
Hach, was haben diese Verbrecher nur, dass sie so anziehend sind?
Also natürlich nicht in echt… aber literarisch kann ich den meisten von ihnen durchaus was abgewinnen. Bestes Beispiel hierfür ist Garry Disher’s Wyatt. Ein Einbrecher, der seinesgleichen sucht. Ein Mann, der in der Masse verschwindet, nie lange an einem Ort bleibt. Einer, der sich nicht von großen Mengen blenden lässt, der genau weiß, wieviel Einsatz sich für wieviel Kohle lohnt. Der weiß, welche Aufträge er lieber ablehnt und welche “Kollegen” er eher nicht in seinem Team haben will. Nicht falsch verstehen – Gewalt gehört auch zu seinem Repertoire, aber eben nicht ohne Grund. Aber der Autor kann auch die andere Seite, die gute Seite, die Ritter für Recht und Ordnung. Das beweist er nicht nur mit seinen anderen beiden Reihen um Inspector Challis sowie Constable Hirschhausen. Aber mehr Kitzel für den Leser verspricht doch eher die Gegenseite.
Allerdings – in diesem Wyatt Krimi kombiniert der Autor gekonnt.
Der Begriff “Ponzi-Schema” war mir relativ unbekannt, aber so gut wie jeder kennt ja das Schneeballsystem. Die beiden Systeme funktionieren ähnlich, aber mit wenigen Unterschieden. Am Ende verlieren aber einfach viele ehrliche Leute Geld, während die Gründer des Systems gut absahnen. Es sei denn natürlich, sie werden erwischt. So geschehen bei Jack Tremayne und seinem Partner Kyle Roden. Während Roden schon im Gefägnis schmort, kann sich Tremayne noch rausreden und scheint einen Notgroschen gebunkert zu haben. Dies kommt Wyatt durch seinen Kollegen Sam Kramer zu Ohren. Dieser sitzt zwar gerade im Gefängnis, doch ist gut vernetzt. So dass er Wyatt desöfteren Informationen zuspielt und Wyatt im Gegenzug einen Teil der Beute für Kramers Familie zurücklegt.
Dies hört sich nach einer Win-Win-Situation an… na gut, nicht für Tremayne, aber ihr wisst schon…. Jedenfalls ist es aber natürlich nie so gut, wie es aussieht. Zum einen erfährt Nick Lazar von dem Tremayne Coup und will ein Scheffelchen, am besten aber alles davon, abhaben. Zum anderen taucht Wyatt tatsächlich auf dem Radar der Polizei auf, und zwar bei dem von Vorgesetzten nicht sehr beliebten, aber gründlichen Detective Sergeant Greg Muecke.
Ich gebe zu, ich kenne immer noch nicht alle Wyatt Krimis, wobei ich sie natürlich schön säuberlich in meinem Regal horte, doch das stört die Lektüre des neusten Teils der Reihe keineswegs. Das Ponzi-System von Tremayne ist der Aufhänger, doch natürlich geht es Wyatt einzig und allein darum, Tremayne um seinen millionenschweren Notgroschen zu erleichtern. Dabei ist gar nicht klar, ob er überhaupt millionenschwer ist. Tatsächlich ist Wyatts Arbeit an sich auch nicht super spannend, es geht viel um Observierungen. Nichtsdestotrotz kommt hier Wyatts ganzes Können zum Vorschein, besonders seine Begabung mit der Umgebung zu verschmelzen, quasi unsichtbar zu sein oder auch bei einer kleinen Ungereimtheit, die ihm auffällt, sofort seine Basis aufzugeben und sich zu entfernen.
Und auch wenn der Klappentext eher auf das Ringen zweier Verbrecher – Wyatt und Lazar – um die Millionenbeute anspielt, finde ich das Umkreisen von Wyatt und Muecke viel spannender. Ja, wirklich – ich mag Detective Sergeant Muecke, er ist ein gelungener Gegenpart zu Wyatt. Von seinen Kollegen vermutlich eher als altbacken, pedantisch und vorschriftengetreu verschrien, hat der Mann halt einfach einen guten Riecher. Völlig frei von der Last die Karriereleiter hochfallen zu müssen, macht er saugute Detektivarbeit. Und dabei ist er – auch wenn es sich seltsam anhört – genauso ein Profi wie Wyatt. Es ist ein herrliches Katz und Maus Spiel, welches duch die Nebenfiguren den letzten Schliff erhält und von zwei wichtigen Fragen vorangetrieben wird: hat Tremayne einen Notgroschen und wenn ja, wo?
Fazit:
Ich kann bei den Wyatt Krimis bisher keine Qualitätseinbrüche feststellen, es sind immer gelungene Einblicke in Wyatts Verbrecherleben. Diesmal mit einem galanten Katz-und-Maus-Spiel mit DS Muecke untermalt. Grandiose Krimiunterhaltung!