Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Weird Western: Strasse der Toten – Joe R. Lansdale


Joe R. Lansdale – Strasse der Toten
Verlag: Golkonda
Übersetzer: Robert Schekulin & Doreen Wornest
285 Seiten
ISBN: 978-3942396561

 

 

 

 

Schon viel zu lange ist mein letzter Lansdale her. Und schon viel zu lange lag hier „Strasse der Toten“ auf meinen SUB, um genau zu sein, war es 2016 ein Weihnachtsgeschenk. Aber egal, denn Bücher vergammeln ja nicht, sondern werden höchstens noch viel besser als sie eh schon sind. Natürlich ist mir klar, dass das vorliegende Buch sich so gar nicht in meinem üblichen Beuteschema befindet. Weird Western – noch nie gehört. Ist das ein eigenes Genre? Tatsächlich findet man aber bei Lansdale häufiger Western vor. Es ist ein Genre, welches Lansdale, mit so einigen anderen, fasziniert hat. Und was man bei Lansdale sowieso immer weiß: langweilig wird es in keinem seiner Bücher!

„Der Fluss war so schwarz wie die Scheiße aus Satans Eingeweiden. Immer wieder hüpften weiße Gesichter mit toten Augen wie Korkschwimmer an die Oberfläche und versanken wieder in der Schwärze, ohne ein Kräuseln zu hinterlassen.“ (S. 35)

Reverend Jebediah Mercer ist Wanderprediger. Doch das Halten von Predigten und gottesgefällige Scheinheiligkeit hat er schon lange abgelegt bzw. hatte er noch nie angelegt. Er befindet sich auf einer Mission und durchstreift die Lande, um im Auftrag Gottes gegen das Böse zu kämpfen. So kommt er auch in die kleine Gemeinde Mud Creek. Ein verschlafenes Städtchen, das sich in eine Misere gebracht hat. Durch Vorurteile und Hetzreden aufgestachelt, hat die Stadt einen umherwandernden Indianer, der Heiltränke verkauft hat, und seine schwarze Frau getötet. Der Indianer hat, bevor man ihn an einen Baum aufgeknüpft hat, Rache geschworen und kehrt nun zurück. Aber er ist nicht alleine. Ja genau, Untote. Und passt man nicht auf, wird man selbst zu einem, schon ein kleiner Kratzer kann dazu führen. Der Reverend, gemeinsam mit dem Doktor der Stadt, dessen hübscher und kluger Tochter und einem Stalljungen, flüchten sich in eine Kirche und bekämpfen die ehemaligen Stadtbewohner, doch dann taucht der Indianer auf.

Dies ist die erste und längste Geschichte um den Reverend, die sich in dem Buch befindet, doch anschließend finden sich noch vier weitere Kurzgeschichten, bei denen der Leser den Abenteuern des unerschrockenen Kämpfers wider des Bösen folgen kann. Wie gewohnt aus dem Golkonda Verlag befindet sich auch dieses Buch in einem schmucken, hübschen Zustand und ist mit einem Vorwort vom Autor versehen.

Das Setting passt zum Weird Western. Dürre, trockene Landstriche mit vereinzelten Dörfern oder Weilern, karg und unwegsam. Dazu benötigt es auch gar nicht viele Landschaftsbeschreibungen, der Text strotzt die Umgebung nur so aus. Alles was dort passiert, was dort lebt, was spricht und stattfindet, zaubert ein perfektes Bild des Südens der USA, mitten unter Revolverhelden und Sheriffs. Die Menschen, die der Reverend trifft sind zumeist nicht die hellsten, wobei es auch hier Ausnahmen gibt, doch alle sind das harte Leben gewohnt. Der Reverend ist ein Revolverheld, wie er im Buche (!) steht: dunkel gekleidet, mit Pistole am Gurt und dem Flachmann in der Innentasche, einsam und eigenbrötlerisch, aber gerecht und auf der Suche nach dem Bösen. Das ist sein Auftrag, der Auftrag, den Gott ihm erteilt hat. Was in der Bibel so steht, damit kann er nun nicht so viel anfangen, doch dabei hat er immer eine – ein äußerst wirksames Mittel gegen böse Mächte.

So trifft er nicht nur auf Untote, sondern in den folgenden Geschichten auch auf Kobolde, Gespenster, Ghule und Zombies, aber auch auf Werwölfe. Sind für die einen Waffen völlig ausreichend, sind für den nächsten Waffen völlig untauglich und der Reverend muss sich eine andere Möglichkeit überlegen, um die Geschöpfe der Unterwelt wieder dorthin zu befördern. Mag es für den Reverend eine anstrengende Arbeit sein, die ihm kaum jemand dankt, kommt er doch immerhin mit dem Leben davon, entgegen der meisten anderen Figuren, welche die Geschichten bevölkern.

Unheimlich spannend und unterhaltsam sind die fünf Geschichten über den ungewöhnlichen Reverend, zu etwas besonderem macht sie dann noch Lansdales Schreibe. Mag sie auf der einen Seite einfach und derbe sein, was besonders in diesem Weird Western zu den meisten Figuren hervorragend passt und den Zeitgeist trifft, ist sie andererseits immer mit einem Augenzwinkern versehen und hustet einem ein heiseres, Whisky-getränktes Lachen ins Gesicht. Man merkt ganz einfach, dass der Autor einen irrsinnigen Spaß hatte, diese Geschichten zu schreiben – und als Leser darf man daran aber sowas wie von teilhaben. Wer den Autor noch nicht kennt, sollte unbedingt mal in eines seiner Bücher reinlesen. Für wen Weird Western nichts ist, der kann noch zwischen Western, Horror oder Krimi wählen – ich bin jedenfalls sicher, dass jeder etwas Passendes bei Lansdale finden kann!

Fazit:
Lansdale ist wie immer in hervorragender Form, ganz egal welches Genre es ihm gerade angetan hat. Die fünf Geschichten um den gegen das Böse kämpfenden Reverend sind gruselig, fesselnd und lassen einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Wer hätte gedacht, dass ich mal ein Fan von Weird Western werde? Aber Lansdale vermag dieses Wunder zu vollbringen.


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Wild West: Das Dickicht – Joe R. Lansdale

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Joe R. Lansdale – Das Dickicht
Verlag: Heyne Hardcore
Übersetzer: Hannes Riffel
331 Seiten
ISBN: 978-3453676770

 

 

 

 

„[E]in Nigger, ein Liliputaner, ein Junge, eine Hure und ein hässlicher Keiler […]“ (S. 131)

Was wie der Beginn eines schlechten Witzes klingt, ist die Figurenkonstellation, mit der Joe R. Lansdale seinen Krimi „Das Dickicht“ ausstattet. Sofort ist mir der Begriff Road Trip durch den Kopf geschossen, auch wenn ich ihn dann erst mal wieder zurückgenommen habe, um ihn dann doch vorsichtig wieder auszupacken. Mal ehrlich, so einen Road Trip verbinde ich irgendwie mit einem Auto. Hier befinden wir uns aber gerade erst zu Beginn der Auto-Ära im ländlichen Ost-Texas und der Road Trip, der auch nicht immer über Straßen führt, wird zu Pferde vollführt. Es herrscht Western-Flair – natürlich gespickt mit vielen blauen Bohnen.

„Als Großvater zu uns rausgefahren kam und mich und meine Schwester Lula abholte und zur Fähre karrte, ahnte ich nicht, dass alles bald noch viel schlimmer werden oder dass ich mich mit einem schießwütigen Zwerg zusammentun würde, mit dem Sohn eines Sklaven und mit einem großen, wütenden Eber, geschweige denn, dass ich mich unsterblich verlieben und jemand erschießen würde, aber genau so war’s.“ (S. 9)

Als Jacks Eltern an den Pocken sterben will sein Großvater ihn und seine Schwester Lula zu einer entfernten Tante bringen. Bei der Überfahrt auf einer Fähre gerät der Großvater in einem Streit mit Cut Throat Bill und seinen Kumpanen aneinander, die soeben eine Bank überfallen haben. Eine Wasserhose besiegelt das Schicksal der Familie dann endgültig: der Großvater wird angeschossen und ertrinkt im Fluss, die Bankräuber machen sich mit Lula auf und davon und Jack wird irgendwann am Ufer angespült. Jack macht sich auf, die Entführung seiner Schwester dem nächsten Sheriff zu melden, muss aber feststellen, dass dieser blutüberkrustet und tot auf einem Wagen liegt und der Deputy das Handtuch schmeißt, weil Cut Throat Bill eben dort die Bank geplündert hat. Zufällig trifft Jack auf Eustace, einen Farbigen, der ihm bei der Suche nach seiner Schwester helfen will – natürlich nur gegen Bezahlung und auch nur wenn Shorty, sein Kumpel, auch einverstanden ist und mitkommt. Gemeinsam mit Eustaces Keiler „Keiler“ gabelt das Trio unterwegs noch Jimmie Sue, eine Prostituierte, auf und macht sich schwer bewaffnet und mit viel gutem Willen auf den Weg, um im Dickicht, einer schwer übersichtlichen Gegend, in der sich massenweise Verbrecher aller Art tummeln, Jacks Schwester Lula zu befreien.

Eine irrsinnige Story, die Lansdale hier verpackt hat – aber so verdammt gut. Ich gebe zu, Joe R. Lansdale kann bei mir eigentlich schon gar nicht mehr viel falsch machen. Ich mag seinen Schreibstil ungemein gern. Jede Figur hat ihre eigene Stimme und ich hab schon nach ein paar Sätzen – und ganz ohne Beschreibung, wie derjenige aussehen soll – ein Bild der Figur vor Augen, welches ich nicht mehr loslasse. Die äußerliche Beschreibung ist oft nur das letzte I-Tüpfelchen. Ich finde, seine Figuren leben durch ihre Aussagen, ihre Art zu sprechen, ihren Dialekt, ihrem Humor. Denn das ist Lansdale auch – humorvoll, feinsinnig oder auch derbe, eben genau richtig für den entsprechenden Charakter dosiert. Und so funktioniert eben auch eine Figurenkonstellation wie hier, auch wenn diese auf den ersten Blick unglaublich scheint. Schreibstil 1A, Figurenzeichnung mit Sternchen – doch wie ist das jetzt mit dem Western?

Der Road Trip in Wild West Manier ist reichlich böse und trifft bestimmt die Geschmacksnerven von Krimilesern, die auch gerne in den Randbereichen wildern und sich nicht scheuen über den Tellerrand zu schauen. Das Buch ist nicht umsonst im Heyne Hardcore Verlag erschienen, also bekommt man schon immer wieder Gewalt serviert, von gehängten Männern bis zu Schießereien. Was soll ich sagen – Wild West eben. Diesem furiosen Trip begegnen die „Gefährten“ alle mit dem ihnen eigenen Charme und durchstehen ein spannendes Abenteuer nach dem anderen, nicht ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Es ist nicht nur spannend und unterhaltsam, sondern macht auch ungemein Spaß, der Truppe hinein in das Dickicht zu folgen. Nebenbei flicht Lansdale eine atemberaubende Atmosphäre ein, die einen umhaut. Man befindet sich praktisch direkt vor Ort. Ich weiß wirklich nicht, wie ihm das gelingt, doch es passiert so nebensächlich und doch so intensiv, dass man sich eigentlich nur wundern kann.

Abenteuerroman, Western, Thriller, Krimi – ich glaube, der Verlag tut gut daran, das Buch einfach als „Roman“ zu bezeichnen und sich einen Dreck um die Einordnung zu kümmern. Wen kümmert das überhaupt? Schon gar nicht bei Lansdale, der ja dafür bekannt ist, mehrere Genres zu bedienen und hier auch fröhlich zu mischen. Für mich bleibt ein Lansdale ein Lansdale und trotzdem einzigartig. Und somit verfolge ich weiter mein Ziel: alle Lansdale Bücher, die ich finden kann, in mich aufzusaugen.

Fazit:
„Das Dickicht“ war – wie nicht anders zu erwarten – stimmig, unterhaltsam, spannend und unglaublich. Unglaublich gut.