Sif Sigmarsdóttir – Das dunkle Flüstern der Schneeflocken
Verlag: Loewe
Übersetzer: Ulrich Thiele
427 Seiten
ISBN: 978-3743207219
Schon mutig vom Loewe Verlag mir dieses Buch ohne Vorankündigung zu schicken… Da der Loewe Verlag nun mal vornehmlich Kinder- und Jugendliteratur herausgibt, halte ich mich nun nicht unbedingt für die Zielgruppe. Dem Jugendalter nun doch schon etliche Jahre entwachsen und ohne Kinder, bevorzuge ich doch… komisches Wort… Erwachsenenliteratur. Thematisch fühle ich mich da besser aufgehoben. Ganz zu schweigen von den häufig auftretenden Dreiecksbeziehungen im Young Adult Genre, die mich immer mit den Augen rollen lassen. Aber hauptsächlich geht es um die Themen, aber auch die Verbindung zu den Protagonisten.
Dies wiederum bestätigt der vorliegende Jugendthriller (empfohlen ab 14 Jahren, nach Angabe des Verlages), denn es geht, nicht nur, aber auch um Social Media. So gar nicht meins. Nun, immerhin habe ich einen Account bei Facebook, doch mit Instagram, Twitter, Pinterest und Co. kann ich nichts anfangen und bewege mich dort auch nicht, und bevor TikTok in den Nachrichten war, wusste ich noch nicht mal, was das ist.
„Abgesehen von der Arbeit kontaktiert sie eigentlich niemand mehr per Mail und diese Mail ging nicht an ihre Arbeitsadresse, sondern an ihre private. Also ist der Absender alt. Nur alte Leute schreiben noch E-Mails. Die Generation 35 plus.“ (S. 27)
WTF! Hallo? Geht’s noch?
Na gut, nachdem sich meine Empörung ob des obigen Zitats gelegt hatte, habe ich auch darüber schmunzeln können. Denn Jugendliche nutzen ihr Smartphone zu allem möglichen, aber telefonieren gehört nicht dazu. Und Mails sind eben auch schon „old-fashioned“. Aber ich steh dazu – ich mag Mails.
Doch die beiden Protagonistinnen – Hannah und Imogen – sind eben wesentlich jünger als ich und Instagram ist ein Teil ihres Lebens, mehr oder weniger. Imogen, die nach Abbruch ihres Studiums in einer PR-Agentur arbeitet, ist ein Instagram-Star, eine Influencerin, die allerdings in ihrem Leben kürzlich eine traumatische Erfahrung gemacht hat. Durch einen Auftrag in Island hofft sie, sich dessen zu stellen. Dort trifft sie auf Hannah, die Imogen für ein Praktikum bei der isländischen Zeitung interviewen soll. Hannahs Mutter ist vor Kurzem gestorben und durch eine von ihr initiierte Whistleblower-Aktion in ihrer Schülerzeitung ist sie von der Schule geflogen, so dass sie kurzerhand zu ihrem Vater nach Island verfrachtet wird. Schon kurz nach ihrer Ankunft wird eine Leiche aufgefunden, für deren Tod einige Tage später Imogen verhaftet wird. Hannah kann nicht anders, und steckt ihre Nase in die Ermittlungen…
Das Thema Social Media ist sehr präsent in dem Thriller, jedes Kapitel beginnt mit einem Instagram-Post, mit möglichen Bildunterschriften und der tatsächlichen Bildunterschrift. Bezüglich der Likes sieht man ganz klar einen Unterschied zwischen der bekannten, beliebten Imogen und der zurückhaltenden Hannah. Hier verstecken sich aber auch die Wellen an Emotionen, welche die sozialen Medien hervorrufen können. Ein ständiges Flehen darum, dass die Posts ankommen, geliked werden, zwischen Euphorie und Depression.
Die Geschichte selbst wird in zwei Zeitebenen erzählt. Hannah und ihre Ermittlungen zeigen die Geschehnisse im Jetzt, während man mit Imogen die Zeit vorher beleuchtet, um als Leser herauszufinden, wie es zu den Ereignissen heute gekommen ist. Persönlich fühlte ich mich Imogen näher. Sie ist zwar nicht viel älter als Hannah, aber steht eben schon im Berufsleben, hat sich, wenn auch schmerzhaft, von ihrer Familie abgenabelt, ist erwachsener. Hannah hatte es in ihrem Leben auch nicht einfach, aber man merkt einfach den jugendlichen Trotz, besonders gegenüber ihrem Vater.
Ein gut gemachter Thriller aus dem eisigen Island, mit jugendlichem Touch – lässt sich mit der Social Media Komponente sowieso nicht vermeiden – und zwei sympathischen Protagonistinnen. Er ließ sich zügig lesen und die Auflösung war nicht zu einfach vorherzusehen, ich persönlich hatte erst einen anderen Verdacht. Für Jugendliche ab 14 Jahren vermutlich zu empfehlen (ich hab mit 12 angefangen alles von Stephen King zu lesen, aber wer weiß, vielleicht sind die Jugendlichen heutzutage zarter besaitet) – für die Generation ab 35 kann man es aber auch problemlos empfehlen, solange man sich nicht an dem jugendlichen Touch und den eingestreuten Instagram-Posts stört. Einen spannenden Thriller bekommt man allemal, nur ein Noir ist es definitiv nicht, auch wenn der Klappentext dies auf der Rückseite behauptet. Nichtsdestotrotz war das Buch spannend und eine guter Krimi.
Fazit:
Ein spannender Thriller, der mit jugendlichen Protagonistinnen und dem Einfluss der sozialen Medien für mich eine ungewöhnliche Lektüre war, aber bei der Neugier der Ermittlerin und der Schwere der Tat einem „erwachsenen“ Thriller in nichts nachsteht.