Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Memoria – Zoё Beck

Zoё Beck – Memoria, Suhrkamp Verlag, 281 Seiten, ISBN: 978-3518472927

Harriet lebt als Klavierstimmerin in Frankfurt. Viel verdient man damit nicht, sie ist nahe am Existenzminimum. Auf dem Weg zu einem Auftrag, muss der Zug stoppen, da ein Waldbrand gefährlich nahe an die Gleise herankommt. Als der Zug stoppen und alle Passagiere aussteigen müssen, geschieht es, dass Harriet, gemeinsam mit zwei weiteren Passagieren, eine alte Frau aus einem nahe gelegenen Haus rettet, bevor dieses vom Feuer verschlungen wird. Eine folgenschwere Begegnung, denn diese alte Frau scheint Harriet zu kennen und weckt Erinnerungen in ihr, die Harriet selbst noch gar nicht kannte.

Dass die Autorin Spannung und Science Fiction kombinieren kann, hat sie schon in „Die Lieferantin“ und „Paradise City“ bewiesen. Auch der vorliegende Krimi spielt in der Zukunft, allerdings nicht sehr weit in der Zukunft. Auch spielt die Zukunft keine wesentliche Rolle, sondern ist einfach der Hintergrund, in den die Geschichte gebettet ist. Aus meiner Sicht, liefert dies der Autorin die Möglichkeit, ihre Geschichte freier zu gestalten und ein paar Kniffe mit zukünftigen Möglichkeiten zu erklären. Auch für die Auflösung der Geschichte spielt es eine wichtige Rolle. Dennoch spielt „die Zukunft“ keine Hauptrolle, aber ergänzt die Geschichte gekonnt.

Denn der ganz klare Fokus der Geschichte liegt diesmal auf den Erinnerungen, worauf der Titel des Buches natürlich auch hinweist. Harriet muss im Laufe der Geschichte mehrfach an ihren Erinnerungen zweifeln, bzw. versuchen ihre Erinnerungen mit Fakten, die nicht dazu passen, abzugleichen. Gemeinsam mit der Protagonistin steht man als Leser immer wieder vor den Fragen: kann man den eigenen Erinnerungen trauen? Inwieweit verändern wir Erinnerungen im Laufe der Zeit? Stimmen unsere Erinnerungen wirklich eins zu eins mit den Geschehnissen von damals überein  – verändern, verzerren wir diese mit der Zeit nicht einfach? Ein wenig so, wie es uns passt, so wie wir uns erinnern wollen. Als Leser muss man sich zusätzlich noch fragen: kann man Harriet denn eigentlich trauen? Eine unzuverlässige Erzählerin erzeugt ja immer eine ganz besondere Situation für den Leser, denn schließlich könnte, aber muss eben nicht alles stimmen, was Harriet denkt, fühlt, erlebt. Und dies eröffnet dem Leser unzählige Möglichkeiten sich den weiteren Verlauf der Geschichte vorzustellen.

Harriet selbst ist eher zu bedauern. Der Vater lebt dement in einem Heim, allerdings in einem hervorragendem. Bezahlt aus dem Erbe von Harriets Mutter, die ihr nichts hinterlassen hat. Als Klavierstimmerin hat sie nun auch nicht den gefragtesten Job und lebt von der Hand in den Mund, hält sich mit einem anderen Job über Wasser. Sie hat weitgehend mit der ungerechten Behandlung durch ihre Mutter abgeschlossen, doch die Ereignisse rütteln an dieser geschlossenen Tür und zwingen Harriet, sich zu erinnern und sich mit ihrer Vergangenheit zu befassen. Auf der einen Seite ist das Glück, denn dadurch ergreift sie Initiative und wird zu einer viel sympathischeren Protagonistin, als die graue Maus, als die man sie am Anfang des Buches kennen lernt. Auf der anderen Seite muss sie sich jetzt aber eben mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen.

Ich fand das Buch äußerst spannend, soghaft und wirklich faszinierend. Ich habe es auf einen Rutsch, an einem Tag, weggelesen. Vielleicht weil dieser Sog so riesig und einnehmend war, war ich fast schon ein wenig vom Ende enttäuscht. Ein klein wenig, denn auch wenn die verschütteten Erinnerungen trickreich aufgelöst werden, ist der Auslöser – fast – schon banal. Ist er natürlich nicht, nur im Vergleich zum irrsinnigen Spannungsbogen davor, der sich bei mir aufgebaut hat. Ich bin sehr zufrieden mit der Lektüre, denn ich hätte mir keinen spannenderen Tag wünschen können und ich muss auch immer wieder feststellen, dass ich die Einbindung der Zukunft, ohne sie explizit hervorzuheben, sehr gerne mag. Ganz nach dem Motto: Show, don’t tell.
Spannung, Zukunft, Ungewissheit – was will man mehr? Alles in einem, perfekt kombiniert. So geht Thriller.


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Ein Fluss so rot und schwarz – Anthony Ryan

Anthony Ryan – Ein Fluss so rot und schwarz, Übersetzerin: Sara Riffel, Verlag: Tropen Verlag, 272 Seiten, ISBN: 978-3-608-50179-7

Huxley ist einer von sechs Menschen, die auf einem Schiff mitten im Nirgendwo erwachen. Der siebte ist tot – Selbstmord. Keiner der Sechs kann sich an Persönliches erinnern, doch alle scheinen bestimmte, nützliche Fertigkeiten zu besitzen. Und alle haben einen Namen auf den Arm tätowiert, alles Namen von SchriftstellerInnen. So wie Huxley, der vermutlich mal Polizist war. Wer er war, ob er Familie hatte, das alles weiß er nicht. Die Sechs erkunden das Schiff und stellen fest, dass es automatisch gesteuert ist und sie keine Möglichkeit haben einzugreifen. Viel erkennen können sie auch nicht, denn mysteriöser roter Nebel umgibt  sie. Doch nach und nach öffnen sich Fächer, klingelt ein Satellitentelefon, das Ufer wird sichtbar und Hinweise ergeben sich – sie nähern sich London, einem postapokalyptischen London. Doch dort ist etwas passiert und die Sechs sind losgeschickt worden, um das Grauen dort zu bekämpfen.

 Natürlich ist es die mysteriöse, unheimliche Spannung und das Nichtwissen der sechs Personen auf dem Schiff, welche die ganze Geschichte vorantreiben und einen unheimlichen Sog entwickeln. Angefangen mit dem grundsätzlichen Misstrauen in der Gruppe, nachdem alle aufwachen und einen von ihnen tot auffinden. Keiner kann dem anderen trauen, denn keiner kennt den anderen – aber eben auch nicht sich selbst. Alle haben die gleichen Narben, auf dem Kopf und im Bauchbereich, doch keiner kann sich erinnern, warum. Sie finden heraus, dass jeder eine Art Spezialist ist: Ärztin, Soldat, Polizist, Physikerin, Historiker und Polarforscherin. Doch allen ist gemein, dass sie sich nur an Fakten, an Fertigkeiten, an automatisierte Abläufe erinnern. Keiner hat Erinnerungen an Familie, Freunde, persönliche Ereignisse. Und wenn sie sich zu erinnern versuchen, erleiden sie Schmerzen.

Auch der Leser bleibt mit den Figuren im Ungewissen und erfährt nichts im Voraus. Da allen Figuren das Privatleben abhanden geht, fällt es einem auch schwer, Bezug zu jemanden herzustellen. Bei einigen musste ich mich immer wieder vergewissern, wer denn wer ist. Einzig zu Huxley, aus dessen Sicht die Geschehnisse geschildert werden, und zu Rhys, der Ärztin, baut man eine Verbindung auf – das hat auch seinen Grund. Die Geschichte besticht also nicht unbedingt mit Charakterzeichnung – da fehlt dann irgendwie doch das persönliche. Doch andererseits ist das auch gut so, denn allen voran soll hier die unheimliche Atmosphäre, die mysteriösen Vorkommnisse und die nach und nach enthüllten Tatsachen wirken und das gelingt auch.

Wenn man das Buch in zwei Teile aufteilt, so lebt es anfänglich von dem Nichtwissen der Charaktere und dem Dürsten nach Informationen, den unheimlichen Kleinigkeiten und der Interaktion der Gruppe. Der zweite Teile artet dann in repetitive Handlungen aus – von denen man sich zweifellos die eine oder andere hätte sparen können – die aber unweigerlich auf einen großen Showdown zusteuern. Zuviel möchte ich hier natürlich nicht verraten, aber der Autor hat noch einiges, was er am Ende auspackt.

Insgesamt war das Buch einfach wirklich gute und spannende Unterhaltung mit einer gehörigen Portion mysteriöser und unheimlicher Atmosphäre, blutrünstigen Kämpfen und einem gewaltigen Showdown. Wer seine Thriller gerne auch mal postapokalyptisch/dystopisch und mit ordentlich Schmackes mag, kann hier nichts falsch machen. Spannend, unheimlich und in einem Rutsch weggelesen – genau das Richtige für einen verregneten Herbstnachmittag.


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Alle kleinen Tiere – Anne Goldmann

Anne Goldmann – Alle kleinen Tiere
Verlag: Argument Verlag
301 Seiten
ISBN: 978-3867542517

Ich bin traurig. Wer meinem Blog schon von Anfang an folgt, wird mitbekommen haben, dass ich ein großer Fan von Anne Goldmann und ihren Büchern bin. Deshalb hab ich mich natürlich außerordentlich gefreut, als ihr neues Buch “Alle kleinen Tiere” hier bei mir angekommen ist. Wie so oft, wollte ich es nicht gleich lesen, sondern es mir für eine besondere Zeit aufheben. Nun habe ich es in meinem Urlaub gelesen, bin total begeistert und gleichzeitig sehr traurig. Denn ein nächstes neues Buch wird es nicht geben. Leider ist Anne Goldmann dieses Jahr verstorben.

Somit wird dies nicht nur eine kleine Rezension zu ihrem neusten Streich, sondern auch ein kleiner Blick zurück. Ganz unten könnt Ihr die Links zu meinen Rezensionen ihrer vier anderen Bücher finden, aber auch den Link zu den beiden Interviews, welche ich 2017 und 2018 mit ihr führen durfte. Auch erinnere ich mich gerne daran, dass ich Anne Goldmann einmal auf der Leipziger Buchmesse getroffen habe und mich ganz wunderbar mit ihr unterhalten habe. Noch heute bin ich erstaunt darüber wie interessiert sie an mir als Person war – eigentlich ist es ja eher umgekehrt, dass man als Leser ein tiefes Interesse an der Autorin / dem Autor hat, doch hier hab ich mich auf einer Höhe gefühlt und gleich auch wohl gefühlt.

Dieses Treffen wird mir immer in Erinnerung bleiben und ihre 5 Bücher bleiben natürlich in meinem Bücherregal, so dass ich sie immer wieder hervorziehen und nochmal lesen kann. Das ist bei einem Krimi nun oft ein wenig langweilig, da man ja das Ende der Geschichte schon kennt, doch Anne Goldmann schafft es in ihren Geschichten, so ausgezeichnet unterschwellig  Spannung aufzubauen, dass jede nochmalige Lektüre eine Bereicherung und alles andere als langweilig ist.

Und so ist das auch bei “Alle kleinen Tiere”. Wer nun aber Thriller im Sinne von Sebastian Fitzek, Chris Carter oder ähnlichen erwartet, der wird enttäuscht sein, denn hier wird die Spannung nicht brutal mit dem Hammer (oder wahlweise Messer, Kreissäge, etc – ihr wisst schon) erzeugt, sondern subtil und hauchdünn. Und damit gelingt es der Autorin eine wesentlich bedrohlichere Atmosphäre aufzubauen, als es bluttriefende Psychothriller jemals könnten. Die Situationen sind alltäglich und die Bedrohungen klein, aber deshalb nicht weniger bedrohlich für die Menschen, die darin gefangen sind.

“Alle kleinen Tiere, dachte er, werden von den großen gefressen. Das war schon immer so.” (S. 76)

Der Plot der Geschichte dreht sich um 4 Personen: Rita, die viele wohl als dumm bezeichnen würden, Ela, die von ihrer Vergangenheit und Alpträumen heimgesucht wird, Tom, der in ständiger Gefahr vor den Nachbarn lebt und Marisa, die nicht allein sein kann und will. Alle vier sind ganz normale Menschen, keine Ermittler oder Journalisten, lose verbunden durch einige Vorfälle und zwei Grundstücke.

Viel mehr zum Inhalt will ich gar nicht erzählen, doch alle vier waren für mich Sympathieträger. Sie sind sich sehr unterschiedlich und eine skurril zusammengewürfelte Truppe, auch wenn man das nicht falsch verstehen sollte – anfangs kennen sich gar nicht alle und erst nach und nach zeigt sich, wie sie in der Geschichte miteinander verbandelt sind, bzw werden. Doch eins eint sie: jeder hat vor etwas Angst: der Vergangenheit, dem Alleinsein, vor der Bloßstellung, vor Hunden usw. Alltägliche Ängste, wovon jeder welche hat. Es gibt wohl kaum Menschen, die keine Angst haben, nur viele wissen damit umzugehen. Alle vier leben in einem sehr fragilen Leben, welches schon durch kleine Geschehnisse ins Wanken kommt und ihre alltägliche Normalität bedroht.

Und diese Bedrohung ist es eben, die den Thriller – oder ich will es lieber Spannungsroman nennen – zu etwas besonderem macht. Es sind vielleicht nur kleine Dinge, vielleicht unbedacht, vielleicht nicht, aber sie können das sorgfältig aufgebaute Leben einstürzen lassen. Natürlich kann die Autorin aber auch mit handfesteren Themen punkten, die sie eingebaut hat. Es geht um Wohnungsbaupolitik, nur am Rande, aber nicht unwesentlich für die Geschichte, um verpfuschte Kindheiten und unglückliche Erben, um Selbständigkeit, Freundschaft und das Glück im Kleinen.

Und doch endet das Buch für mich mit einer Ungewissheit, denn eine der Protagonisten ist eine unzuverlässige Erzählerin  – und wer garantiert mir, dass die anderen dies nicht auch sind? So frage ich mich, wie viel Innenleben der Protagonisten die Autorin preis gegeben hat und wie viel sie zurückgehalten hat. Und damit weckt sie Gedanken, die ich mir am Ende des Buches stelle und mich noch weit nach der Lektüre beschäftigen. So wie es ein gutes Buch ja auch soll.

Fazit:
Für mich sind Anne Goldmanns Spannungsromane immer ein absolutes Highlight.. Ich liebe die Art, wie sie eine bedrohliche Atmosphäre schafft und darin ganz normale Menschen darum kämpfen, ihre kleine Normalität wieder zu erlangen, zumindest soweit möglich. Das alltägliche Leben kann eben viel bedrohlicher sein als jeglicher erdachte Serienkiller – und mir persönlich macht das auch viel mehr Spaß zum Lesen. Ein grandioses Leseerlebnis und somit nur zu empfehlen.

Weiterführende Links zu meinen Rezensionen von Anne Goldmann:

Sowie die Links zu den beiden Interviews mit Anne Goldmann:


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All-in-One: Der wunde Himmel – Jeannette Oertel


Jeannette Oertel – Der wunde Himmel
Verlag: Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke
506 Seiten
ISBN: 978-3887694753

 

 

 

Für mich war es auf jeden Fall ein Wagnis, dieses Buch, welches mir von der Autorin angeboten wurde, zu lesen. Neugierig gemacht haben mich der Klappentext, aber auch die Tatsache, dass der Roman im Konkursbuch Verlag erschienen ist. Und hier habe ich ja erst vor Kurzem sehr gute Erfahrungen mit den Spannungsromanen von Regina Nössler gesammelt. Skeptisch war ich aufgrund der Amour fou, die zusätzlich zu Spannungselementen, einer DDR-Vergangenheit und der Arbeit an einer (fiktiven) arabischen Botschaft in unruhigen Zeiten, eingeflochten ist. Ob es sich nun gelohnt hat, seht ihr gleich, doch auf jeden Fall war es die richtige Entscheidung, mich in dieses Abenteuer zu stürzen.

Tabea Blum beginnt ihren neuen Job als Assistentin des elydischen Botschafters. Nicht nur in Deutschland herrschen unruhige Zeiten, sondern auch in Elydien, wo Staatschef Aladily einem Diktator gleich agiert. Und Tabea verliebt sich, in Rayan, den Sicherheitschef der Botschaft. Die Affäre ist nicht das einzige, was ihren Posten in der Botschaft gefährdet. Hinzu kommen politische Beziehungen, ein undurchsichtiges Beziehungsgeflecht der einzelnen Botschaftsmitglieder und viele Andeutungen. Es entsteht eine faszinierend angespannte Situation, die sich komplett durch das Buch trägt, mit nur wenigen Spitzen, aber eben auch nie abbricht. Besonders erwähnenswert ist hier der Botschaftsmitarbieter Jan von Kessel, einer derjenigen, die Tabeas Vater damals in der DDR, in Bedrängnis gebracht haben. Hier erfolgen Rückblicke in die DDR Vergangenheit, aber auch der “heutige” von Kessel sorgt für Bedrohungen.

Die Geschichte selbst spielt in einer sehr nahen Zukunft, vieles bleibt nur angedeutet, doch die politische Stimmung in Deutschland ist noch mehr aufgeheizt als heute. Zusätzlich formt sich Protest gegenüber dem diktatorisch geführten Elydien. Die Botschaft ist oft Schauplatz von Demonstrationen, das Regierungsviertel oft aufgrund gefährlicher Sicherheitslagen geräumt und das Viertel per se abends tot und verlassen. Als Leser folgt man Tabea durch dunkle einsame Gassen, aber auch zu glamourösen Anlassen, wo sich das Who-is-Who der politischen Prominenz trifft und im Hinterzimmer dubiose Absprachen trifft. Es geht um Freiheit, Krieg, Macht und Waffen, ernste Themen, bei denen sich jeder Bürger wünscht, dass diese eben nicht in Hinterzimmerdeals über die Bühne gehen würden.

Die Protagonistin, Tabea Blum, empfand ich jedoch oft als naiv und unerfahren. Dagegen sprechen allerdings die Fakten, die man nach und nach über sie herausfindet. Aufgewachsen in der DDR, 10 Jahre Berufserfahrung in einer Kanzlei, unzählige Reisen durch die verschiedensten Länder, und trotzdem kam mir Tabea Blum wie Anfang 20 vor. Nichtsdestotrotz passt sie damit hervorragend in diese spannungsgeladene, unheimliche Situation. Die Autorin schafft es sogar, sie zeitweise zur unzuverlässigen Erzählerin werden zu lassen, so dass man selbst an allen Geschehnissen zweifelt und sie als Spinnerin abtut.

Zugegeben, die Amour Fou, die Liebesgeschichte zwischen Tabea und Rayan, hat es mir nicht einfach gemacht. Ich bin einfach kein großer Fan von Liebesgeschichten und wünsche mir immer einen Fokus auf die Krimihandlung. Hin und wieder war ich hier auch ein wenig ungeduldig, bis die Szenen der leidenschaftlichen Liebe vorbei waren und es wieder – für mich – spannender wurde. Einem Leser, der nicht so fokussiert auf Krimis ist und querbeet liest, stört das aber vermutlich gar nicht. Auch finde ich die Liebesgeschichte zwischen den beiden einigermaßen stimmig, nur für mich hätte sie ein wenig geraffter sein können. Ich bin auch kein Fan einer Amour fou, habe ich gemerkt, denn, dass Tabea sich so sehr unterordnet, fast selbst aufgibt, und ohne sich Gedanken zu machen, auf eine Affäre am Arbeitsplatz mit einem verheirateten Mann einlässt, gefällt mir nicht besonders. Aber alles persönlicher Geschmack. Der spannenden Story drumherum tut das aber keinen Abbruch.

Insgesamt ist der Spannungsroman eine wilde Mischung, ein Potpourri an verschiedensten Themen, die erstaunlich gut ineinander greifen und die Spannung immer unterschwellig vorantreiben. Amour Fou, ja, aber eben auch Krimi, Spannungsroman, Thriller und Spionageroman, die Geschichte hat politische Brisanz und zeigt ein düsteres, sehr nahes Zukunftsszenario, gespickt mit Rückblicken in die Vergangenheit der DDR. Für mich ein lohnenswerter Ausflug, raus aus meiner persönlichen Komfortzone.


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Quick & Dirty 1/2019

Der Steingänger – Davide LongoDerSteingänger

Rowohlt, Übersetzerin: Suse Vetterlein, ISBN: 978-3499290398

Worum geht es?
Cesare findet seinen alten Freund Fausto, mit dem er früher Flüchtlinge über die Berge nach Frankreich gebracht hat, ermordet in einem Gebirgsbach. Der Franzose – wie Cesare von seinen italienischen Mitbürgern genannt wird – ist verdächtigt, doch hängt Faustos Ermordung wirklich mit seinen Tätigkeiten als Schlepper und neuerdings Drogenkurier zusammen?

Wie war es?
Literarisch so stimmungsvoll kann nur einer schreiben – Davide Longo. Auch sein Debütroman konnte mich nun voll überzeugen, wobei die Kriminalgeschichte fast schon nebensächlich ist. Ich verliebe mich immer in diese stille, abgeschiedene Atmosphäre, die er mit seinen Worten zaubern kann. Aber natürlich ist auch die Kriminalgeschichte nicht zu verachten, denn dahinter steckt mehr – oder eigentlich weniger – als man denkt.

 


Das Meer – Wolfram Fleischhauer56008124n

Droemer-Knaur, ISBN: 978-3426307076

Worum geht es?
Ökoterroristen gegen Fischereimafia.
Eine Fischereibeobachterin der EU geht über Bord, vereinzelte Fischvergiftungen treten in Europa auf, eine Tochter wird gesucht und ein Dolmetscher hat keine Ahnung worum es eigentlich geht.

Wie war es?
Thematisch war der Ökothriller ein absolutes Highlight. Man muss echt schlucken bei den Greueltaten, welche die Fischereimafia bewusst, die Bevölkerung unbewusst durch ihre Nachfrage nach Fisch, den Meerestieren und dem Ökosystem Meer antun. Ich nehme mich hier nicht raus, ich esse zwar nicht viel Fisch, aber nur weil ich ihn nicht sehr mag. Die Empfehlung von Ärzten, zweimal die Woche mindestens Fisch zu essen, sollte man sich nach dem Buch nochmal gründlich überlegen.
Für einen Thriller hätte das Buch aber ein wenig mehr Spannung vertragen können, doch das größere Problem hatte ich mit der Auswahl der Protagonisten. Denn hier sind mal wieder die alten, weißen Männer ganz vorne, die beiden weiblichen Protagonistinnen bekommen nur wenig Chance ihre Gedanken mitzuteilen. Wer weiß, vielleicht bewusst gewählt, denn man sieht nicht nur die klaffende Lücke zwischen den Generationen sondern auch zwischen den Geschlechtern, eingeschnürt in Paragraphen und Sitzungen der EU, die zwar Gutes wollen, aber nur wenig ausrichten können oder wollen. Der Dolmetscher, der dem Autor am nächsten liegt, was man aus dem Nachwort erfährt, war der unbeteiligste Charakter, denn über 90% des Romanes weiß er gar nicht, worum es geht und als er es dann erfährt, interessiert es ihn auch nicht so richtig.
Ach, ich weiß nicht, wie gesagt, thematisch war es wirklich gut, aber die Umsetzung war nun nicht so meins.


Sick City – Tony O’Neill51xUrKIPg+L._SX314_BO1,204,203,200_

Heyne Hardcore, Übersetzer: Stephan Pörtner, ISBN: 978-3453676237

Worum geht es?
Als Jeffreys Gönner nachts im Bett stirbt, beschließt er, eine Entziehungskur zu machen. Dabei trifft er Randal, ebenfalls drogenabhängig, aber auch reich und mit dem Filmgeschäft verbandelt. Das trifft sich gut, hat Jeffrey doch von seinem Gönner ein geheimes Sex-Tape „geerbt“, welches er zu Geld machen will. Zwei Junkies, ein legendäres Video und L.A. – da kann doch nichts schief gehen, oder?

Wie war es?
Zwei Junkies, ein Dealer, ein Killer und eine Stripperin, die alleine nichts hinkriegt. Schon das Ensemble in diesem abgefahrenen Krimi hat es in sich. Sprachlich zwar nicht der Bringer, dafür aber sehr authentisch rast man durch das Buch und sieht die Wand auf sich zukommen bzw. die Protagonisten Fahrt aufnehmen und in ihr Unglück rasen. Sehr viele Drogen, sehr viele Arten Drogen zu nehmen, Gossensprache und nicht das beste Personal und trotzdem eine Wucht. Ein irrer Trip, den man sich nicht entgehen lassen sollte.


Exodus aus Libyen – Tito Topin41JK-qwbcBL._SX301_BO1,204,203,200_

DistelLiteraturVerlag, Übersetzerin: Katarina Grän, ISBN: 978-3923208906

Worum geht es?
Acht völlig unterschiedliche Menschen – Geschlecht, Religion, sozialer Status – machen sich auf den Weg von Tripolis nach Tunesien. Der Jeep schafft es kaum aus der Stadt, bevor er in einem kleinen Ort strandet, der unter der Knute des Militärs steht, zurückerobert von den Rebellen. Wer bzw. wie viele werden Tunesien erreichen?

Wie war es?
Unheimlich erschreckend. Acht Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, alle einzeln vorgestellt in Kapiteln eingeworfen zwischen den Kapiteln ihrer unmöglich scheinenden Reise. Jeder mit eigenen Motiven, mit einer Hintergrundgeschichte, müssen sie sich doch irgendwie arrangieren, zusammenbleiben, füreinander einstehen. In einem Land zerrissen zwischen den Schergen des Machthabers, dem „Pourriture“ (dem Korrupten/Verderbten (Gaddafi)), und den Rebellen, ein zerstörtes Land, mit Toten, mit Hungernden, mit Flüchtlingen, klapperdürren Hunden und der ständigen Angst zu sterben. Bei dieser Lektüre muss man schwer schlucken, aber es ist so wichtig, sie zu lesen, um zumindest ein wenig zu verstehen, welche Schrecken auf der Welt vorgehen, derweil wir in unseren sicheren Häusern sitzen, keinen Hunger leiden, uns nicht vor Kampfflugzeugen verstecken müssen. Unbedingt lesen!

 


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Mutterliebe: Für immer mein – Ellen Dunne


Ellen Dunne – Für immer mein
Verlag: Eire Verlag
386 Seiten
ISBN: 978-3943380149

 

 

 

Tarek Waldmann reist nach Wien, in seine Heimatstadt, um die Lebensgeschichte von Helga Wolff aufzuschreiben. Als Biograph kommt ihm dieser Auftrag grade recht, um seiner Freundin, die ihm eröffnet hat, dass sie schwanger ist, zu entkommen. In Wien quartiert er sich bei seinen Adoptiveltern ein und trifft auf einem Klassentreffen seine Jugendliebe Valerie wieder und bändelt mit ihr an. So unbeständig Tarek und sein Leben sind, so sehr nimmt ihn Helgas Geschichte mit, da er als Adoptivkind eine eigene Geschichte vermisst. Doch Helgas Auftrag an ihn war kein Zufall und schon bald mischt sich sein Leben mit dem Helgas.

Tarek Waldmann stromert so in seinem Leben herum. Bei seinem Roman ist er nur hundert Seiten weit gekommen, also hat er beschlossen, lieber die Geschichten anderer aufzuschreiben. Seine Beziehung zu Lina verläuft stürmisch, aber Tarek will sich natürlich nicht festlegen. Die Schwangerschaft trifft ihn unerwartet und er nimmt erst mal Reißaus von Irland, Lina und den Freunden und fliegt in seine Heimat Wien. Aber auch hier ist nicht alles rosig, sein Vater ist krank und seine Mutter, eine Künstlerin, ein zartbesaitetes Wesen. Auf dem Klassentreffen fängt er Streit an, aber Valerie erobert er trotzdem. Von Lina weiß sie, aber Valerie hat selbst ein paar dunkle Flecken auf der Weste, so dass die zwei gar nicht schlecht zueinander passen.

Das mit Helga etwas nicht stimmt, bekommt der Leser relativ schnell mit. Helga beauftragt Tarek aus einem bestimmten Grund, genau Tarek und keinen anderen. Das bekommt man in den Kapiteln mit, welche Helga als Brief an ihren verstorbenen Mann Hermann verfasst, ein sehr gelungener Kniff, um ihre Geschichte zu erzählen. Viele Gedanken macht sie sich darum, wie sie auf Tarek wirkt, was er wohl denkt, wie er wohl ist. Und sie plant. Wie eine Spinne, sitzt sie in ihrem Netz und zieht Tarek an ihrem Faden näher und näher. Und die ganze Zeit hat man dieses unheimliche Gefühl, da stimmt was nicht, mit Helga. Es ist ein wenig, wie ein Zug, der näher kommt. Erst denkt man, der ist noch weit weg, aber plötzlich ist er so nah und so verdammt schnell, wenn er auf einen zurast.

Wie immer finde ich es gelungen, wenn mehrere Perspektiven zum Einsatz kommen. Hier wechselt die Perspektive zu verschiedenen Personen, doch zumeist ist es Tareks Sicht, bzw. Helgas Sicht in Briefform an Hermann. Die Spannung in dem Thriller ist zwar kontinuierlich, aber eher unterschwellig, bevor sie im Finale dann richtig zulegt und es einen Showdown gibt.

Am spannendsten waren für mich aber die geschichtlichen Bezüge zur DDR. Ich persönlich habe keinerlei Bezug zur DDR, hatte dort nie Verwandte und war auch bei der Wiedervereinigung noch jung, so dass ich auch in Nachrichten oder ähnlichem so gut wie gar nichts mitbekommen habe, so dass mich ein Bezug zur DDR immer reizen kann. Auch hier hat die Autorin mir etwas aufgezeigt, was ich noch nicht wusste. Allerdings, ich gebe es zu, fehlte mir ein wenig Hintergrundmaterial. Eine Rechercheliste am Ende wäre toll gewesen, aber ebenso wäre es auch möglich gewesen, Tarek, als Biograph, in dieser Richtung recherchieren zu lassen. Ich vermute, dies ist der Spannung wie auch dem Egoismus von Tarek zum Opfer gefallen und hat einfach nicht in die Geschichte gepasst, aber ich hätte es schön gefunden, wenn noch mehr Infos eingeflochten worden wären.

Fazit:
Ein Thriller zu einem hochspannenden Thema, der mir zu wenig Background-Informationen enthielt, aber mich mit den Charakteren und ihrem Zusammenspiel sehr gut unterhalten hat.

 


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Atmosphärisch: So dunkel der Wald – Michaela Kastel


Michaela Kastel – So dunkel der Wald
Verlag: Emons
304 Seiten
ISBN: 978-3740802936

 

 

 

 

 

Den Thriller von Michaela Kastel wollte ich schon lange lesen und so hat sich dieser zum Spezial zu östereichischer Kriminalliteratur quasi aufgedrängt. Auch wenn ich ja tendenziell nicht mehr so viele Thriller lese, denn oft können sie mich nicht mehr reizen. Nichtsdestotrotz habe ich damals, als der Thriller herauskam, sehr viele positive Rezensionen gelesen, mittlerweile wurde der neue Thriller der Autorin “Worüber wir schweigen” veröffentlicht. Und vermutlich war das ein wenig die Crux, diese vielen positiven Stimmen, die ich gehört habe, denn der Thriller von Michaela Kastel ist zwar ein richtig guter Thriller, aber irgendwie hatte ich nach dem Echo in der Bloggerwelt, etwas anderes erwartet.

Yannick, Ronja, Nika, Theo und Henna. Das sind die fünf Kinder, die mit Paps tief im Wald, tief in den Bergen, leben. Abgeschottet von der Zivilisation, unter strenger Hand, in ständiger Angst. Denn Paps ist nicht der Vater der Kinder, sondern ihr Entführer. Derweil Yannick und Ronja schon Jahre dort leben, und Nika schwer krank ist, sind die anderen zwei noch jünger und fallen ins “Beuteschema” von Paps, so dass ihr Abend einen zusätzlichen täglichen Schrecken bereit hält. Doch dann beschließt Ronja zu fliehen.

Die Atmosphäre des Buches ist durchgängig düster, nicht nur der Wald, die Einsamkeit, die Abgeschiedenheit, sondern eben auch die Enge des Hauses, die kleinen Fenster, die alten, einengenden Möbel tragen dazu bei. Eine Atmosphäre, welche die Kinder zusätzlich schreckt und ängstigt, ist doch eine Flucht so gut wie unmöglich, eine Enge, die aber Paps zu gefallen scheint. Hier kann er herrschen, sein wie er will, “seine” Kinder brechen. Zum Brechen dient auch eine kleine Höhle, kaum mehr eine Felsspalte, in die Paps unliebsame Kinder schmeißt, aus der man aber nicht mehr alleine herauskommt und auf das Gutdünken von Paps angewiesen ist. Eine beklemmende Enge in den Bergen, angereichert mit einem gewalttätigen Pädophilen.

Ronjas Ausbruchsversuch war für mich der Höhepunkt des Thrillers, der dann allerding schon im ersten Drittel des Thrillers stattfindet. Danach ist der Thriller zwar immer noch interessant, aber nicht mehr so spannend. Zwar ist kontinuierlich die Situation auf dem Berg/im Wald nach Ronjas Ausbruchsversuch angespannt, doch die Spannung flaut ab und eigentlich ist es eher ein Psychogramm der Kinder, die jahrelang mit Paps auf dem Berg gelebt haben. Zwischen völlig zerstörten Psychen, der Bedrohung durch Paps und der Einsamkeit auf den Bergen ist Adrenalin vorhanden, aber nicht mehr auf hohem Level, lässt doch Ronjas Flucht die Spannung verpuffen. Es geht danach eher darum, wie zerstörte Kinderseelen agieren und reagieren.

Eingemischt sind zwei andere Handlungsstränge. Hier ist zum einen die Polizistin Sarah Wiesinger zu nennen, eine Frau, die selbst kein einfaches Päckchen zu tragen hat und der die Suche nach den verschwundenen Kindern zur Lebensaufgabe geworden ist. Auf der anderen Seite, bekommt man, etwas später im Thriller, Einblick in ein Tagebuch. Hierbei ist erst nicht klar, wer der Verfasser ist, so dass der Leser rätseln darf.

Tatsächlich wird das Buch ab dem Höhepunkt, der ja schon im ersten Drittel stattfindet, stellenweise etwas vorhersehbar. Nichtsdestotrotz bleibt die eindringliche, unheimliche Atmosphäre immer präsent und auch die unterschiedlichen Aktionen und Reaktionen der Kinder sind spannend zu verfolgen, allerdings habe ich mir von einem Thriller mehr erwartet, mehr Action, mehr Druck, mehr dringliches Umblättern der Seiten. Das hat mir ein wenig gefehlt. Irgendwann wusste ich grob, worauf die Geschichte hinauslaufen wird, da hatte die Autorin keine Überrraschung für mich, nichtsdestotrotz waren einige Schicksale am Ende doch noch anders als gedacht. Als Leser bin ich immer ganz glücklich, wenn es kein Happy End gibt, sondern eben “nur” ein realistisches Ende. Soweit möglich eben, und hier konnte die Autorin wieder bei mir punkten.

Fazit:
Ein Thriller, dessen Spannung nach dem ersten Höhepunkt abflacht, aber noch kontinuierlich Unterhaltung bietet und die Geschichte zu einem gelungenen Ende bringt. Überzeugen konnte mich aber vor allem das Setting und die Atmosphäre, geradezu hervorragend für einen Thriller gewählt. Ein sehr gutes Thrillerdebüt aus Österreich!


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Jugendhilfe: Der frühe Tod – Zoë Beck


Zoë Beck – Der frühe Tod
Verlag: Bastei Lübbe
301 Seiten
ISBN: 978-3404163090
Buch nur noch antiquarisch erhältlich

 

 

 

 

Schon sehr lange lag dieser Thriller in meinem Bücherregal. Während ich mittlerweile alle neu herauskommenden Krimis/Thriller der Autorin verschlinge, fehlen mir noch ein paar ihrer älteren Titel. Dies möchte ich aber nachholen und den Anfang macht nun dieser Thriller.

Caitlin Anderson ist erst vor Kurzem nach Schottland gezogen. Nach einer nicht einfachen Scheidung hat sie hier einen neuen Job angenommen und ist für die PR der Stiftung „We Help“ zuständig, die mit ihren Projekten Jugendlichen hilft. Als sie eines Morgens ihre Joggingrunde am Loch Katrine absolviert findet sie eine Leiche, genauer gesagt, die Leiche ihres Exmannes. Und natürlich ist sie für die Polizei Verdächtige Nummer eins.
Derweil beschäftigt sich der Journalist Ben Edwards mit einer anonymen Nachricht, welche die Redaktion erhalten hat. Jemand behauptet, dass die „We Help“ Stiftung in die Tode von drei Jugendlichen in Edinburgh verwickelt ist. Bens Interesse ist geweckt und er beginnt zu recherchieren.

Obwohl meines Erachtens Caitlin die Protagonistin ist, möchte ich doch mit Ben beginnen. Seine Perspektive mochte ich sehr – als Journalist mischt er sich überall ein, stellt Fragen, setzt seinen Job über seine Beziehung. Noch ist er nur Gerichtsreporter aber er strebt nach mehr. Dabei ist er nicht unverschämt, aber eine Story möchte er schon. Als Arbeiterjunge, quasi der erste und bisher Einzige in seiner Familie, der studiert hat, bekommt er leicht Kontakt zu den Jugendlichen in Edinburgh und zieht dann mit einem „jugendlichen Helfer“ durch die Straßen, besucht die Familien der Toten, um mehr zu erfahren und lässt sich alle Gerüchte und Vermutungen erzählen.

Caitlin ist eher zaghaft, verschreckt, was aber nicht verwunderlich ist, wenn man mitbekommt, wie ihr Mann sie behandelt hat. Für mich war sie eher eine graue Maus, auch wenn sie nicht unattraktiv beschrieben wird. Ihr Exmann hatte Geheimnisse vor ihr, während der Ehe und nun sowieso, nichtsdestotrotz nutzt er sie als Rückversicherung und zieht sie damit in die verheerenden Ereignisse dieses Thrillers. Caitlin möchte sich am liebsten verstecken und in Ruhe gelassen werden, doch da das nicht gelingt, rafft sie sich auf und versucht sich dem Gegner zu stellen. Mehr schlecht als recht, aber immerhin.

Die Ereignisse werden aus Sicht der beiden, Caitlin und Ben, beschrieben. Eine weitere Perspektive steuert ein Unbekannter bei. Sehr gelungen fand ich, dass für die Perspektiven unterschiedliche Schriftarten verwendet wurden. Das macht sie nicht nur gut unterscheidbar, sondern grenzt sich nochmal voneinander ab, so dass man rätseln muss, wie alle Ereignisse miteinander zusammen hängen.

Man kann schon sehr schnell erkennen, dass Ben und Caitlin lose durch die Stiftung verbunden sind, doch während Ben ermittelt und aufdeckt, sich erst mal an ein, zwei  falschen Lösungen verhakt und es irgendwann endlich „Klick“ macht und er herausfindet, was hinter der Stiftung steckt, irrt Caitlin relativ ratlos durch die Gegend und lange ist nicht klar, was genau sie mit der Sache zu tun hat. Für mich als Leser war es leider sehr leicht herauszufinden, was hinter der Stiftung steckt, doch immerhin war nicht klar, wer genau hinter dem Geheimnis steckt, so dass die Übeltäter bis zum Schluss nicht genau definierbar waren. Somit war am kniffligsten herauszufinden, wie Caitlin mit drin steckt und wer letztendlich hinter dem Geheimnis der Stiftung steckt.

Fazit:
Ein gelungener Thriller, bei dem mir vor allem die verschiedenen Perspektiven zugesagt haben, wobei mir die jüngeren Thriller der Autorin noch besser gefallen.

 


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Sogwirkung: Psychose – Blake Crouch


Blake Crouch – Psychose
Verlag: Goldmann
Übersetzerin: Kerstin Fricke
416 Seiten
ISBN: 978-3442489701

 

 

 

 

“Psychose” ist der erste Teil der “Wayward Pines” Trilogie, welche der Heyne Verlag gerade im Monatstakt veröffentlicht. Wenn ich es richtig gesehen habe, gab es das Buch schon im Selfpublishing und wurde nun, nachdem das ganze als erfolgreiche Serie vermarktet wurde, vom Goldmann Verlag nochmal aufgegriffen. Da ich den Hype bisher nicht mitbekommen habe, finde ich es also hervorragend, dass diese Trilogie nochmal aufgenommen wurde, denn – soviel kann ich schon mal verraten – ich fand es genial.

Ethan Burke ist Secret Service Agent und auf der Suche nach zwei verschwundenen Agenten, die sich zuletzt gemeldet haben, als sie auf dem Weg nach Wayward Pines waren. So macht sich auch Burke auf den Weg, wird in einen Autounfall verwickelt und wacht benommen und mit Gedächtnisverlust neben einem Fluss in Wayward Pines auf. Nach und nach kommen seine Erinnerungen zurück, doch trotzdem ist irgendwas merkwürdig an dem kleinen Städtchen.

Tatsächlich stellt es sich nun schwierig heraus, grob zu umreißen, wohin die Geschichte sich wendet, denn ich mag den anderen Lesern keine der Kleinigkeiten verraten, die Ethan Burke nach und nach herausfindet und natürlich schon gar nicht die große Auflösung am Ende, aber genau diese, die Antwort auf die Frage “Was ist los in Wayward Pines?” ist so drängend in das Buch gearbeitet, dass man quasi nicht mehr aufhören kann weiterzulesen. Man muss einfach wissen, was hinter all dem steckt. Ich habe das Buch tatsächlich in einem Tag verschlungen, sogar in wenigen Stunden, einfach weil es für mich so einen Sog entwickelt hat, dass ich eben unbedingt wissen wollte, wie es ausgeht, bzw. welches Geheimnis Wayward Pines hütet.

Dabei könnte man, wenn man denn wollte an einigen Sachen herummäkeln. Klar ist das Buch nun kein literarisches Meisterwerk, doch den Anspruch hat es eben auch gar nicht. Es reicht völlig, eine unheimliche, mysteriöse Atmosphäre aufzubauen. Beim Lesen hatte ich ganz viele Ideen im Kopf, was das Dorf sein könnte, welches Geheimnis hier verborgen liegt, wie es ausgehen könnte, und doch kommt es ganz anders. Man grübelt und grübelt, geht mit Ethan Burke durch die Stadt und hat dabei ständig diese Kribbeln im Nacken. Als ob einen jemand beobachtet. Man blickt die sauberen Straßen an, die wohnlichen Häuser, die netten Barbecues und obwohl alles normal aussieht, stimmt etwas nicht. Man weiß es einfach, man kann nur nicht genau sagen, was nicht stimmt.

Auch Ethan Burke braucht eine Weile und seine Nachforschungen gehen nicht einfach über die Bühne. Er ist im übrigen die einzige Figur des Buches, die mehr Hintergrund und Charakter verliehen bekommt, die anderen sind nichts weiter als gute Statisten. Burkes Suche nach der Wahrheit ist im Übrigen nicht leicht. Ich möchte ihn hier doch mal kurz als “John McClane” zwischen zwei Buchdeckeln bezeichnen, denn so wenig Essen, Schlaf und Genesung der Kerl kriegt, so viel Prügel steckt er im Gegenzug ein. Aber ihn zu einem Haudrauf zu reduzieren wäre auch nicht richtig, tatsächlich zeigt sich, dass er sich auch durch Hartnäckigkeit und Dickköpfigkeit auszeichnet und immerhin versucht diese verquere Geschichte zu lösen.

Das Ende war nicht nur für mich überraschend, sondern auch für Burke und ich mag fast behaupten, dass man kaum drauf kommen kann. Trotzdem schließt man das Buch mit einem guten Gefühl und das möchte ich dem Autor zu gute halten, denn obwohl es eine Trilogie ist, ist der erste Teil abgeschlossen, so dass man nach der Lektüre auch aufhören könnte. Allerdings werde ich auf jeden Fall weiterlesen, denn ich frage mich, wie es jetzt weitergeht, welchen Twist der Autor in den nächsten beiden Teilen der Trilogie bietet – und ja, ich hoffe und erwarte ein mindestens genauso spannendes Buch, welches bis zum Schluss sein Geheimnis nicht preis gibt und meinem Gehirn wieder die Möglichkeit gibt, unendliche Lösungen zu finden, die es dann doch nicht sind.

Fazit:
Unheimlich spannend und mit unglaublicher Sogwirkung – man muss wirklich unbedingt wissen: Was ist los in Wayward Pines?

 


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Made in Germany: Last Shot – Hazel Frost


Hazel Frost – Last Shot
Verlag: Droemer Knaur
386 Seiten
ISBN: 978-3426306420

 

 

 

 

Dieses Buch hatte ich mir schon auf die Wunschliste gesetzt, doch durch die überaus ansprechende  Rezension auf Krimilese hab ich das Buch sofort gekauft und gelesen. Das mache ich nur überaus selten – zwar kaufe ich Bücher oft direkt bei Erscheinung, doch gelesen werden diese oft erst Tage, Monate, ja und auch Jahre später. Hüstel. Egal – bei dem vorliegenden Thriller, der hier unter einem Pseudonym einer mir schon bekannten deutschen Autorin veröffentlicht wurde, war die Entscheidung genau richtig.

In den bayrischen Bergen, an einem verlassenen Rastplatz. Ein Mercedes, die Türen stehen offen. Als Dima nach der Pinkelpause zum Auto seiner Familie zurückkehrt findet er sie alle erschossen vor: seinen Vater Youri, seine Schwestern Lale und Ayla; Mathilda ist verschwunden.

Das ist die Ausgangssituation und danach beginnt ein wilder Roadtrip, bei dem man sich ständig fragt: und das in den bayrischen Bergen? Sind wir nicht irgendwo in den USA, in einsamen, wilden, vogelfreien Landstrichen? Nein, sind wir nicht, denn die Autorin beweist mit Bravour, dass so ein Thriller eben auch in Deutschland funktioniert. Und was für ein Thriller das ist!

Tatsächlich wird auch viel gefahren in dem Buch, so dass die Idee des Roadtrips eben einfach nahe liegt, doch auch die außergewöhnlichen Charaktere, die dann auffällig zufällig diesen Thriller bevölkern, haben es mir angetan und gehören definitiv in einen Roadtrip. Dabei ist Dima für mich der uninteressanteste Charakter, gleich gefolgt von November, derjenigen, die Dimas Familie erledigt. Nein, keine Sorge, ich spoilere nicht, das weiß man von Anfang an. Die Nebencharaktere sind es, die diesen Thriller zu etwas besonderem machen. Dabei sind die Polizisten Horst Horst und Kamilla Rosenstock, die widerwillig und auf ganz eigene Art in dem Fall ermitteln. Die dicke Betty und der mit Drogen vollgepumpte Slick, die Dima aufgabeln und als Geisel nehmen, bis Dima die beiden als Geisel nimmt, gefolgt von zwei rothaarigen mysteriösen Zwillingen. Oder auch Simon, der normalste unter allen, der von November als Geisel, Fahrer und Lebensretter genutzt wird.

Zwischen diesen drei Erzählsträngen wird auch immer wieder hin und her geschaltet und nur der Leser weiß oft, wie nah diese Personen sich gegenseitig sind. Einmal folgen wir den beiden Polizisten, die dem Fall hinterherstochern, aber durch gute Intuition schon bald am Geschehen beteiligt sind. Dann wiederum folgen wir Dima, der mit Betty und Slick, auf der Suche nach November und Matilda ist. Und dann noch November und Simon, die in einem Rettungswagen aus den Bergen nach München und zurück gondeln, die wiederum immer auf der Suche nach Dima und Mathilda.

Neben diesen abwechselnd platzierten und ineinander verwobenen Erzählsträngen ist der weitere Aufbau des Thrillers ungewöhnlich, denn neben einem Prolog und der Hauptgeschichte, befinden sich anschließend zwei weitere Teile in dem Thriller: DAVOR und DANACH. Diese offenbaren, logischerweise, was vor der Situation auf dem Rastplatz geschehen ist und wie es nach dem Showdown – und ja, das ist mal wirklich ein Showdown, eleganterweise wieder auf dem gleichen Rastplatz wie zuvor – weitergeht. Dieser Aufbau sorgt aber eben dafür, dass der Showdown schon bei ungefähr 2/3 des Buches passiert – das tut der Spannung allerdings keinen Abbruch, sind doch noch so viele Fragen offen, die eben das DAVOR und DANACH klären.

Ich finde, ein Roadtrip bereitet immer einen ganz besonderen Reiz. Wenn man dies dann noch gelungenerweise in die bayrischen Berge versetzt, ohne das es jemand merkt und eben keine Alphörner sich dialektisch auskotzen oder Ermittler vor sich hingranteln, man dafür aber abgefahrene Karren, ein paar Waffen und Menschen, die nichts zu verlieren haben, hineinsetzt bekommt man eben einen absolut genialen Thriller, made in Germany. Basta.

Fazit:
Knallharter Roadtrip in und aus Deutschland, sowie aus Frauenhand – gibt es nicht? Gibt es eben doch. Und das verdammt gut. Unbedingt lessen!