Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Interview mit der Meisterin des Spannungsromans: Anne Goldmann

Ich denke ja, es ist schon lange allen klar, aber wer es nun doch noch nicht weiß: ich bin ein großer Fan von Anne Goldmann und Ihren Büchern. Und wie wundervoll, es gibt ein neues Buch von Ihr! Vorgestern konntet Ihr meine Rezension zu „Das größere Verbrechen“ lesen, und heute darf ich Euch ein kleines, aber sehr feines Interview, dass mir die Autorin gegeben hat, präsentieren. Viel Spaß dabei!

In allen Ihren Büchern thematisieren Sie die Einsamkeit, Anonymität, das Alleinsein. Dies ist auch in Ihrem neuen Buch „Das größere Verbrechen“ nicht anders. Exemplarisch an drei Frauen zeigen Sie, wie Gewaltverbrechen Opfer stigmatisieren können, in welche Isolation und Einsamkeit diese sich zurückziehen. Mitten im Leben, aber trotzdem einsam. Den Opfern von Gewaltverbrechen wird meistens die wenigste Aufmerksamkeit gewidmet – war das der oder einer der Gründe, warum Sie dieses Buch geschrieben haben?

Genau. Wer Gewalt erlebt, ist konfrontiert mit extremer Angst und Hilflosigkeit, wird aus der Bahn geworfen. Das Selbstverständnis und die Sicherheit, mit der man sich bis dahin in der Welt bewegt hat, sind dahin. Zusätzlich zu erfahren, dass Täter und Täterinnen ungeschoren davonkommen, während man selber noch immer an den Folgen trägt, ist kaum zu verkraften. In der Kriminalliteratur wird den Tätern häufig viel Platz eingeräumt (obwohl sich auch das zu meiner Freude langsam ändert – siehe Sonja Hartl im Gespräch mit Andrea Gerk https://www.deutschlandfunkkultur.de/literarische-genderdebatte-brauchen-wir-mehr-krimis-ohne.1270.de.html?dram:article_id=411694). Die Gewalthandlungen, Attacken werden oft bis ins Detail geschildert, Leserinnen und Leser zu Voyeuren gemacht.

Ich arbeite, wie Sie wissen, seit vielen Jahren mit Straftätern und habe einen grundsätzlich anderen Zugang. In meinem neuen Roman kommen zwei Frauen miteinander in Kontakt, deren Verletzungen weit zurück in der Vergangenheit liegen. Die ältere, Selma, erkennt sofort, dass auch Theres Gewalt erlebt hat, fühlt mit ihr, muss sich selber schützen und kommt doch gegen die Erinnerungen, die Flashbacks nicht an. Die dritte Frau, Ana, die bei beiden sauber macht, achtet darauf, weder da noch dort anzustreifen…

Das „Größere Verbrechen“ ist mit Sicherheit herausfordernder als meine ersten drei Bücher, weil die Leserin, der Leser sich auf die Erinnerung der beiden Protagonistinnen einlassen muss, deren Wahrnehmung immer wieder zersplittert, abbricht, erneut einsetzt, auf die Erklärungen, die sie für sich gefunden haben und die jetzt am Prüfstein stehen.

Haben Sie durch Ihre Arbeit mit Straftätern auch Kontakt zu den Opfern? Oder sind Sie für Recherchezwecke auf Opfer zugegangen? Ich stelle mir das höchst schwierig vor und nur mit sehr viel Sensibilität machbar. Im Grunde ist es die Frage, wieviel Wahrheit in Ihrer Fiktion steckt?

Ja, hab ich. Und jede der Geschichten, die ich erzähle, hat einen Keim, einen Auslöser, etwas, das mich berührt und nachhaltig beschäftigt hat. So ist das auch hier. Manche der Anfänge reichen weit zurück. In den 1990er Jahren tobte in unmittelbarer Nachbarschaft Österreichs, in Bosnien, einer der brutalsten Kriege nach dem Zerfall Jugoslawiens. Ich hatte, mitten im Frieden, über Nacht zum ersten Mal mit jungen Männern und ihren Familien zu tun, die dem Grauen entronnen waren und verzweifelt versuchten, das Erlebte zu vergessen, wieder Fuß zu fassen, in eine Art von Normalität zurückzukehren. Die ganze Dimension der Gräuel dieses Krieges wurde erst nach und nach sichtbar. Ich habe von der Arbeit von Medica Zenica/Medica Mondial https://www.medicamondiale.org/nc/nachrichten/20-jahre-medica-zenica-es-liegt-noch-viel-arbeit-vor-uns.html erfahren und mich weiter vorgetastet, viel gelesen, recherchiert und jetzt, endlich, mit Selma einer Frau, die sich nicht hat brechen lassen, eine Stimme gegeben. Auch die Theres-Geschichte fußt auf Begegnungen und Gesprächen mit Betroffenen und beschäftigt mich schon lange. Ich habe wenig zum Thema „abgebende Mütter“, das immer noch ein Tabu zu sein scheint, gefunden, dafür umso mehr an Vorurteilen. Ein guter Grund, es aufzugreifen und eine Geschichte daraus zu machen.
(Nachtrag zum Thema: https://de.wikipedia.org/wiki/Medica_mondiale)

Das heißt, das Buch ist eine lang gehegte Idee? Ist es denn so, dass man dann als Autorin schon Charaktere, Wendungen oder gar Kapitel im Kopf hat, seit Jahren daran rumfeilt oder teilweise niedergeschrieben hat? Oder kommt dann einfach irgendwann der Zeitpunkt an dem man anfängt und sich erst dann das ganze Konzept überlegt?

Bei mir ist es so: Wenn mir ein Thema längere Zeit nachgeht, schärft das den Blick. Sie kennen das: Mit einem Mal ploppt es überall auf, wird rundherum sichtbar. Irgendwann habe ich dann den Ausgangspunkt für eine Geschichte und spiele mit Ideen, wie ich es umsetzen könnte. Dann entwickle ich die Personen. Ich muss alles über sie wissen, bis ins Detail, muss sie kennen wie mich selber. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, ist aber ein sehr schöner Teil der Arbeit, der – wenigstens bei mir – im Wesentlichen im Kopf passiert. Im Gehen, unterwegs, in der Straßenbahn, zuhause auf dem Sofa. Ihre Biographien aufzuschreiben lenkt mich ab, kurze Notizen, wenn überhaupt, genügen. Im nächsten Schritt skizziere ich den Plot. Und dann schicke ich sie los, die Hauptdarsteller*innen und alle, die sich auf den Nebenschauplätzen tummeln. Nachdem ich mit ihnen in der Folge viel Zeit verbringen werde, muss Platz sein für Entwicklung und Überraschungen, die sich aus dem Zusammenspiel der Personen ergeben. Ich werde immer wieder auf meinen „ganz eigenen Ton“ angesprochen. Für den aktuellen Roman hab ich allerdings eine ganze Weile herumgetüftelt, was die Form des Romans und die Darstellung von Selmas Geschichte betrifft. Das funktioniert bei mir am besten, wenn ich es ausprobiere. Schreibübungen also, bis ich auf dem Punkt bin. Und dann geht es los.

Die innere Zerrissenheit der drei Frauen, Selma, Theres und Ana, zeigt sich nicht nur in den Worten, sondern auch im dem Stil, wie sie es aufgeschrieben haben. Die Kapitel sind kurz, die Erinnerungen werden nur Stückchen für Stückchen erzählt, manches nur angedeutet, manchen Erinnerungen kann man nicht trauen, vor allem bei Theres. Wie schwierig ist es, solch zerrissene Figuren zu erfinden und aufzuschreiben – und werden Sie diese jemals wieder „los“?

Die drei Frauen zu zeichnen, war nicht weiter schwierig. Menschen mit Brüchen, Ängsten, Traumata sind mir aus meiner Arbeit nahe und vertraut. Schwer zu ertragen war für mich im Zuge der Recherchen für das „Verbrechen“ die geplante, ja gezielte Grausamkeit der Übergriffe auf die Frauen im Zuge der Kriegshandlungen – und unvorstellbare Ausmaß. Das ist mir lange nachgegangen.

Die Verbrechen werden in ihrer Geschichte nur angedeutet – damit schreiben Sie gerade gegenläufig zum aktuellen Trend. Anscheinend ist es den Lesern wichtiger, die Taten detailliert geschildert zu bekommen, anstatt sich z. B. mit der Wirkung auf die Opfer zu beschäftigen. Doch auch in Ihren vorigen Romanen ging es nicht blutig zu. Wie schwierig ist es für einen Krimi außerhalb des Mainstreams Leser zu finden?

Trends kommen und gehen. Ich halte wenig davon, auf den jeweils aktuellen aufzuspringen und weitere Abziehbilder des immer Gleichen zu produzieren. Ich glaube auch, dass es das Lesepublikum irgendwann anödet – und dann wird eben der nächste Trend ausgerufen und beworben. Es geht schließlich um viel Geld. Jedes Buch ist ein Risiko, zumal, wenn man – wie ich – keine Serien schreibt und sich nicht am Mainstream orientiert. Da brauchen Sie Verleger*innen, die für ihre Sache brennen, von ihren Autor*innen überzeugt sind – und sich dementsprechend ins Zeug legen. Und, klar, Buchhändler*innen, Leser*innen mit Lust auf Neues, die immer wieder einen Blick über den Tellerrand riskieren – und ihre Entdeckungen gerne weiterempfehlen.

Also von mir gibt es natürlich eine klare Leseempfehlung an meine Blogleser. Aber Sie wissen ja, wie wir Leser sind, kaum haben wir ein tolles Buch beendet, dürstet uns nach dem Nächsten. Somit kann ich mir die Frage einfach nicht verkneifen – haben Sie schon ein nächstes Buchprojekt in Planung / in Arbeit?

Danke, das freut mich sehr. Ja, die Protagonistin begleitet mich schon seit geraumer Zeit durch den Tag, die weiteren Akteur*innen schärfe ich gerade nach. Ich sitze bereits am Schreibtisch und arbeite an den Eingangsszenen. Sie kennen mich – ich rede ungern über ungelegte Eier. Also nur soviel: Rita unterscheidet sich in einigem von den Frauen aus meinen vorangegangenen Büchern und ich freue mich schon auf die Zeit mit ihr. Lassen Sie sich überraschen.

 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Anne Goldmann für die Zeit, die Sie mir geschenkt hat, die Geduld, die Sie meinen Fragen entgegen gebracht hat und die Einblicke, die Sie mir, aber nun auch Euch in Ihre Arbeit geschenkt hat!


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Interview – Jo Walton

Nachdem ich kürzlich den letzten Teil der Trilogie um Inspector Carmichael „Das Jahr des Falken“ gelesen habe, kann ich behaupten, dass die Trilogie wirklich alles bietet, was ich mag: Krimi, Thriller und dystopischer Science Fiction Roman. Was läge als ferner als Jo Walton, die Autorin der drei Bücher, um ein Interview zu bitten?

Deutsche Version:

 1. Du bist definitv eine Fantasy und Science Fiction Autorin – warum hast Du den Krimi als Mittel gewählt, um eine alternativen Verlauf der Geschichte zu zeigen?

Ich habe bemerkt, dass Cosy Krimis zeigen, wie gewaltsame Tode in das alltägliche Leben eindringen, aber immer noch “cosy” (gemütlich) sind, mit Tee in der Bibliothek und Kuchen neben dem Kamin. Ich dachte, es wäre interessant, diese Techniken auszuborgen, um über Faschismus zu schreiben; um sich an das Thema anzuschleichen. Science Fiction als Genre benutzt alle Arten von Geschichten und es gibt massenweise Science Fiction Krimis. Und ich dachte mir, es macht bestimmt Spaß einen äußerst ausgeklügelten Kriminalfall zu schreiben, der in einem Landhaus spielt und viele Verdächtige aufweist, und damit diese leicht geänderte Welt darzustellen.

 2. In jedem Teil der Trilogie folgt der Leser Carmichael, aber auch einem Mädchen: Lucy im ersten Teil, Viola im zweiten und Elvira im letzten Teil. Wie wichtig war es für Dich, zwei Perspektiven zu haben?

Sehr wichtig. Es hat mir verschiedene Betrachtungswinkel auf die Geschichte erlaubt. Farthing (Die Stunde der Rotkehlchen) ist ein Cosy Krimi, Ha’Penny (Der Tag der Lerche) ist ein Thriller, und Half a Crown (Das Jahr des Falken) ist eher ein dystopischer Science Fiction Roman, aber alle haben die gleiche Formel. In allen drei Büchern habe ich eine sehr offene, direkte, weibliche Perspektive, welche mit der sehr nahen, verschlossenen Perspektive von Carmichael, welche in der dritten Person ist, kontrastiert. Und Carmichael ist exakt so geschrieben, wie Cosy Krimis geschrieben werden, aber er hat ein Geheimnis, welches allerdings kein Geheimnis für den Leser ist. Durch die zwei Perspektiven konnte ich den Leser mehr wissen lassen, als die Protagonisten wissen.

 3. Der letzte Teil der Trilogie, Half a Crown (Das Jahr des Falken), hat den Krimifaktor verloren, um die alternative Geschichtsschreibung zu zeigen, 10 Jahre nach dem ersten Teil. Wie schwierig war es, über 10 Jahre Geschichte in einem faschistischen Europa nachzudenken? Und warum genau hast Du Irland zum leuchtenden Stern in diesem Dunkel gemacht?

In der Tat sehr schwierig. Ich habe massenweise recherchiert für Half a Crown (Das Jahr des Falken), ich habe so viel über die Geschichte der Dreißiger und Vierziger gelesen und was in den Fünfzigern wirklich passiert ist und habe dann ausgearbeitet, was hätte passieren können. Es hat ewig gedauert. Mit Spanien habe ich mich näher beschäftigt, denn Franco ist an der Macht geblieben und was während Francos Herrschaft passiert ist, war, was ich mit dem Ende der Trilogie gemacht habe. Und die Sache mit Irland – im Zweiten Weltkrieg ist Irland neutral geblieben, weil sie Großbritannien mehr hassten als alle anderen. Viele irische Männer und Frauen verließen Irland und traten den Alliierten bei. Männer gingen zu den britischen Streitkräften oder später zu denen der USA, Frauen fuhren Ambulanzen oder arbeiteten in Munitionsfabriken usw. Es gibt da die Geschichte von Anne De Courcy – Debs in the War – über eine irische Frau, die während der deutschen Luftangriffe in London eine Ambulanz gefahren ist und als sie ein Wochenende nach Hause gefahren ist, musste sie weinen, als sie einen Korb voller Eier sah, denn in England waren die Eier rationiert und es gab nur eines pro Woche, aber Irland hat kein Essen geliefert. Die irische Regierung blieb neutral und hat auch den Handel mit den Nazis aufrecht erhalten. Aber es basierte auf  nichts anderem als ihrem Hass auf Großbritannien. Und das habe ich weiterentwickelt – wenn Großbritannien sich mit Hitler verbündet hätte, dann wäre Irland anti-faschistisch geworden mit genau dem gleichen Grund. Britische Juden, die in De Valeras Irland fliehen wären genauso wie europäische Juden, die in Francos Spanien fliehen, was sie auch wirklich getan haben.

 4. “The Small Changes Series” (Inspector Carmichael Serie) wurde als Trilogie veröffentlicht und hat nun einen guten Abschluss gefunden. Gibt es Pläne dafür, Carmichael irgendwann in der Zukunft als Privatdetektiv wieder auftauchen zu lassen? Oder war das Dein einziger Ausflug in das Krimigenre?

Als Autorin wird mir schnell langweilig und drei Bücher scheint mir mein absolutes Maximum zu sein, welches ich in einer Welt verbringen möchte. Außerdem, und ich bin sicher, Du kannst das verstehen,  habe ich die Faschisten satt. Also werde ich definitiv nicht mehr davon schreiben.

Abschließend bin ich noch daran interessiert zu erfahren, ob Du einen Lieblingskrimi hast – besonders, da Du ja nicht auf Krimis spezialisiert bist.

Da gibt es so viele! Im Bereich Cosy Krimi liebe ich Josephine Tey und Dorothy Sayers. Ruth Rendell, Donald Westlake und Sarah Caudwell gehören zu den moderneren Autoren, die ich liebe. Wenn ich eines als Favoriten herauspicken müsste, wäre das vermutlich Teys „Miss Pym Disposes“ (Tod im College), aber wenn Du mich morgen fragst, nenne ich vermutlich wieder ein anderes.

Original Version:

1. You are definitely a fantasy and science fiction writer – why have you chosen the setting of a mystery to show your alternate history?

I noticed how cosy mysteries are actually about the intrusion of violent death into everyday life, but how they are still „cosy“, with tea in the library and crumpets by the fire. I thought it would be interesting to borrow those techniques to write about fascism, to sneak up on it. Science fiction as a genre can use any shape of story, and there have been plenty of SF mysteries, and I thought it would be fun to write that kind of over-elaborate murder with too many suspects and a country house, and use that to show a slightly changed world.

2. In every novel of the trilogy the reader follows Carmichael and one girl: Lucy, Viola and Elvira. How important was it for you to have alternating perspectives?

Very important. It let me get different angles on the story. Farthing is a cosy mystery, Ha’Penny is a thriller, and Half a Crown is much more dystopic SF, but they all have that same formula. In all of them I have a very open immediate female point of view, contrasting with the very closed closeted third person Carmichael. And Carmichael is written exactly the way cosy mysteries were written, but he’s got secrets that are not secret from the reader. By using both perspectives I could have the reader know things neither of the protagonists knows.

3. The last part of the trilogy “Half a Crown” is losing the mystery moment to show the alternate history ten years ago from the first part. How difficult was it to think about 10 years history in a fascistic Europe? And what thought went straight through your mind you to keep Ireland the glowing star in the dark?

Very difficult indeed. I did masses of research for Half a Crown, reading so much history of what happened in the thirties and forties and what happened in the real fifties, and working out what would have happened. It took forever. Spain was what I was looking at very closely, because Franco stayed in power, and what happened after Franco was what I was doing with the end there. With Ireland — in WWII Ireland stayed neutral, because they hated Britain more than anybody else. Lots of individual Irish people of both genders left Ireland and joined the Allies, men signing up either in the British forces or later with the US, women driving ambulances and working in munitions factories etc. There’s a story in Anne De Courcy’s „Debs in the War“ about an Irish woman who had been driving an ambulance in the Blitz going home for a weekend and crying when she saw a basket of eggs, because in England the ration was one egg per week, but Ireland wouldn’t ship the food. The Irish government stayed neutral and even kept on trading with the Nazis. But it wasn’t based on anything but hating Britain. And I just extrapolated that forward — if Britain had allied with Hitler in 1941, then Ireland would have become anti-fascist, for exactly the same reason. British Jews escaping to De Valera’s Ireland would have been like European Jews escaping to Franco’s Spain as they really did.

4. “The Small Changes Series” has been published as a trilogy and also received a quite good end. How about reviving Carmichael as private eye some day in the future? Or was it the first and last try for you writing a mystery?

As a writer I get bored easily, and three seems like the absolute maximum number of things I want to write in any one world. Also, I’m sure you can understand that I am sick of fascists. So I’m definitely not going back to write more.

Finally I’m interested to know if you do have a favourite crime fiction novel – especially as you are not a dedicated crime fiction writer.

There are so many! In cosy mysteries I love Josephine Tey and Dorothy Sayers. In more modern writers I love Ruth Rendell, Donald Westlake, Sarah Caudwell. If I have to pick one favourite it would probably be Tey’s „Miss Pym Disposes“, but if you asked me another day I might say something different.


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Interview – Gary Victor

Auch wenn ich letzte Woche beider Lesung von Gary Victor war, war der Termin lange unklar für mich, so dass ich meine Interviewfragen per Email an Peter Trier, den Übersetzer und Herausgeber von Victors Krimis, gesendet habe. Freundlicherweise hat er sich bereit erklärt, diese ins Französische zu übersetzen – und natürlich auch die Antworten.

 

 1.    Wir leben in einer globalisierten Welt. Jeder in Deutschland hat  mitbekommen, dass Haiti nach dem Erdbeben schwer zu kämpfen hatte.  Doch hier in Deutschland ist das trotz aller Globalisierung weit  entfernt. Haiti hat immer noch schwer zu kämpfen – nicht nur mit den  Folgen des Erdbebens, sondern auch mit einer politisch instabilen Lage  und reichen Nutznießern. Sie bringen ihr Land den Lesern auf spannende  Weise näher und deuten auf Missstände hin – durch einen Krimi. Absicht  oder Kalkül?

Ich verfolge mit meinem Schreiben keine konkreten politischen Ziele. Was mich interessiert, sind bestimmte Situationen oder Motive. Das Thema bestimmt das Genre. Zu diesem Krimi wurde ich durch einen echten Fall angeregt: Ein brasilianischer General des UN-Kontingents in Haiti wurde tot aufgefunden. Angeblich ein Selbstmord, was aber von vielen bezweifelt wird. Wenn man die Realität beschreibt, kommt man nicht daran vorbei, von Missständen zu sprechen, aber ich erfinde keine Geschichte mit dem Ziel, Misstände aufzuzeigen, sie sind einfach da.

 2.    Inspector Azémar auf Entziehungskur – war dies eine Herausforderung?

Natürlich. Einen Entzug habe ich glücklicherweise nicht selbst erleben müssen, ich musste mich darüber informieren. Diese Situation hat mich aber gereizt, da sie mir erlaubt, das Unterbewusste des Inspektors zu erkunden.

 3.    Wenn Sie einen Wunsch für ihre Heimat, Haiti, frei hätten, welcher  wäre das?

Eine funktionierende, nicht korrupte Regierung und Verwaltung.

 Zusätzlich hätte ich gerne noch diese Kleinigkeit beantwortet: Was ist Ihr Lieblingskrimi?

Die Krimis von Chester Himes.


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Interview – Anne Goldmann

Ganz besonders habe ich mich gefreut, dass Anne Goldmann sich bereit erklärt hat, mir ein Interview zu geben. Ihre drei Spannungsromane  – Das Leben ist schmutzig, Triangel und Lichtschacht – konnten mich alle restlos begeistern und natürlich konnte ich mir die Frage, was als nächstes kommt und vor allem wann, nicht verkneifen. Ob sie was verraten hat? Lest selbst.

 

 1. Die Schriftstellerei ist für Sie ein Nebenjob – Sie arbeiten mit Straffälligen. Nehmen Sie Anregungen aus Ihrem Job, einzelne Begebenheiten oder Sätze? Oder ziehen Sie Ihre Inspiration aus anderen Gelegenheiten?

Das Schreiben ist längst mehr, würde ich sagen. Es steht gleichberechtigt neben meiner Arbeit als Bewährungshelferin und nimmt viel Raum ein. Das Ideensammeln, Plotten, Überlegen, wie ich mit den Fragen, die mich interessieren, umgehe, in welcher Form ich sie stelle, das Entwickeln der Personen bis ins Detail – all das ist für mich notwendig, bevor ich den ersten Satz niederschreibe. Es gilt, die Form zu finden, den richtigen Ton zu treffen, man muss probieren, schreiben, recherchieren, verwerfen, gegebenenfalls neu beginnen, umschreiben, überarbeiten … Sie sehen schon: Man braucht Zeit. Und Durchhaltevermögen.

Meinen ersten Roman „Das Leben ist schmutzig“ habe ich noch (relativ locker, sage ich heute) abends nach der Arbeit und teilweise an den Wochenenden geschrieben. Das ist längst nicht mehr möglich. Das Arbeitspensum hat sich vervielfacht, die Menschen, die ich betreue, sind deutlich belasteter, verletzter, kommen rascher an ihre Grenzen.

Wenn ich schreibe, muss ich frei sein für die Geschichte, an der ich arbeite, und dranbleiben können – wenigstens für ein paar Tage am Stück.

Natürlich fließen meine Haltung, mein Blick auf die Welt (https://herlandnews.com/) und meine Erfahrungen, die beruflichen wie die privaten, in meine Texte ein. Ich habe u. a. einige Jahre in einer Justizanstalt gearbeitet. Mein zweiter Roman, Triangel, spielt in dieser Umgebung. Ich halte es für sinnvoll, über Dinge zu schreiben, von denen man Ahnung hat. Die Handlung wie die Personen in allen drei Büchern haben freilich keine Vorbilder im realen Leben (das reizt mich nicht), sie sind durchwegs frei erfunden. Sie entstehen aus einer Idee, einer Bewegung, einem Detail, das mir auffällt (oder einfällt), ich gehe mit ihnen durch die Wochen und sie gewinnen nach und nach an Kontur. Wenn ich sie richtig gut kenne, ihre Vergangenheit, ihren Alltag, ihre kleinen Geheimnisse, schicke ich sie los.

 2. Ihre Krimis handeln von Anonymität und Einsamkeit in der Großstadt, ja sogar im gleichen Haus. Wie wichtig ist Ihnen das Thema?

Ich mache immer wieder die Erfahrung, wie schwer es vielen Menschen fällt, einigermaßen offen aufeinander zuzugehen, wie groß einerseits der Wunsch nach Nähe, Vertrautheit, Gesehen-, Wahrgenommenwerden, Gehaltensein ist – und wie groß gleichzeitig die Angst davor. Mit wem, frage ich mich, telefonieren die Leute auf der Straße, in den U-Bahnen, überall eigentlich, ständig, wem schreiben sie unablässig? So viele Freunde – und so wenig Kontakt. Die Sache ist natürlich komplexer – und ich finde es lohnend, sie von verschiedenen Seiten zu betrachten.

 3. Wir hatten schon ein, zwei sehr interessante Gespräche auf der Buchmesse und Sie haben mich einiges über die Bloggerei gefragt. Wie sehen Sie das Thema soziale Medien im Hinblick auf eine Buchveröffentlichung – notwendiges Übel oder interessanter Multiplikator?

 Interessanter Multiplikator, auf jeden Fall. Ich persönlich schätze an den Blogs, die ich mehr oder minder regelmäßig lese, das große Engagement der Betreiber*innen, die Aktualität und die persönlichen Empfehlungen auf  hohem Niveau, auf die ich meist ebenso verlassen kann wie auf die von Freundinnen und Freunden – und die von meinem Lieblingsbuchhändler.

 4. Ich glaube für eine Autorin ist das die langweiligste, für den Leser allerdings die spannendste Frage: gibt es ein nächstes Projekt und wollen Sie darüber schon etwas verraten?

Ich bin grundsätzlich sehr zurückhaltend mit „Verlautbarungen“, solange ich das Manuskript nicht abgeschlossen habe – und das wird noch ein Weilchen dauern. Nur soviel – es geht um zwei Frauen, die auf den ersten Blick wenig miteinander gemein haben, um Fremdsein, Schuld und Trauma.

Abschließend wüsste ich noch gerne, was ihr Lieblingskrimi ist (oder Lieblingskrimiautor/in)?

 Es fällt mir tatsächlich schwer, mich in dem Bereich auf jemanden festzulegen. Astrid Paprottas „Sterntaucher“ (2002) hat mich beeindruckt. Daniel Woodrell (Der Tod von Sweet Mister, Winters Knochen) und Paulus Hochgatterer (Die Süße des Lebens, Das Matratzenhaus) begeistern mich nach wie vor durch die präzise Zeichnung der Figuren, die intime Kenntnis ihrer Lebensumstände und einen meisterhaften Umgang mit Sprache. Die erzählerische Distanz und gleichzeitig spürbare Zärtlichkeit (ich finde kein anderes Wort) schaffen für mich Bilder von ungeheurer Intensität. Zudem mag ich mag das Unbestimmte, Offene, das mir als Leserin Raum lässt, Geschichten, die mir noch nachgehen, wenn ich das Buch längst beiseitegelegt habe.

 

 


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Interview – Lawrence Block

Um Lawrence Block zu kontaktieren habe ich seinen Pressekontakt Erin angeschrieben und innerhalb von 2 Minuten eine Zusage zum Interview bekommen. Das war mal richtig schnell! Aber auch die Antworten haben, nachdem ich die Fragen geschickt habe, haben nicht lange gedauert. Und deshalb darf das Lawrence Block Interview auch als erstes erscheinen.
Ich habe das Interview ins Deutsche übersetzt – for the original, English version, please scroll down a bit.

Übersetzte Version:

1. In Deutschland lässt sich eine Tendenz erkennen, vergessene Bücher und Autoren wieder zu entdecken. Ein Trend, der in der Krimiszene gerne gesehen ist. Das bedeutet, dass die neue Übersetzung und Veröffentlichung der Matthew Scudder Krimis genau zur richtigen Zeit kommt. Was war der Grund für Dich das genau jetzt zu tun und warum hast Du den Weg des Self Publishing gewählt?

Als es möglich wurde, selbst zu veröffentlichen, habe ich die Idee mit großem Enthusiasmus aufgenommen und habe viele meiner älteren Titel, die nicht mehr gedruckt werden, herausgebracht, zuerst als Ebook und dann als On Demand Taschenbücher. Das hat super funktioniert und war sehr befriedigend. Es hat mir bewusst gemacht, wie viel Potential es hat, wenn man sein eigenes Werk selbst herausgibt.

Ich kann mich nicht erinnern, was mich auf die Idee brachte, aber ich war frustriert darüber, dass meine Bücher in Deutschland nicht mehr verfügbar waren. Sowohl die Scudder als auch die Rhodenbarr Titel waren einige Jahre zuvor sehr beliebt gewesen, aber ich vermute, es hat Änderungen im Markt begeben und neuere Titel wurden nicht mehr übersetzt sowie ältere Titel wurden nicht mehr nachgedruckt. Und so hab ich mich mit Stefan Mommertz zusammen getan, um die Bücher mit geteiltem Gewinn selbst herauszugeben. Er hat die ersten drei Titel – Die Sünden der Väter, Drei am Haken, und Mitten im Tod – zusammen mit einigen Kurzgeschichten von Scudder übersetzt. Jetzt arbeitet er am vierten Titel – A Stab in the Dark – und in der Zwischenzeit habe ich ein Arrangement mit Sepp Leeb getroffen, welcher acht der Scudder Krimis für Heyne übersetzt hat, als diese zum ersten Mal in Deutschland veröffentlicht wurden. Er hat sich die Rechte für seine Übersetzungen gesichert und hat diese korrigiert, wo es nötig war. Und jetzt gebe ich diese neu heraus, auch hier teilen wir uns den Gewinn. Bis jetzt konnten wir also noch drei weitere veröffentlichen – Acht Millionen Wege zu sterben, Nach der Sperrstunde und Am Rand des Abgrunds – und weitere von Sepps übersetzten Titeln werden bald erscheinen.

Das Projekt ist sehr spannend. Es ist schwierig, deutsche Leser wissen zu lassen, dass es die Bücher gibt, dass sie wieder verfügbar sind, aber sie sind ein empfängliches Publikum und wir können jetzt langsam einige Verkäufe sehen.

2. Wenn Du an die Charakterentwicklung von Matthew Scudder denkst, gibt es da die eine Sache, die Du wirklich hättest machen wollen, aber nicht gemacht hast und nun bedauerst?

Nein, ich kann mich an nichts erinnern, was ich anders gemacht hätte. Ich habe mich entschieden, Scudder in Echtzeit altern zu lassen, was mitnichten eine Regel für fiktionale Detektive ist, denn sie tendieren dazu für immer gleich alt zu sein. Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe, denn andersherum wäre es schwierig geworden, den Level an Realismus zu halten, denn ich beabsichtigt habe. Auf der anderen Seite macht es eine Fortsetzung der Serie schwierig, denn Herr Scudder wird langsam zu alt, um Abenteuer zu erleben.

Im Übrigen habe ich den gleichen Fehler in meinem eigenen Leben gemacht – und da würde ich es anders machen, wenn ich die Chance dazu bekommen würde. In Echtzeit zu altern mag für fiktionale Charaktere gut sein, aber ich fürchte, es ist nicht so eine gute Idee für das wahre Leben.

3. Wie sehen Deine nächsten Pläne für Deutschland aus? Wird eine andere Serie von Dir frisch übersetzt? Oder schreibst Du gerade an einem neuen Krimi oder einer Krimiserie?

Ich hoffe, dass es uns möglich ist, alle Scudder Krimis zu übersetzen und zu drucken. Was danach ist, weiß ich noch nicht. Die Bernie Rhodenbarr Krimis liefen in Deutschland sehr gut vor einigen Jahren, also ist das eine Möglichkeit. Und Keller, der Auftragsmörder, wäre auch ein guter Kandidat für eine deutsche Übersetzung.

Im Übrigen, soweit es Bernie und Keller betrifft, bin ich nicht auf Self Publishing festgelegt. Wenn ein deutscher Verlag Interesse hat, bin ich sehr interessiert daran, von ihm zu hören.

4. Und eine zusätzliche Frage: Was ist Dein Lieblingskrimi?

Darf ich ein paar meiner Lieblingskrimischriftsteller anstatt eines einzelnen Buches nennen? Donald E. Westlake, Ross Thomas und Evan Hunter waren alles gute Freunde von mir und erstklassige Schriftsteller. Ich vermisse sie und ich bin froh, Ihre Bücher zu haben. Und – da wir von Deutschland reden – sollte ich noch erwähnen, dass ich ein großer Fan von Philip Kerrs Bernie Gunther Krimis bin.

Abschließend hoffe ich, dass Du Deine Leser darüber informierst, dass ich einen Newsletter habe – normalerweise in Englisch, aber hin und wieder auch in Deutsch. Um auf den Verteiler zu gelangen, einfach eine leere Email an lawbloc@gmail.com mit dem Betreff NEWSLETTER – DE senden.

 

Original Version:

1.    In Germany we have right now a tendency to rake up some forgotten novels and authors, which is very welcomed in the crime fiction reader scene. That means that the new translation and publish of the Matthew Scudder novels come to the right place. What was the reason for you to do this now and why are you doing selfpublishing?

When it became possible to self-publish, I took it up with great enthusiasm, and brought out many of my out-of-print backlist titles, first as ebooks and then as print-on-demand paperbacks. This worked very well, and was very gratifying, and it made me aware of the potential of publishing one’s own work.

And I don’t recall what brought it to mind, but I’d been frustrated that my books were no longer available in Germany. Both the Scudder and the Burglar titles were po[ular there some years ago, but I guess there were changes in the market and newer titles went untranslated while earlier ones went out of print. And so I teamed up with Stefan Mommertz to self-publish on a basis of shared income, and he’s done the first three Matthew Scudder titles—Die Sünden der Väter, Drei am Haken, and Mitten im Tod—along with several of the Scudder short stories. Now Stefan’s at work on the fourth book, A Stab in the Dark, and in the meantime I’ve made arrangements with Sepp Leeb, who translated eight of the Scudder titles for Heyne when they were first published. He secured the rights to his translation, and has edited them when necessary, and I’m republishing them, again on a basis of shared income; so far I’ve been able to bring out Acht Millionen Wege zu sterben, Nach der Sperrstunde, and Am Rand des Abgrunds, and more of Sepp’s titles will be coming very soon.

So this is all very exciting. It’s difficult to let German readers know about the books—that they’re available again—but they are a receptive audience, and we are beginning to see some sales.

2.    If you think of the character development of Matthew Scudder, is there one thing you really wanted to do, but you don’t and now you regret it?

No, I can’t think of anything I wish I’d done differently. I made the decision to have Scudder age in real time, which as you know is by no means the rule with fictional detectives; they tend to stay the same age forever. I’m glad I made this choice, because to do otherwise would be out of keeping with the level of realism I aim for in the books. On the other hand, it has made it difficult to continue the series, as Herr Scudder is a bit too old to go on having adventures.

Incidentally, I made the same mistake in my own personal life—and there I might do it differently if I had the chance. Aging in real time may be good for fictional characters, but it’s not such a good idea in the real world, I’m afraid!
3.    What are your next plans for Germany? Will another of your series get a fresh translation? Or are you writing a new novel/series?

I’m hoping we’ll be able to get all of the Scudder titles translated and in print. After that, I don’t know. The Bernie Rhodenbarr books did well in Germany years ago, so they’re a possibility. And my hit man character, Keller, would be a very fine candidate for German translation.

Incidentally, as far as Bernie and Keller are concerned, I’m not committed to self-publishing. If a German publisher is interested, I’d be very interested in hearing from them.
4. And an additional question out of scope: YOUR favorite crime novel?

May I name a few favorite crime novelists instead of a single book? Donald E. Westlake, Ross Thomas, and Evan Hunter were all good friends of mine, and superb writers; I miss them,and am glad I have their books. And I should probably add that—speaking of Germany—I’m a great fan of Philip Kerr’s Bernie Gunther novels.

Finally, I hope you’ll let your readers know that I have a newsletter—generally in English, but now and then we get out an issue in German. To get on the list for it, just send a blank email to lawbloc@gmail.com, with the header NEWSLETTER – DE.


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Interview mit George B. Wenzel

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George B. Wenzel

1. „Inenodabilis“ ist ein Krimi mit politischem Hintergrund. Er berichtet von einer Ermittlung zu Zeiten des Kalten Krieges, von Spionage und doppelten Spielen. War von Anfang an klar, dass Sie das Thema in einer Kriminalermittlung platzieren?

Ja, das war von Anfang an klar, da ich mich für Geschichte und speziell für deutsche Geschichte interessiere. Und ich glaube, dass gerade diese Zeit ab 1945 bis 1989 eigentlich viel zu wenig beachtet wird, obwohl es eine wirklich spannende Zeit war.

2. Aus diesem Grund haben Sie die Handlung in diesen Zeitraum gelegt – oder gibt es noch etwas, was Sie damit verbinden?

Das kam daher, dass es auch ein klein wenig meine eigene Familie betrifft. Meine Eltern,  meine Schwester und ich waren die einzigen in Westdeutschland, alle anderen waren im Osten. Der Bruder meines Vaters und die Schwester meiner Mutter mit ihren Familien waren im Osten. Diese Trennung, die es in Deutschland gab, spiegelte sich in meiner Familie wieder. Nicht der politische Zwist, aber die Auswirkungen davon. Ich hatte als Kind nie Onkel und Tante. Ich wusste zwar, es gibt Onkel und Tante, aber auch nur von der mütterlichen Seite. Von der väterlichen Seite habe ich erst 2013 meine Cousins und Cousine gefunden. Aber das ist nur u. a. ein Anreiz gewesen, diese Zeit auszuwählen. Und der zweite Grund ist, dass ich mich persönlich mit der Geschichte zwischen 1933 und 1945 bzw. der Zeit danach schon immer sehr beschäftigt habe.

Allgemein oder speziell auf das Thema Spionage bezogen?

Das kriminalistische Element ist der Aufhänger zu einer Story, von der ich dachte, dass man all diese Einflüsse aus Ost und West mit hinein spielen lässt. So glaube ich, ist es zwangsläufig, dass man sich irgendwann in diesem Netz verfängt. Ich hatte mir eine Anzahl Bücher und Nachschlagewerke besorgt und im Internet recherchiert. Das kann man auch im Roman, durch die vielen untypischen Fußnoten für einen Roman, sehen. Aber ich habe gedacht, die Leute glauben vielleicht, ich habe mir irgendwas aus den Fingern gesogen. Aber sehr viele Sachen sind tatsächlich so passiert. Zwar mit anderen Personen und in einem anderen Umfeld, aber vieles ist genau in der Art passiert. Ich interessiere mich auch für Eisenbahnen. Ich war nie drüben wegen der Dampfloks, aber ich habe durch Zufall mal einen Bericht gesehen. Darin hat jemand erzählt, dass er jedes Jahr in die DDR gefahren ist, um Dampfloks zu sehen, da es die bei uns im Westen nicht mehr gab. Sie wurden im Osten ständig überwacht. Sie wurden wie Staatsfeinde behandelt, weil man annahm, sie seien Agenten aus Westdeutschland. Dabei waren es einfach nur Eisenbahnenthusiasten. Das zeigt wie das Verhältnis zwischen BRD und DDR war.

3. Nomen est omen – der Titel des Krimis spiegelt die verworrenen Beziehungen wider, welche die beiden Ermittler aufzudröseln versuchen. Viel es Ihnen schwer den Überblick zu behalten?

Zugegebenermaßen war das nicht ganz so einfach. Es ist ja mein erster Roman und ich bin da vielleicht etwas hineingestolpert. Ich hatte zu Beginn keine bestimmte Struktur im Sinn, etwa dass ich groß Aufzeichnungen gemacht habe, über die Personen, über die Zeiten oder über die Handlungen. Ich hatte eine grobe Idee, die hatte ich mir notiert. Wobei man erwähnen muss, die Grundidee ist schon viele Jahre alt. Und dann hat sich das eben entwickelt. Es gibt Brunnen, bei denen Steine zwischen den einzelnen Wasserfontänen sind und Kinder springen von einem Stein zum anderen. So ungefähr war das bei mir auch. Ich bin quasi auch von einem Stein zum nächsten, von einer Situation zur nächsten gesprungen. Ich musste dann auch mal drei Wochen Pause machen, um meinen Kopf frei zu kriegen. Danach musste ich wieder von vorne anfangen, lesen, um wieder richtig aufzusetzen. Und trotzdem hat dann meine Frau irgendwann gesagt, die Zeiten passen nicht. Aber es war fast logisch, dass das passieren würde. Deswegen habe ich für den Feinschliff auch viel mehr Zeit und viel mehr Arbeit gebraucht, als ich Zeit bis zum Rohentwurf hatte. Das hatte ich völlig unterschätzt.

4. Das heißt, die Zeitfresser waren die Recherchen, aber auch der Feinschliff?

Ja. Die vielen Recherchen haben viel Zeit gekostet. Ich habe während der ganzen Schreiberei gedacht: Was wird ein Leser tun, wenn er das liest? Will er dazu nicht vielleicht mehr wissen? Deswegen habe ich versucht, speziell jetzt in diesem Roman so viele Recherchen wie möglich zu machen. Auch um für mich sagen zu können, es ist kein Blödsinn, sondern das gab es wirklich. Ich habe im Buch nicht alle Links und Bücher aufgelistet, denn dann wären es nochmal viele Seiten mehr. Aber ich habe einfach gedacht, für den, den es interessiert oder für den, der daran zweifelt, der hat die Chance nachzuschauen.

5. Ihre Ermittler, Georg Rosa und Max Reinhardt, beginnen mit ihrer zweiten Ermittlung erst im Rentenalter und viele Jahre nach dem Verschwinden von Martin Blume. Wie wichtig war es für den Verlauf der Geschichte, die Ermittlung erst nach der aktiven Zeit bei der Polizei für die beiden zu beginnen bzw. wieder aufzurollen? Ist es denn geplant, die Ermittler nochmal ermitteln zu lassen?

Das war beeinflusst davon, dass ich selbst im Ruhestand bin. Da kommt ein kleiner persönlicher Touch rein. Das wird im nächsten Buch, das nichts mit diesem Thema zu tun hat, noch ausführlicher als Einstieg vorhanden sein. Aber es war für mich klar, dass die zwei Ermittler während ihres aktiven Dienstes nicht zu Ende kommen, dass sie ausgebremst werden bzw. dass vielleicht nicht ganz klar ist, wer hier welche Interessenlagen hat. Ich persönlich hätte einen Vorgang, den ich nicht zu Ende bringen kann, weil mich irgendjemand ausbremst, vermutlich auch versucht durchzusetzen. Da wäre ich sicher zum nächsten Vorgesetzten gegangen oder zum übernächsten. Solange, bis man mich vielleicht vor die Tür setzt. Von daher war das klar, nachdem für die Kommissare die Fesseln der Obrigkeiten weg waren und man quasi als Privatdetektiv agieren konnte, konnten sie den Vorgang neu anpacken. Da waren sie dann ja relativ frei, außer dass es vielleicht ihre finanziellen Mittel überschreiten könnte.

6. Aber dafür gab es ja die Amerikaner.

Das war nur einer der Gründe, warum das so sein musste. Und damit komm ich dann auf den anderen Teil ihrer Frage. Die Rolle der beiden Amerikaner, die ist nicht ganz klar. Und möglicherweise, vielleicht, gibt es irgendwann mal einen zweiten Roman, der sicher nicht „Inenodabilis2“ heißt, sondern anders – Titel hab ich dafür noch keinen – der dann aber diesen Fall, der unerwartet endet, wieder aufdröselt. Diese Geschichte  startet dann eben in einer Zeit, in der plötzlich viele Archive offen sind. Durch die Wiedervereinigung Deutschlands ist man eben nicht mehr an der deutsch-deutschen Grenze gehemmt und kann in die Archive gehen. Und es existieren unglaublich viele – was meine Links auch zeigen – Informationspools. Das einzige Problem für eine Fortsetzung des Romans wird sein, sind denn die Menschen, die eine Rolle spielen, noch da, um sie befragen zu können. Aber irgendwann – sicherlich nicht nächstes Jahr – wird dann vielleicht ein Nachfolger kommen.

7. Wie sieht ihr Schreiballtag aus?

Im Normalfall lese ich morgens die Zeitung und die Nachrichten. Danach setze ich mich an den Rechner und geh auf mein Manuskript. Ich muss dazu sagen, ich hatte mir irgendwann, das war letztes Jahr, ein Programm gekauft. Wir hatten durch Zufall jemanden getroffen, der mir davon erzählt hat. Das Programm bietet unglaublich viele Möglichkeiten. Und natürlich auch mehr Kontrolle und Korrekturen für Grammatik. Das ging selbst bis zum Lesestil, was ich aber nicht nutze, weil ich mir ja meinen eigenen Stil nicht verändern lassen will. Ich benutze darin die meisten technischen Möglichkeiten, aber wenn ich eine 100% Kontrolle anlegen würde, dann würde das Programm jedes Wort farbig unterlegen (Stil, Wortwahl, Wiederholungen, etc.). Ich habe es irgendwann getestet, um es auszuprobieren, wie der Lesestil des Romans in diesem Programm beurteilt wird. Da gibt es drei Möglichkeiten dies zu überprüfen: Fachbuch, Roman und noch ein weiteres. Bei der Einstellung ‚Roman‘ hat das Programm den Text als überwiegend gut lesbar beurteilt. Die Links hat er bei dieser Einstellung natürlich alle verworfen, denn die waren unter diesem Aspekt schlecht lesbar. Wenn man es dann umgedreht hat und als Fachbuch bewertet, dann war es genau anders herum. Ich habe diese Einstellungen nicht für mein Schreiben benutzt, aber ich wollte es mal sehen. Das Manuskript hatte ich zu einem frühen Zeitpunkt einem amerikanischen Freund gegeben.  Damals war es noch in einer Rohphase. Der Freund hat gesagt, ja, die Geschichte ist ziemlich komplex und die CIA wird dich fragen, woher weißt du das alles. Ich habe dann meiner Frau noch einmal eine Version gegeben und sie gebeten es zu lesen. Das Ergebnis daraus war manchmal ein bisschen frustrierend, denn sie hat gesagt: mach aus diesem Satz drei Sätze, mach das und mach dieses. Ich hab mir das alles in einem eigens angefertigten Profidruck notiert. Das war noch eine relativ frühe Version mit Schreibfehlern drin. Die hatte ich vor dieser Aktion aber im Programm bereits geändert. Und als wir damit fertig waren, habe ich mich hingesetzt und für mich dann nochmal entschieden, was für Dinge, die sie mir vorschlug, geändert werden. Danach hab ich dann für mich entschieden, so, das ist es jetzt. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich den Text dann gelesen hatte. Und bei jeder Änderung läuft man Gefahr, wieder einen Fehler einzubauen. Ich hätte ohnehin nie gedacht, dass es mal 400 Seiten werden würden.

8. Sie veröffentlichen unter einem Pseudonym. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?

Ja, den gibt es, denn das zweite Projekt ist ein völlig anderes Thema. Es gibt in diesem Zusammenhang rechtliche Anforderungen, die dazu führen, dass dieses Buch nicht unter meinem Namen erscheinen sollte. Ich habe dann beschlossen, das bereits mit dem ersten Roman umzusetzen. Damit erfülle ich  1. diese rechtlichen Anforderungen, und 2. meine eigene Privatsphäre wird geschützt.

9. Darf man schon fragen, worum das zweite Projekt handelt?

Diese Geschichte hat keinen politischen Hintergrund, sondern einen wirtschaftlichen, aber auch als Kriminalroman geschrieben. Das Leben ist ein Krimi. Vermutlich wird der Roman irgendwann im Frühjahr 2017 erscheinen, der ist schon ziemlich weit gediehen. Immer wenn ich Pause von „Inenodabilis“ gemacht habe, habe ich am 2. Buch weiter geschrieben. Am Jahresende wird dann meine Frau die erste Korrektur lesen.
Ich habe aus dem Ablauf, den entstandenen Schwierigkeiten und Problemen mit dem ersten Roman INENODABILIS viele Dinge gelernt, die mir bei dem zweiten Roman sicher nutzen werden.

10. Sie haben bei tredition ihr Buch veröffentlicht – einer Mischung aus Verlag und SelfPublishing. Warum haben Sie diese Art der Veröffentlichung dem traditionellen Verlag vorgezogen?

Ich habe 20 Verlage angeschrieben, 10 haben mir geantwortet, ich denke dass das schon ziemlich viel ist. Deren Angebote lagen zwischen 2.000 und 24.000 Euro Selbstbeteiligung. Die Bandbreite der angebotenen Services spiegelte diese Preisdarstellung (Umfang, Inhalte) natürlich wider und wer da etwas mehr als nur die ISBN haben will, muss relativ viel investieren. Das ist natürlich einfach unglaublich viel Geld und der Hinweis einiger Verlage, dass auch Goethe seine Bücher vorfinanzieren musste … na ja. Dafür muss ich sagen, hat tredition eine ganze Latte an Hinweisen und Empfehlungen, was man als Autor tun kann. Ich habe Flyer drucken lassen und einige der Tipps umgesetzt. So bin ich in LinkedIn drin, ebenso in Xing. Ich habe auch eine eigene Webseite. Inzwischen habe ich 16 oder 18 Mediengesellschaften angeschrieben – die noch nicht geantwortet haben und vielleicht werden die das auch nie – aber einfach, um zu versuchen, in einer Zeitung eine Buchbesprechung zu bekommen. Wenn ich das in einer Zeitung schaffen würde, wäre das natürlich optimal. Die Flyer hab ich in den Buchläden hier in der Gegend (Anm.: Raum Stuttgart) ausgelegt und eventuell wird man eine Lesung planen. Das Buch gibt es inzwischen in USA, in Kanada, in Italien, überall dort, wo es eine deutschsprechende Population gibt. Da macht der Verlag schon viel.

11. Welche Schriftsteller gehören zu Ihren Lieblingen? Welche Krimis lesen Sie gerne? Was war ihr letztes gelesenes Buch, welches wird ihr nächstes sein?

Ich habe zurzeit eher Interesse für geschichtliche Bücher. Also Christopher Clark „Die Schlafwandler“ als Beispiel. Das ist eine Beschreibung wie und warum der 1. Weltkrieg entstanden ist. Das zweite Buch „Preußen“, auch von Christopher Clark, erzählt über die preußischen Kurfürsten, die später deutsche Könige bzw. Kaiser wurden. Sein Schreibstil ist unglaublich detailliert, aber wenn man dann mal die ersten 20 oder 30 Seiten geschafft hat, dann kann man nicht mehr loslassen. Er schreibt sehr spannend. Und früher, ja klar, dann hab ich „Papillon“ und all diese Krimis auch gelesen. Aber ich weiß noch nicht, welches das nächste Buch sein wird, vielleicht etwas über die Fugger (Der reichste Mann aller Zeiten). Das Interesse daran hat mit Augsburg zu tun, meiner Heimatstadt. Im Übrigen haben alle Orte, welche in „Inenodabilis“ eine Rolle spielen, einen Bezug zu mir oder ich war schon dort. Auch durch meinen ehemaligen Job bin ich sehr viel herumgekommen.

Vielen Dank für das Interview und das nette Essen!

 

Homepage von George B. Wenzel


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Interview mit Christine Lehmann

Christine Lehmann, Foto: Günther Ahner

Christine Lehmann, Foto: Günther Ahner

Interview mit Christine Lehmann

Ein Interview hab ich schon ein, zwei mal geführt. Per Mail. Doch Christine Lehmann hat mich hier vor eine neue Herausforderung gestellt: sie wollte gerne mit mir telefonieren.
Letztendlich war es viel mehr Aufregung darüber, wie ich das technisch hinkriege, als es eigentlich war (wie das halt immer so ist), aber das Interview, nachdem es mal abgetippt war, ist gut gelungen. Und hier kommt es nun. Am Ende habe ich noch einige Links für Euch angefügt über Seiten bzw. Begriffe, die im Interview vorkommen.

 

In Ihrem neuen Krimi „Allesfresser“ dreht sich alles um das Thema Veganismus. Vegan zu leben ist gerade sehr im Trend. War das der Grund, warum Sie sich dieses Thema ausgesucht haben?
Der Grund war schon, dass immer mehr Leute vegan essen und man auch immer mehr an Partys teilnimmt, wo veganes Essen serviert wird. Ich war dann neugierig, da man ja das Gefühl hat: O Gott, man sollte dringend was tun. Vielleicht essen wir ungesund und wir sterben daran, wenn wir jetzt nicht anfangen vegan zu essen. Es hat mich einfach interessiert: Was ist vegan? Was heißt es vegan zu leben? Wie viele gute Argumente gibt es, vegan zu leben? Eine gewisse Vorstellung hat man ja. Und dann habe ich angefangen zu recherchieren und gleichzeitig ist mir auch schon eine Figur eingefallen, nämlich diese junge Frau, die einen Vegan-Blog schreibt und immer mehr ins Extreme gerät, die an ihren eigenen Argumenten merkt, alles andere ist Mord an anderen Wesen. Und schon geht es weiter: Kann das denn eigentlich stimmen? Stimmen denn die Thesen? Wäre die Welternährung gesichert, wenn wir alle vegan leben würden? Und dabei hab ich festgestellt: Na, so einfach ist das halt auch nicht. Und so hat sich der Krimi entwickelt.
 
Schon bei „Die Affen von Cannstatt“ waren ihre Erzählungen von ihren Recherchen sehr spannend. Wie sind sie diesmal vorgegangen? Wie lief ihre Recherche?
Ganz so spannend war es diesmal nicht. Vieles findet im Internet statt. Man findet sehr viele Blogs zur veganen Ernährung. Ich hab mich also zuerst im Internet kundig gemacht, und da kommt man einerseits zu sehr extremen Ansichten und andererseits auch zu den Gegenthesen. Ich habe dann mit Leuten geredet, die mir dann gesagt haben, lies mal das oder bedenke dies, und die mir Artikel zugeschickt haben. Sodass ich dann nach und nach ein relativ komplettes Bild hatte. Gleichzeitig habe ich dann aber auch schon angefangen zu schreiben. Den Blog der jungen Frau und auch die ersten Kapitel habe ich schon begonnen. Ich mache das immer parallel. Nochmal ein Stückchen weiter recherchieren und schon mal schreiben und dann sehen, was die Geschichte eigentlich verlangt. Die Geschichte hat zum Beispiel verlangt, dass man einen Koch hat, der ja dann auch entführt wird, und dieser ist eben anti-vegan. Und so recherchiert man, welche Argumente der Koch dafür hat. Mein Zustand war dann am Ende so: Alle beide haben Recht oder alle beide haben nicht Recht. Es gibt keine absolute Wahrheit.
 
Online findet man ja haufenweise Seiten zum veganen Leben und das Thema wird mitunter recht heiß diskutiert. Auch in „Allesfresser“ beleuchten Sie alle Seiten des Veganismus und wie weit dieser bereit ist, zu gehen. Ist Veganismus immer politisch oder ist dies nur eine Seite des Veganismus?
Es gibt diesen Lifestyle Veganismus. Und ich denke, das ist in den meisten Fällen der Fall. Denn wenn man den Veganismus politisch betrachtet, dann wird es irgendwann wirklich schwierig. Das habe ich auch in meinem Buch durchexerziert. Man darf nicht mehr Auto fahren, man darf keine Musikinstrumente mehr spielen, da diese mit Knochenleim geleimt werden, eigentlich keine Baumwolle tragen, weil Insektizide eingesetzt werden, usw. Das Leben geht irgendwann verloren, wenn man da immer korrekt bleibt. Und wenn man dann auch noch sagt, man will die Menschheit retten, den Hunger beseitigen und aus diesem Grund müssen wir Pflanzen essen, dann wird es sehr schnell hochpolitisch. Und moralisch: Wir müssen Tiere befreien, man darf keine Hunde halten und Pferde reiten, da das eine Ausbeutung des Tieres ist. Das alles spielt in einer gewissen Weise immer mit rein, aber sicherlich bei den Allerwenigsten tatsächlich bis in die letzte Konsequenz. Ich denke, die meisten Veganerinnen und Veganer sind halb politisch, aber eigentlich hat es was mit Lifestyle und persönlichen Gefühlen zu tun. Ein Trend, ein Ausprobieren, wie man damit leben kann. Viele hören dann nach ein paar Jahren wieder auf. Sie haben die Erfahrung gemacht und sind vielleicht auch krank geworden. Und manche halten es ihr Leben lang durch und bleiben auch gesund.
 
Auf der Leipziger Buchmesse haben Sie eine Lesung zu „Allesfresser“ gehalten, in der man Ihnen ein wenig die diebische Freude ansehen konnte, die Zuhörer mit den doch recht grausigen Beschreibungen am Anfang des Buchs zu schockieren. Muss ein Thema schockieren um heutzutage Aufmerksamkeit zu erlangen?
Das suche ich nicht. Ich will beim Krimi Schreiben an meine eigenen Grenzen gehen und konsequent sein. Dazu schreibe ich ein Buch. Im realen Leben würde ich die Konsequenzen nicht ziehen, aber im Buch kann ich experimentieren. Und deswegen gehe ich da auch sehr weit. Ich glaube nicht, dass ein Krimi schockieren muss. Wobei Krimis sicherlich leichter schockieren können als andere Literaturarten. Mein Krimi, auch wenn er schockiert, muss sich trotzdem nicht gut verkaufen. Eine gute, grausige Leiche ist schon wichtig für einen Krimi und viele Leserinnen und Leser mögen auch viele Leichen. Das mag ich nicht so. Aber klar, das Interesse an Krimis hängt auch mit einem gewissen Schock und der Neugier, wie es weiter geht, zusammen. Davon hängt oft auch der Erfolg eines Krimis ab. Das kontrolliere ich aber gar nicht so. Ich gehe vor allem an meine eigenen Grenzen.
 
So wie Lisa Nerz?
Genau, sie macht das für mich. Im realen Leben mache ich das nicht so. Lisa Nerz ist eine Figur, welche soziale Experimente macht, die ich so tatsächlich nicht durchführen kann oder für die ich ein ganzes Leben brauchen würde. Sie kann das innerhalb von ein paar Lesestunden machen. Ich bin ein konsensorientierter Mensch und möchte niemanden vor den Kopf stoßen. Da bin ich anders als Lisa Nerz. Sie ist vielleicht eine Seite von mir. Dieses Spielerische, das Krasse, das mag ich an der Figur auch sehr. Das ist, was ich nicht bin.
 
Lisa Nerz ist auch eine Figur, die nun schon über mehrere Teile immer wieder spannend und trotzdem neu ist. Macht das den Reiz um ihre Krimis aus?
Für mich schon. Jedes Mal ermittelt sie in einem neuen Gebiet und für mich ist das immer die Erforschung eines gesellschaftlichen Zustands. Da bin ich Wissenschaftlerin. Mich interessiert das dann bis zum Ende. Ich versuche, es zu Ende zu denken und sie, Lisa Nerz, handelt bis zum Ende. Genau das macht für mich den Reiz des Krimischreibens aus. Bei irgendeinem Krimi mit 08/15 Handlung, der ganz ordentlich geschrieben ist, würde ich mich zu Tode langweilen. Ich muss selber ein Milieu erforschen.
 
Sie schreiben neben den Lisa Nerz Krimis außerdem noch Romane, Jugendromane und Kurzgeschichten. Arbeiten Sie schon am Thema für den nächsten Lisa Nerz Krimi oder haben Sie gerade ein anderes Projekt auf dem Tisch?
Ich bin gerade am Grübeln, welchen 13. Lisa-Nerz-Krimi ich schreiben könnte. Aber ich nehme mir dafür auch Zeit. Es gibt für mich immer so eine Art Grübelphase: Ich überlege, welches Thema könnte man machen, dann verbeiß ich mich in ein Thema, dann erzählt mir jemand etwas und dann denke ich, ach, das könnte ich auch machen. Oder ich greife dann doch wieder auf das andere Thema zurück. Ich fang halt irgendwann an zu schreiben und zu recherchieren, dann steht das Thema fest. Deswegen kann ich noch gar nicht groß sagen, was ich machen werde, aber ich bin da voller Zutrauen, dass mir wieder was Gutes einfällt. Also ein Gebiet, bei dem ich denke, das könnte man mal beackern.
 
Neben Ihrem aktuellen Buch möchte ich noch ein anderes Thema ansprechen. Vor Kurzem haben Sie, gemeinsam mit einigen anderen Autorinnen und der Verlegerin Else Laudan, den Blog Herland ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Vor zwei Jahren habe ich mit Merle Kröger zusammengesessen und wir haben uns überlegt, wir müssten mal eine Gruppe gründen. Also wir kritische/sozialkritische oder feministische Krimiautorinnen, um der Diskussion unseren Frauenansatz entgegenzusetzen und uns wahrnehmbarer zu machen. Und das hat sich dann entwickelt. Man hat sich getroffen und entschlossen, gut, wir machen einen Blog und bauen ein Netzwerk auf. Und damit haben wir jetzt angefangen.
 
„Literatur von Frauen, gerade mit politischen Themen, verdient mehr Aufmerksamkeit“ ist auf dem Blog Herland zu lesen. Das Krimigenre an sich muss ja schon in der hohen Literatur um einen Platz kämpfen und wird von oben herab belächelt – wie schwierig ist es als Frau, die sich mit politischen Themen in ihren Büchern beschäftigt, in diesem Genre ernst genommen zu werden?
Ich als schreibende Frau, die keinen Mainstream schreibt, habe immer das Problem, dass ich nicht so viel Beachtung kriege, wie Männer, die Krimis schreiben. Auf der Krimi-Bestenliste der ZEIT ist für den April keine einzige Frau enthalten. Die Frage, wie bissig wir da werden, kann ich jetzt gar nicht beantworten, aber eine Benachteiligung findet einfach statt. Ich bin eine Alt-Feministin. Ich habe diese Themen schon mal in den 80er Jahren beackert, die wir jetzt wieder bearbeiten. Das finde ich auch ganz spannend. Das erzeugt so ein Retrogefühl, und vieles was jetzt passiert, ist vor 30 Jahren, in den 80ern, auch schon passiert. Dieselben Argumente, dieselben Diskussionen – sie kommen wieder für eine jüngere Generation. Ich merke aber, dass es wichtig ist, dass man auch die nachwachsende, schreibende, denkende Frauengeneration mit diesen Erkenntnissen füttert, damit sie selber damit weiter arbeiten kann.
 
Als ich einige der Artikel gelesen habe, ist mir oft der Satz durch meine Gedanken geschossen: Ah, stimmt ja, da ist wirklich wenig von Frauen zu sehen.
Ist das ein Problem, mit dem wir Frauen heute zu kämpfen haben? Dass wir gar nicht mehr so die Unterschiede sehen, weil es uns vermeintlich gut geht? Ruhen wir uns auf dem Erreichten aus?
Ich empfinde Deutschland da als sehr konservatives Land. Bei uns sind weniger Frauen unter den Politikern oder in den Parlamenten als in anderen Ländern. Wir ruhen uns im Grunde darauf aus, dass die Frauen die Chancen haben, und tun gar nichts mehr dafür, dass wir ihnen die Chancen auch wirklich geben. Gesellschaftlich ist Deutschland relativ behäbig. Ein Aufbruch, in dem wir – wobei wir nicht die einzigen sind – diese Themen wieder in die Diskussion bringen, finde ich sinnvoll. Ob es funktioniert, muss man dann sehen. Und klar ist, dass im künstlerischen Bereich – Theater, Musik, bildende Kunst, Krimis, Literatur – die Frauen zwar ebenfalls tätig sind, aber in der öffentlichen Anerkennung extrem im Nachteil sind. Siehe das Beispiel mit der Krimi Bestenliste. Und es kann einfach nicht sein, dass es keine guten Bücher von Frauen gibt. Das geht einfach gar nicht. Es gibt genauso viele Frauen wie Männer, die Krimis schreiben. Unsere Ästhetik ist ausgerichtet auf das männlich-künstlerische Schaffen. Es geht in der bildenden Kunst, z. B. der Malerei, weiter. Ich weiß nicht, wie viele malende Frauen Sie spontan nennen können? Ich keine. Aber ein paar malende Männer, die Millionen für ihre Bilder bekommen, können wir nennen. Und was malen sie? Junge Frauen. Wir leben in einer männlichen Ästhetik, in einer männlichen Kultur. Die Kritiker sind ebenfalls zur Mehrheit männlich. Und im Übrigen sind Frauen immer auch noch Helferinnen: Frauen lesen Bücher auch mit dem männlichen Blick. Sie haben auch mehr Freude an männlichen Helden, weil diese für sie interessanter sind als weibliche Heldinnen. Es ist schon sehr, sehr schwer und in dieser Hinsicht hat sich eigentlich gar nicht viel verändert. Es ist eher schlechter geworden, weil alle glauben, die Frauen seien doch in der Kultur angekommen und würden beachtet. Deshalb finde ich es schön, dass wir Herland haben, denn jetzt habe ich wieder 7 oder 8 Kolleginnen. Wir befruchten uns gegenseitig und bringen das Thema wieder voran. Ich habe so das Gefühl, das Thema ist ja doch noch da und wir können wirklich wieder gemeinsam etwas tun. Für mich ist das sehr schön.
 

Vielen Dank für das tolle und sehr interessante Interview!

 

Links:
„Allesfresser“ von Christine Lehmann beim Argument Verlag
Blog von Christine Lehmann
Herland – feministischer Realismus in der Kriminalliteratur (Blog)
Krimi Bestenliste der ZEIT

Und wer am 2. Mai noch nichts mit sich anzufangen weiß und grad zufällig in Stuttgart ist, kann die Autorin live bei einer Lesung erleben:
Montag, den 2. Mai 2016
19:30 Uhr im Hospitalhof, 
Johannes-Reuchlin-Raum 
Büchsenstraße 33
70174 Stuttgart
Eintritt und Sekt frei.


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Interview mit/with Charlotte Otter

So, hier ist nun das Interview, welches ich mit Charlotte in den letzten Wochen geführt habe. Zuerst gibt es die deutsche Übersetzung und danach das englische Original. Viel Spaß damit!

Deutsche Version:
Wer bist Du? Als Person, als Autorin und als Frau, welche in zwei so unterschiedlichen Ländern gelebt hat?
Ich bin eine nach Deutschland verpflanzte Südafrikanerin. Für eine lange Zeit hatte ich mit dem Gefühl zu kämpfen, mich zwischen den beiden Ländern entscheiden zu müssen, aber jetzt bin ich zur Ruhe gekommen, mit der Gewissheit, dass ich jemand bin, der sich glücklich schätzen kann, zweimal ein Zuhause zu haben. Ich mag die Vorstellung eine Bürgerin der Welt zu sein. Ich bin außerdem eine Reisende, eine Optimistin, eine Feministin, ein Kaffee-Fan und eine eifrige und begeisterte Leserin. Bücher haben mein Leben bestimmt und ich war immer fest entschlossen eines zu schreiben. Es hat eine Weile gedauert, aber letztendlich habe ich begonnen, Balthasars Vermächtnis zu schreiben. Ich habe gemerkt, wenn ich nicht jetzt mit dem Schreiben beginne, würde ich nie anfangen und dann würde ich alt und verbittert sterben ohne je meinen Ambitionen einen Versuch zu gewähren. Und so hab ich es einfach gemacht, glücklicherweise wurde mein erstes Buch veröffentlicht und ich befinde mich jetzt am Höhepunkt der Veröffentlichung meines zweiten Buchs.

Nun gibt es so viele Themen, die ich Dich gerne fragen würde, aber lass uns mit dem literarischen starten: Was war das schlechteste Buch, welches Du je gelesen hast – und warum? Was ist Dein absoluter Favorit? Und ist da ein Buch, welches Dein Schreiben beeinflusst hat?
Ich möchte anderen Autoren keine Geringschätzung entgegen bringen, deshalb nenne ich keine Namen, aber ich lese keine Bücher über Missbrauchsbeziehungen, welche in einem leichten S&M bzw. romantischen Gewand erscheinen. Ich bin es außerdem leid, Kriminalliteratur mit einer aufreizenden Frauenleiche zu lesen – so ein veralterer und beleidigender Tropus (=bildlicher Ausdruck) und so viele Autoren der Kriminalliteratur nutzen dieses Bild.
Ich bin Fan von sehr vielen Autoren, somit ist es schwer für mich, einen speziellen Favoriten zu wählen, aber ich würde niemals etwas von Hilary Mantel, Jane Smiley, Barbara Kingsolver, Donna Tarttt oder Ann Patchett verpassen. Auch ihre Einkaufslisten würde ich freudestrahlend verschlingen. Ich bin immer beeinflusst und inspiriert von der Arbeit anderer, aber meine Lieblingsbücher über das Schreiben sind „On Writing“ von Stephen King und „Bird by Bird“ von Ann Lamott.

Hier ist sie – die aufreizende Leiche einer Frau. Einen Krimi ohne dieses Klischee zu schreiben – war das ein Grund für dich, warum du das Kriminalgenre gewählt hast?
Krimis sind der beste Weg, um meine spezielle Story zu erzählen, das war der Hauptgrund, warum ich sie gewählt habe. Der erste Entwurf war tatsächlich ein Roman, aber ich hatte das starke Gefühl, dass es nicht passt. Als ich es in einen Krimi umwandelte, schien es zu passen. Ich habe eine Menge Krimiautoren gelesen – Ruth Rendell, PD James, Elizabeth George – und ich habe sie bewundert dafür, wie sie das Krimigenre benutzen, um der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten, was ich auch tun wollte.
Meine Ungeduld mit der sexy Leiche kam später. Je mehr ich las, desto mehr wurde mir bewusst, dass ein Großteil der Kriminalliteratur eine tote Frau als antreibendes Element beinhaltete – und sehr oft eine junge, schöne, nackte Tote. Warum müssen Frauen nackt und tot sein, um einen Krimi erfolgreich zu machen? Warum beginnen viele Krimis in dieser Art und Weise? Und, ist es möglich einen erfolgreichen und spannenden Krimi zu schreiben, der nicht auf einer aufreizenden Leiche basiert?
Die sexy Leiche ist eine Klischee in der Welt der Kriminalliteratur: so üblich, dass es fast gar nicht mehr wahrgenommen wird. Ich lehne das ab. Ich möchte keine Klischees verarbeiten. Und ich möchte Leichen von toten Frauen nicht anziehend darstellen. Das ist viel zu respektlos gegenüber denen, welche Vergewaltigung und Missbrauch erlebt haben oder durch die Hände von Männern getötet wurden. Es ist nichts sexy dabei. Da ist nichts, was cool ist oder ausgefallen. Die Realität ist erschreckend und der Weg, wie wir die Realität in unseren Geschichten darstellen ist nichts weiter als unverantwortlich. Und ich lehne es ab, daran teilzuhaben.

Ich habe auf Deinem Blog dein „I am from“ gelesen. Darin ist Südafrika ein warmer und freundlicher Ort, aber ein Krimi zeigt auch die Schattenseiten eines Landes.
War es für Dich von Anfang an klar, dass Dein Krimi in Südafrika spielen wird? Und wenn Du an Südafrika denkst, hast Du dann zweideutige Gefühle?

Ja, es war immer klar, dass mein erstes Buch in Südafrika, dem Land meines Herzen, spielen würde. Und meine Gefühle für es sind zweideutig: es ist so ein großartiges Land und es muss so viel durchstehen. Es ist sehr enttäuschend für viele Südafrikaner, dass, obwohl das Land Demokratie erlangt hat, es unfähig ist, die Leute aus der Armut zu befreien. Wir haben die Apartheid abgeschafft, aber Millionen von Menschen leiden immer noch und das ist sehr traurig. Wir möchten alle gerne sehen, dass Südafrika seinem Versprechen gerecht wird.

Demokratie, HIV-Leugnung, Wirtschaft – die Themen Deiner Bücher sind alle politisch. Wie wichtig ist es für dich, ernsthafte Themen zu transportieren/ abzudecken?
Wenn du über Südafrika schreibst und wenn Du Krimis schreibst, dann kannst du den sozialen Realismus nicht vermeiden. Die beiden können nicht getrennt werden. Für mich ist es eine Funktion des Genres und eine Funktion, um über Südafrika zu schreiben. Ich glaube auch, dass das Persönliche und Private politisch ist. So wie wir es lieben zu denken, dass wir in unserer eigenen, erdachten und sauberen Welt leben, jede Entscheidung die wir treffen und jede Handlung, die wir erleben ist beeinflusst davon, wer wir sind, wo wir geboren wurden, in welche Familie wir geboren wurden, über welche Privilegien wir in diesen Familien verfügen konnten, und wie Dinge funktionieren, in einer Gesellschaft, die wir uns ausgesucht haben. Als ein Kind der Apartheid in Südafrika bin ich mir dessen sehr bewusst. Also auch wenn ich es aufgeben würde Krimis zu schreiben und stattdessen ein Buch über Sex und Shopping schreiben würde, wäre ich immer noch interessiert an den Erinnerungen und Erfahrungen, welche die Menschen mitbringen und wie diese die Entscheidungen, welche sie treffen, beeinflusst haben.

In einigen Tagen erscheint dein neues Buch mit Maggie Cloete – Karkloof Blue. Was ist das Thema dieses Buches? Und was hat dich inspiriert? Was war der Funke?
Das Thema von Karkloof Blue ist die Umwelt. Der Funke kam von vielen Gesprächen mit meinem Bruder, der eine einheimische Gärtnerei betreibt und welcher sich für die Umkehrung der Auswirkungen von pflanzlichen Monokulturen und die Einführung von biologischer Vielfalt engagiert. Als ich jedoch mehr darüber nachgedacht habe, habe ich realisiert, dass der Kampf zwischen Monokulturen und Biodiversität eine nützliche Metapher dafür ist, wie wir das weiße Patriarchat los zu werden versuchen – und wie hart und schmutzig die Verteidiger des Patriarchats kämpfen, um es zu erhalten.

Für Karkloof Blues war Dein Bruder Deine Inspirationsquelle – welche anderen Mittel der Inspiration und Informationen hast Du bzw. benutzt du?
Inspiration kommt aus dem Lesen, Information kommt aus Büchern!

Maggie Cloete ist die Heldin Deiner zwei Bücher – eine dickköpfige, neugierige, unabhängige Frau, eine Journalistin, Motorradfahrerin. Reflektiert sie Deine eigene Persönlichkeit und Deine Art zu leben? Oder war es wichtig für Dich, Dich von ihr abzugrenzen?

Maggie und ich sind in zwei Dingen gleich: Ich habe auch als Kriminalreporterin gearbeitet und ich hinterfrage auch den Status Quo. Das ist der Punkt, an dem die Gemeinsamkeiten enden! Sie ist eine viel mutigere Journalistin als ich es je war und sie ist viel wilder. Sie ist ein Alter Ego für mich – ein Weg, um mit verschiedenen Identitäten zu spielen, von der sicheren Umgebung meines Heidelberger Arbeitszimmers aus.

Zwischen Balthasars Vermächtnis und Karkloof Blue liegen mehrere Jahre – ein sehr ungewöhnlicher und überraschender Zug in einer Krimiserie. Planst Du eine weitere Überraschung für den nächsten Maggie Cloete?
Ja, das dritte Buch wird eine weitere Überraschung beinhalten!
Das sind gute Neuigkeiten, denn ich habe Karkloof Blue schon ausgelesen und warte schon auf den nächsten Maggie Cloete… nur um ein wenig Druck zu machen… :-D

So, ich denke, wir sind fast am Ende mit unseren Interview, aber ich habe eine letzte Frage: Warum verabscheust Du vier Uhr nachmittags?

Ich bin ein Morgenmensch und mein Energielevel ist um vier Uhr nachmittags am tiefsten. :-)

Charlotte, vielen Dank für das spannende und inspirierende Interview – es hat mir sehr viel Spaß gemacht!

English version:

Who are you? As person, as writer and as women, who has lived in two such different countries?
I am a transplanted South African, living in Germany. For a long time, I struggled with the feeling that I had to choose between the two countries, but now I have come to a place of peace, knowing that I am someone who is lucky enough to have two homes. I like to think I’m a citizen of the world. I am also a traveler, an optimist, a feminist, a fan of coffee and a huge and avid reader. Books have defined my life, and I was always determined to write one. It took me a long time to get going, but I finally started writing Balthasar’s Gift when I was 39. I realized that if I didn’t get going with writing then and there, I never would, and then I would die old and bitter without ever having given my ambition a try. So I did, was lucky enough to have my first novel published and am now on the cusp of publishing the second one.

So many topics I want to ask further now, but let’s start with the bibliophile one: What was the worst book you’ve ever read – and why? What is your all-time favorite? And is there any novel which influenced your writing?
I don’t like to disrespect other writers so I’m not going to name names, however let it be said that I don’t read novels about abusive relationships dressed up as light S&M/romance. I am also sick to death of crime fiction that starts with a sexy corpse – such an old, tired and disrespectful trope and so many crime writers are guilty of this.
As I am in awe of many writers, it is hard for me to choose a particular favourite, but I would never not read anything by Hilary Mantel, Jane Smiley, Barbara Kingsolver, Donna Tartt or Ann Patchett. I’d happily read their grocery lists. I am always influenced and inspired by other people’s work, but my favourite books about writing are On Writing by Stephen King and Bird by Bird by Ann Lamott.

Ah, here it is – the sexy corpse. To write a crime novel without such a cliché – was that the reason for you to choose the genre of crime fiction?
The main reason I chose crime fiction was that it was the best way to tell my particular story. The first draft was in fact literary fiction, but I had a strong sense that it wasn’t working. When I changed it to crime, it seemed to take off. I had read a lot of crime writers – Ruth Rendell, PD James, Elizabeth George – and I admired the way they used the crime genre to turn a mirror on society, which is what I wanted to do.
My impatience with the sexy corpse came later. The more I read, the more I realized that a huge proportion of crime fiction has a dead woman – and often a young, beautiful, naked dead woman – as its inciting incident. I started to ask myself why. Why do women have to be naked and dead for crime fiction to be successful? Why does most crime start this way? And, is it possible to write successful and thrilling crime fiction that is not predicated on a sexy corpse?
The sexy corpse is the wallpaper of the world of crime fiction: so common that we don’t even notice it any more. I reject this. I won’t create more wallpaper. And I won’t sexualize the bodies of dead women. That is too disrespectful to those who have suffered rape and abuse or been murdered at the hands of men. There is nothing sexy about that. There is nothing cool or edgy about that. The reality is horrific and the way we represent the reality in our stories now is nothing more than irresponsible. And I refuse to participate.

I have read your „I am from“ on your webpage. There, South Africa shows a warm and friendly side, but a crime novel also shows the bad sides of a country.
Was it clear to you that South Africa will be your setting right from the beginning? And if you think of South Africa, do you have ambiguous feelings?

Yes, it was always clear that my first novel would be set in South Africa, the country of my heart. And my feelings about it are ambiguous: it’s such a magnificent country and it’s gone through such troubles. It is immensely disappointing to most South Africans that, despite achieving democracy, the country is unable to deliver people out of poverty. We’ve removed apartheid, but millions of people still suffer, and that is sad. We’d all love to see South Africa live up to its promise.

Democracy, denial of HIV, economy – the topics of your novels are political. How important is it for you to cover serious topics in your novels?
If you write about South Africa and you write crime fiction, you can’t avoid social realism. The two can’t be separated. So for me, it is function of the genre and of writing about South Africa. I also believe that the personal is political. Much as we’d love to think that we exist in sanitized bubbles of our own devising, every decision we make and every outcome we experience is affected by who we are, where we were born, what kinds of families we were born into, what privileges were and are available in those families, and how things are functioning in the society we choose to live in right now. As a child of apartheid South Africa, I am well aware of this. So even if I gave up crime fiction to write a novel about sex and shopping, I would still be interested in the baggage people bring and how that affects the decisions they make in their lives.

In a few days your new novel with Maggie Cloete will be published – Karkloof Blue. What is the main topic this time? And what inspired you? What was the spark?
The theme of Karkloof Blue is the environment. The spark for it came from many conversations with my brother who runs an indigenous plant nursery, and who is an activist for reversing the impact of plant monocultures in favour of biodiversity. On a basic level, it is vital for our planet to be biodiverse. However, the more I thought about it, the more I realised that the battle between monoculture and biodiversity is a useful metaphor for understanding how we are ridding ourselves of white patriarchy – and how very, very hard and very dirtily those who embody the patriarchy will fight to retain it.

So for Karkloof Blues your brother was a source of inspiration – what other inspirations and source of information do you have and use?
Inspiration comes from life, information comes from books!

Maggie Cloete is the heroine of your two novels – a strongheaded, curious, independent woman, writing for a newspaper, riding a bike. Does she reflect your own personality and way of life? Or was it important to you to differentiate yourself from her?
Maggie and I are similar in that I also worked as a crime reporter and I also question the status quo. That’s where the similarities end! She is a much braver reporter than I ever was and she is far wilder. She’s really an alter ego for me – a way to play with a different identity from the safety of my Heidelberg study.

Between Balthasar’s gift and Karkloof Blue several years have gone by – a very untypical and suprising move in a crime novel series. Are you planning another surprise for the next Maggie Cloete novel?
Yes, the third book will have a surprise in it!

So, that are very good news, because I have already read „Karkloof Blue“ and now starting to wait for the next Maggie Cloete… just to put a little pressure on you. :-D
So, I think, that we are nearly at the end of our interview, but one last question: Why are you loathing 4 p.m.?

I am a morning person, and my energy levels are at their lowest at 4pm. :)

Charlotte, thank you very much for this exciting and inspiring interview – I really liked it!