist, ist der erste Teil abgeschlossen, so dass man nach der Lektüre auch aufhören könnte. Allerdings werde ich auf jeden Fall weiterlesen, denn ich frage mich, wie es jetzt weitergeht, welchen Twist der Autor in den nächsten beiden Teilen der Trilogie bietet – und ja, ich hoffe und erwarte ein mindestens genauso spannendes Buch, welches bis zum Schluss sein Geheimnis nicht preis gibt und meinem Gehirn wieder die Möglichkeit gibt, unendliche Lösungen zu finden, die es dann doch nicht sind.

Fazit:
Unheimlich spannend und mit unglaublicher Sogwirkung – man muss wirklich unbedingt wissen: Was ist los in Wayward Pines?

 


Ein Kommentar

Shorty | Ritter nicht gesucht: Bodyguard für Rachel Wallace – Robert B. Parker


Robert B. Parker – Bodyguard für Rachel Wallace
Verlag: Pendragon
Übersetzerin: Uta Tanner
224 Seiten
ISBN: 978-3865325075

 

 

 

 

Worum geht es?
Rachel Wallace, bekennende Feministin und Lesbe, bekommt Morddrohungen aufgrund ihres neusten veröffentlichten Buches, nicht aufgrund des Themas, sondern durch einige Enthüllungen, die sie im Buch verpackt hat. Ihr Verleger engagiert daraufhin Spenser, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Spenser nimmt den Aufrag an, doch Rachel tut sich schwer von dem Macho Spenser behütet zu werden.

Einer wie der andere?
Spenser ist wie immer – auf Gedeih und Verderb – dem Überleben seiner Klientin verschrieben, auch wenn die ihn irgendwann feuert. Aber Spenser zeigt immer vollen Einsatz, ob Klient oder Klientin, ob der oder die möchte oder nicht. Er tut sich nur schwer damit, zu verstehen, dass Hilfe nicht immer gleich Hilfe ist.

Opfer, Tat und Täter
Rachel Wallace ist das Opfer, Drohbriefe und Entführung sind die Taten, die Täter unterschiedlich, aber alle Idioten.

Themen
Auch in diesem Teil nimmt sich Robert B. Parker wieder ein schwieriges Thema vor, zumindest in Kombination mit seinem recht machohaften Spenser: Feminismus. Rachel Wallace steht öffentlich zu ihrer Sexualität und tritt für den Feminismus ein. Dies ruft natürlich wieder Fanatiker und Eiferer auf den Plan. Seufz… all die bösen Lesben, welche die kleinen Schulmädchen auch zu Lesben machen wollen… ja ja. Gruselig, diese überholten verqueren Moralvorstellungen und die geifernden religiösen Fanatiker.
Mittendrin Spenser, der zwar kein Macho ist, aber eben doch der Typus Mann, der als Ritter in schimmernder Rüstung das Burgfräulein vor dem Drachen rettet. Keinen von den beiden  – weder Macho noch Ritter –  mag Rachel Wallace in ihrer Welt haben, Rachel will gar keinem Mann zur Verfügung stehen und den Ritter macht sie selbst. Das Mittelalter ist vorbei.

Was war gut?
Es gefällt mir gut, dass Parker in den letzten zwei Krimis relevante Themen aufgegriffen hat und – man höre und staune – diese auch heute noch relevant sind. Man mag vielleicht meinen, dass es solche Fanatiker nicht mehr gibt, doch einige sind wohl immer noch übrig und unglaublicherweise werden es zur Zeit auch wieder mehr. Natürlich muss der heutige Feminismus eher gegen die patriarchalischen Strukturen und gesellschaftlichen Missgriffe kämpfen, die sich so manifestiert haben, dass sie als „normal“ betrachtet werden.
Ich könnte hier natürlich noch viel mehr schreiben, aber ich mache es kurz: egal welchem Thema sich der Autor widmet, in einem Spenser Krimi verpackt, kann er mich damit immer überzeugen!

Was war schlecht?
Ob Spenser wohl was aus diesem Fall gelernt hat? Dass man Frauen nicht immer retten muss, dass Frauen das durchaus selbst können. Dass Frauen auch das meinen, was sie sagen, auch wenn die männliche Hilfe gut gemeint ist, aber eben unerwünscht. Ich hoffe es…

FAZIT:
Auch wenn ich mich wiederhole: Spenser Krimis sind immer klasse. Auf zum nächsten!