Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Klassiker: Schwarzgeld – Ross Macdonald

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Ross Macdonald – Schwarzgeld
Verlag: Diogenes
Übersetzer: Karsten Singelmann
368 Seiten
ISBN: 978-3257300406

 

 

 

Schon sehr oft ist es mir passiert, dass ich die beiden Autoren Ross Macdonald und Ross Thomas verwechselt habe. Ist aber auch verzwickt mit dem gleichen Vornamen und Genre. Aber natürlich bedienen die beiden Autoren grundsätzlich ein ganz anderes Subgenre und nun, nach der Lektüre meines ersten Ross Macdonalds wird mir auch die Unterscheidung nicht mehr so schwer fallen. Lew Archer, der Privatdetektiv in Macdonalds Krimis, ist eine Bekanntheit im Krimigenre und dort nicht wegzudenken. So weist man Ross Macdonald die Nachfolgeschaft von Chandler und Hammett an und nennt die Namen in einem Zug, wobei ich persönlich da schon große Unterschiede erkennen kann.

Ginny Fablon trennt sich von ihrem Verlobtem Peter Jamieson und wendet sich dem unbekannten, aber mondänen Francis Martel zu – das kann nicht mit rechten Dingen zugehen, denkt ihr Verlobter und engagiert Privatdetektiv Lew Archer, um herauszufinden, welchen halbseidenen Lebemann Ginny sich da geangelt hat. Ein Fall von enttäuschter Liebe? Archer macht sich auf, um im mondänen Tennisclub nahe Los Angeles herauszufinden, wer Martel ist. Doch dabei findet er nicht nur mehr über Martel heraus, sondern auch über einen Selbstmord, ein paar Affären und viel über die sogenannte bessere Gesellschaft.

Fast schon gruselig, wie gut es Macdonald gelungen ist, die Atmosphäre der 60er Jahre in diesem abgeschotteten Fleckchen der Erde einzufangen. Der Tennisclub, umgeben von den Villen der Reichen und Betuchten, alter Geldadel, der zwar neue Reiche integriert, aber noch lange nicht akzeptiert. Männer in Anzügen, Frauen in eleganten Kleidern, die Sonne brennt und versetzt alles in eine trockene, flirrende Stimmung. Keine Großstadt, keine großen Umbrüche, hier lebt man noch genauso wie vor 20 Jahren, gibt Partys und trifft sich im Tennisclub. Ein beneidenswertes Leben, zumindest auf den ersten Blick.

Denn natürlich brodeln unter der Oberfläche massenweise Geheimnisse und Gerüchte, aber es gibt auch allgemein Bekanntes, über das man eben nicht spricht. Archer stößt auf Affären und Spielsüchtige, Fresssucht und Geldprobleme, findet einen Selbstmord, über den keiner sprechen will und fühlt dem Neuling, Martel, auf den Zahn. Ein charmanter, aber unangenehmer Bursche, in dessen Kielwasser sich aber schon einige Fische tummeln, die die schöne Gesellschaft rund um den Tennisclub gehörig durcheinander wirbeln.

Und wer ist Lew Archer eigentlich? So arg viel erfährt man über den Privatdetektiv eigentlich nicht. Eben nur durch seine Ermittlungen, seine geschickten Fragen, sein hartnäckiges Nachhaken. Eine Beschreibung über Archer sucht man vergebens – es gilt, Archer durch seine Ermittlungsgespräche kennen zu lernen. Einen Vergleich mit Chandlers Philip Marlowe und Hammetts Sam Spade, muss Lew Archer zwar nicht fürchten, doch kann ich die Ermittlungen in der schön-scheinenden Realität des Tennisclubs keinesfalls als Hardboiled bezeichnen. Archer manövriert sich mit Bravour durch die Häuser der Reichen, hardboiled-typische Anzeichen lassen sich kaum finden. Ist aber auch nicht so wichtig, denn die Ermittlungen Archers machen einfach Freude beim Lesen. Es ist eine klassische Privatdetektivgeschichte – zuerst mal gar kein Fall, doch eben genug, um als Privatdetektiv nach und nach die kleinen dreckigen Details der guten Gesellschaft aufzudecken. Ein Genuss, der heute oft seinesgleichen sucht – ein toller Klassiker!

Fazit:
Ein sehr lohnenswerter Klassiker, in dem Privatdetektiv Lew Archer die Steine der feinen Gesellschaft umstülpt und die dunklen Geheimnisse wie kleine Käfer aus dem Licht flüchten. Ein Lesegenuss!

 


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Abschluss des Krimiklassiker Spezial und Gewinnspiel

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Ach, wie schade, dass schöne Sachen irgendwie immer schneller vorüber sind, als schlechte Dinge. So auch die Blogkooperative mit Kaliber.17 zum Krimiklassiker Spezial. 17 Rezensionen und zwei Porträts habt ihr auf unseren Blogs gesehen und gelesen, mit unserer Auswahl an Klassikern. Ein paar kanntet ihr bestimmt schon, ein paar vielleicht nicht und einige haben wir wieder in Erinnerung gerufen. Ich hoffe, Ihr hattet so viel Spaß an dem Spezial wie die Blogger von Kaliber.17 und ich.

Um Euch nun noch die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester zu vertreiben, wird sowohl das Team von Kaliber.17 sowie ich ein Gewinnspiel veranstalten. Bei mir gibt es folgendes zu gewinnen:

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Ein Paket aus den beiden Begründern des Hardboiled-Genres: Der Malteser Falke von Dashiell Hammett und Der große Schlaf von Raymond Chandler. Um das Paket zu gewinnen, habe ich mir ein kleines Kreuzworträtsel ausgedacht, welches gelöst werden kann, wenn man meinen Rezensionen aufmerksam gefolgt ist. Manch eine Frage lässt sich vielleicht auch so lösen, wenn nicht, kann man ja nochmal nachlesen. Das Kreuzworträtsel findet ihr hier anhängend als pdf. Das Lösungswort bzw. die Lösungswörter ergeben eine Aufforderung und auch darauf möchte ich eine Antwort. Keine Sorge, so schwierig ist es nicht. Hier kommt nun erst mal das pdf:

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Wenn ihr die Antworten herausgefunden habt, tragt diese bitte in das folgende Kontaktformular ein:

Der Einsendeschluss ist der 31.12.2015, 23:59 Uhr. Und jetzt bleibt nur noch zu sagen: viel Glück!

Ach ja, und eine Sache wäre da noch: Ich wünsche allen meinen Lesern frohe Weihnachten, ein paar ruhige Tage im Kreise der Familie und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Ich mache vermutlich ein paar Tage Pause und melde mich dann aber auf jeden Fall am 1. Januar 2016 mit einem Jahresrückblick und den Gewinnern des Gewinnspiels zurück!

Das Kleingedruckte
Der Gewinner wird aus allen Teilnehmern ausgelost. Der Name/ Nickname des Gewinners wird nach der Auslosung auf meinem Blog veröffentlicht und der Gewinner außerdem per Email benachrichtigt (bitte denkt also daran, beim Kommentieren eine tatsächlich von euch genutzte Emailadresse zu benutzen). Die Adressdaten des Gewinners werden nur für den Versand benötigt und werden nicht an Dritte weitergegeben. Eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mit der Teilnahme am Gewinnspiel erklärt ihr euch mit diesen Bedingungen einverstanden.


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Die schwarze Dahlie – James Ellroy

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James Ellroy – Die schwarze Dahlie
Verlag: Ullstein
Übersetzer: Jürgen Behrens
496 Seiten
ISBN: 978-3843710220

 

 

 

 

Es kann doch kein Zufall sein, dass James Ellroys „Die schwarze Dahlie“ das Ende des Klassikerspezials bildet, oder? Ellroy ist ganz sicher nicht das Ende der Entwicklung der Kriminalliteratur, doch hat Ellroy das Genre bis an seine Grenzen gebracht, so dass ein wahres Meisterwerk den Abschluss bildet. Wie Ellroy eben so ist, ein Meister auf seinem Gebiet. Und so bietet er einen wahrhaft gelungenen Abschluss des Klassikerspezials, denn hier stellen wir ja ausschließlich Meisterwerke des Genres vor.

Ein brutaler Mord rüttelt die Stadt der Engel auf. Elizabeth Short, von der Presse kurzerhand „Die schwarze Dahlie“ getauft, wird ermordet aufgefunden, gefoltert und in zwei Hälften zerteilt. Die Polizisten Dwight „Bucky“ Bleichert und Leland „Lee“ Blanchard ermitteln in der Sonderkommission und werden von dem toten Mädchen mehr und mehr in Bann gezogen. Vom Staatsanwalt als Unschuld vom Lande stilisiert doch eher eine Hure, reißt die Dahlie die beiden Cops in einen Sumpf aus Korruption, Hass und Verderben.

Realität ist ein Wort, welches ich in meinen letzten Rezensionen oft und gerne gebraucht habe. Aus dem Grund, dass die Hardboiled Autoren es sich eben auf die Fahne geschrieben haben, so realistisch wie möglich zu schreiben. Alle haben das unterschiedlich, aber mit Bravour erledigt, doch James Ellroy setzt dem ganzen nun noch ein Quäntchen oben drauf. Seine Realität ist roher, brutaler; er dehnt die Realität bis an ihre Grenzen, um dem Leser den Begriff Realität um die Ohren zu hauen. Und das begründet sich nicht nur darin, dass ein realer Kriminalfall dem Buch zugrunde liegt, sondern auch in seiner literarischen Umsetzung. Dicht gewebt schreibt Ellroy schonungslos und brutal und liefert ein stimmiges Bild von Kulisse, Charakteren und Handlung.

Die Stadt der Engel, die 40er Jahre, Filmsternchen und Baulöwen – die Geschichte um die beiden Helden Bucky Bleichert und Lee Blanchard setzt Ellroy an einen Ort und in eine Zeit, die ein ganz besonderes Flair ausstrahlen. Eine helle, leuchtende Welt, in der dieser grausige Mord reinplatzt. Doch dieser Dreckfleck auf der schimmernden Weste öffnet einen Einblick in die dreckigen Tiefen der glänzenden Filmstadt und zeigt ihre Verderbtheit.
Zugegeben, es dauert ein wenig, bis der Mord passiert, doch Ellroy nutzt die Zeit, um seinen Protagonisten Bucky Bleichert einzuführen. Bucky und Lee Blanchard tänzeln umeinander, so wie sie es auch als Boxer tun, bis sie schließlich Partner werden. Blanchard ist ganz klar der Anführer des Teams, welches mit Kay Lake, Ex-Gangsterliebchen und Freundin von Blanchard, zu einem Trio mutiert. Sobald die Dahlie auf der Bildfläche erscheint ist klar, dass beide ihre Obsession gefunden haben:

„Und natürlich wurden wir auch Partner. Rückschauend weiß ich [Bleichert], daß der Mann [Blanchard] keine hellseherischen Gaben hatte; er plante ganz einfach energisch seine Zukunft, während ich nur unsicher meiner eigenen entgegentrieb. Doch es war sein wegwerfend vorgebrachtes »Cherchez la femme«, das mich bis heute verfolgt. Denn unsere Partnerschaft führte uns auf den verpfuschten Weg zur Dahlie. Und am Ende war sie es, die vollständig von uns Besitz ergriff.“( S. 18)

Sie brechen Regeln, ermitteln heimlich, vernachlässigen ihre anderen Fälle. Doch Lee ist derjenige, der mehr gefangen ist, dessen Obsession nicht nur das Trio zerstört, sondern auch sein Leben. Die Dahlie lässt aber auch Bucky nicht los.

Die Dahlie, ein unschuldiges Mädchen vom Lande? Eher nicht. Ein Mädchen auf der Suche nach Liebe und Ruhm, zwischen Männern und Filmangeboten, beteiligt an einem Lesbenporno und sich für keinen krummen Filmauftrag zu schade, mit unzähligen Affären. Über die Lesbenszene gelangt Bucky in die Tiefen der Stadt der Teufel, zu den Reichen, den Mächtigen. Filmproduzenten und Baulöwen, Hollywood, schlechtes Baumaterial und Gemauschel unter Freunden. Ein Sumpf aus Korruption und Vergeltung, aus Hass und Liebe, in dem Bucky Bleichert fast ganz verloren geht.

Dass Ellroy ein kleines Meisterwerk geschrieben hat, ist sicher unbestritten. Eine obzessive, verstörende Geschichte um ein totes Mädchen, welche dem Leser nicht gleich alles offenbart, sondern durch komplexe Handlungsstränge zu verschleiern weiß. Das Lesen ist ein Genuss, doch man muss sich auf die verschiedensten Gefühlswelten einstellen. Ellroys schonungslose Darstellung offenbart einem die Brutalität des Verbrechens, zeigt verlorene Helden, mit denen man leidet und macht einen wütend. Sicherlich kein einfacher Krimi, aber einer, der sich nicht nur lohnt, sondern ein Muss für jeden Krimifan ist.

Fazit:
Eine Muss-Lektüre, aber keine Sorge, denn das Lesen ist ein Hochgenuss. Spannend, brutal und obzessiv – die Dahlie fesselt nicht nur Bucky Bleichert, sondern auch den Leser. Top!

 

 

Dies und Das über James Ellroy:
Es ist nicht schwierig, etwas über James Ellroy herauszufinden. Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit „Die schwarze Dahlie“ beschäftigt, ob er nun danach sucht, es liest oder den Film dazu sieht, weiß, dass Ellroys Mutter ermordet wurde, als er 10 Jahre alt war und ihn das nachhaltig beeinflusst hat, so dass er den realen Mord an Elizabeth Short zur Vorlage nahm, die aufgrund ihrer Vorliebe für schwarze Kleidung, die „schwarze Dahlie“ genannt wurde, und diesem Mordfall in seinem Buch eine Auflösung zugutekommen ließ. Mit diesem Buch gelang Ellroy der Durchbruch und danach folgten noch so einige Krimis, die er gerne in Trilogien oder Quartetten schreibt. „Die schwarze Dahlie“ ist Teil 1 des ersten L.A. Quartetts, vielen ist wohl eher „L.A. Confidential“ bekannt, welches auch zu diesem Quartett zählt. Erst dieses Jahr erschien „Perfidia“, der Grundstein zum zweiten L.A. Quartett und bevor ich mir hier die Finger abbreche, um krampfhaft den Text zu füllen, möchte ich Euch lieber ein Interview mit James Ellroy empfehlen, welches Sonja Hartl für den Blog des Polarverlags – Polar Noir – geführt hat, als Perfidia bei uns erschien und viel mehr über James Ellroy verrät als ich je herausfinden könnte:
http://www.polar-noir.de/im-gespraech-james-ellroy/


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Cops leben gefährlich – Ed McBain

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Ed McBain – Cops leben gefährlich
Verlag: Culturbooks
Übersetzer: Ernst Heyda
156 Seiten
ISBN: 978-3959880039

 

 

 

 

Ein Täter hat es auf Cops abgesehen. Zuerst erwischt es Mike Reardon. Die Kugeln zerstören sein Gesicht so, dass seine Kollegen vom 87. Polizeirevier ihn erst gar nicht erkennen. Und Mike Reardon bleibt nicht der einzige Cop aus dem 87. Polizeirevier, auf den es der Killer abgesehen hat. Carella und Bush sind hinter dem Täter her, aber auch die anderen Kollegen des 87. Polizeireviers wollen nichts anderes, als den Kerl zu erledigen. Doch wer erschießt Cops?

„Ein funkelndes Nest ist die Stadt, von pulsierendem Leben erfüllt, erbaut aus kostbaren, leuchtenden Edelsteinen – aber alle diese Gebäude sind nur Dekoration. Mehr nicht. […]
Vor den Häusern, hinter den Häusern und zwischen den Häusern gibt es Straßen.
Und es gibt viel Abfall in diesen Straßen…“ (S. 6-7)

Und um diesen Abfall kümmern sich die vielen Cops der Stadt, unter anderem auch die aus dem 87. Polizeirevier. Der Mord an Mike Reardon lockt die Mordkommission an, doch ist klar, dass das Revier natürlich auch ermittelt, wenn es einen der ihren erwischt. Und was der Leser dann erlebt, ist schlicht und einfach Polizeiarbeit. Von vielen Kollegen. Von einem Team. Es gibt zwar Carella, der die Geschichte zusammen hält, doch die Ermittlungen werden von vielen Kollegen durchgeführt. Da werden die bekannten Verdächtigen aus dem Revier verhört, die Karteikarten nach Haltern von .45ern durchsucht, die Spitzel her zitiert und ausgefragt. Es ist eine Menge Arbeit, zeitaufwendig und akribisch, welche in der brüllenden Sommerhitze in der Stadt, zwischen aufgeheizten Gemütern und langsam versagenden Klimaanlagen, ein Höllenjob ist. Doch ein Polizistenmörder treibt sein Unwesen und dieser muss gestoppt werden. Deshalb kommen die Kollegen vom 87. Polizeirevier immer wieder zusammen, schieben Überstunden, denken Tag und Nacht an Wege und Mittel den Täter zu fangen.

Neben dem Fall erlebt man die Ermittler im Privatleben, wenn man auch immer nur kleine Einblicke bekommt. Da ist Bush, dessen Frau eine unterschwellige Sexualität ausströmt, so dass sogar sein Partner, Carella, abwegige Gedanken durch den Kopf huschen. Und da ist Reardon, dessen Frau immer gemeinsam mit ihm schlafen geht, auch wenn das heißt, tagsüber zu schlafen und nachts auf zu sein. Und da ist Carella selbst, der eine Frau gefunden hat, die er liebt, die taubstumme Teddy, die ihr Glück nicht fassen kann, einen so tollen Kerl abbekommen zu haben. Zugleich herrscht eine Hitze, die das Denken unmöglich macht, die Gedanken zäh wie Kaugummi. Und dann gibt es da diesen Journalisten, Savage, der Unruhe stiftet. Der denkt, er könnte das besser als die Polizisten. Der in ein Wespennest sticht und dann die Hände hebt und sagt, dass hätte er nicht gewusst. Ein Reporter, der ein Interview veröffentlicht, welches er gar nicht hätte veröffentlichen dürfen und damit einen Stein ins Rollen bringt.

Der Krimi hat „nur“ ungefähr 150 Seiten, aber die haben es in sich. Selten habe ich einen so klaren Stil erlebt. Die Dialoge sprühen vor Zynismus und Härte, zeigen aber auch Wortwitz und ein Gespür für die Sprache der Polizisten. Ed McBain begründete ein neues Subgenre, das Police Procedural, den Polizeiroman. Zum ersten Mal ist es nicht ein Privatdetektiv, ein einzelner Ermittler, der den Täter jagt. Es ist ein Team von Ermittlern, von Polizisten. Und damit sind McBains Krimis so realistisch und nah am Geschehen wie möglich. Das Konzept wurde vielfach kopiert, ob nun in nachfolgenden Krimis oder Fernsehserien, doch irgendwie scheint der Gründer in Vergessenheit geraten zu sein. Wie gut, dass der Culturbooks Verlag diese Krimiperlen wieder ausgegraben hat und zumindest einige Teile veröffentlich hat.

Fazit:
Realistischer geht es nicht – Ed McBain gelingt ein Polizeiroman erster Güte und begründet damit ein Subgenre. Ein Könner, der dem Leser ein riesiges Portfolio hinterlassen hat, dass hoffentlich wieder komplett neu aufgelegt wird.

 

Dies und Das über Ed McBain:
Ed McBain ist ein Pseudonym von Evan Hunter, der eigentlich Salvatore Albert Lombino heißt. Als Evan Hunter schrieb er Kinderbücher, Psychothriller und Drehbücher, unter anderem „Die Vögel“ von Alfred Hitchcock. Erfolg hatte er aber als Ed McBain und mit seinem 87. Polizeirevier, mit dem er die Police Procedural begründete. Der einzelne Detektiv, ob nun Superspürnase oder Hardboiled Detektiv, wurde hier durch eine Gesamtleistung ersetzt, die Leistung eines ganzen Polizeireviers. Der Leser erlebt den Polizeialltag hautnah, Realismus pur. 50 Krimis um das 87. Polizeirevier folgten. Doch einen Makel hatte das 87. Polizeirevier – McBain sympathisiert mit seinen Cops, es gibt keinen schlechten, korrupten Cop. Seine Protagonisten sind die guten. Man mag es ihm nachsehen, hat er doch ein Subgenre begründet und uns viele, gute Polizeiromane hinterlassen.


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Der große Schlaf – Raymond Chandler

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Raymond Chandler – Der große Schlaf
Verlag: Diogenes
Übersetzer: Gunar Ortlepp
201 Seiten
ISBN: 978-3257201321

 

 

 

 

Hier ist er – der zweite Klassiker, den ich unbedingt lesen wollte. Endlich wissen, wer Philip Marlowe ist. Genauso wie Sam Spade, ein Name, der in aller Munde ist und eine Tradition von Hardboiled Krimis begründet. Und mir noch unbekannt. Sapperlot! Damit hat es jetzt ein Ende. Endlich kenn ich ihn, den berühmten Philip Marlowe. Und zwar so gut, dass ich unbedingt noch mehr von ihm möchte!

Privatdetektiv Philip Marlowe hat einen neuen Auftrag: General Sternwoods Tochter Carmen wird erpresst. Der geschwächte und an den Rollstuhl gefesselte General engagiert Marlowe, doch neben der Erpressung gibt es noch weitaus interessantere Vorkommnisse in der Familie. Rusty Regan, der Ehemann von Sternwoods zweiter Tochter Vivian und ein Mann, den Sternwood sehr gemocht hat, ist vor einer Weile verschwunden. Gerüchteweise zusammen mit der Frau von Eddie Mars, einem Gangster. Marlowes Auftrag ist die Erpressungsgeschichte, doch er kommt nicht umhin, auch in der Rusty Regan Sache zu ermitteln, als ihn alle mit der Nase darauf stoßen.

Philip Marlowe kann mit seiner locker-zynischen Art nicht nur die Mädels in der Geschichte begeistern, sondern verleiht dem Krimi auch die besondere Note, die mir bei Sam Spade gefehlt hat. Er ist ein harter Brocken, keine Frage, der sich auch hin und wieder der Melancholie hingibt, der Typ Einzelgänger. Zynismus und Ironie, die ab und an aufblitzen und einige lockere Sprüche zutage fördern, gönnt man ihm gerne, weiß man doch, dass er in seinem Inneren einem moralischen Kodex folgt. Hier weiß man von Anfang an, dass Marlowe nicht nur die Erpressungsgeschichte lösen wird, sondern auch das Rätsel um den verschwundenen Rusty Regan. Er ist Privatdetektiv mit Überzeugung, er nimmt keine krummen Aufträge an, ist dadurch oft pleite oder zumindest knapp bei Kasse. Er ist eisern in seinen Vorstellungen, lässt sich auf keine krummen Dinge ein und richtet nach seinen eigenen moralischen Grundsätzen. Gleichzeitig lässt er immer wieder seine weiche Seite durchblicken. Doch einen harten Kerl macht das nur stärker, es macht ihn zu einem Helden. Philip Marlowe ist ein Hardboiled Held ganz nach meinem Geschmack und wird völlig zu Recht als einer der Prototypen des Hardboiled Helden bezeichnet.

Das Frauenbild im Buch ist auch ein wenig besser als bei Dashiell Hammett. Letztendlich muss man sich klar machen, dass der Krimi doch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat und das Frauenbild damals einfach anders war. Nichtsdestotrotz haben wir zwei sehr unterschiedliche Sternwood Töchter. Carmen mimt das laszive Dummchen, welches sich den Männern an den Hals wirft und sich dadurch Macht über die Männer verspricht. Man weist sie natürlich nicht ab. Vivian ist hingegen schon eine starke Frau, die allerdings eine Abhängigkeit zu Eddie Mars hat und eine Spielerin ist. Ein Wildfang ist sie trotzdem und das Verschwinden ihres dritten Ehemanns ein Mysterium.

Die Atmosphäre der 30er fängt Chandler perfekt ein. Es ist ein realistisches Bild der Gesellschaft in Amerika, genauer gesagt in Kalifornien, in den 30ern. Die Szenen zeigen eine Vitalität, die vielen Krimis heutzutage mitunter fehlt. Die Wende in der Kriminalliteratur, die Dashiell Hammett begonnen hat, hat Chandler mit seinem Krimi nur bestätigt. Es geht nicht mehr darum, ein Ermittlergenie hervorzuheben, sondern um ein reales Bild der Wirklichkeit. Ein Ermittler musste her, der auf dem Boden geblieben war. Ein ganz normaler Mann.

„Ich bin nicht Sherlock Holmes oder Philo Vance. Ich schnüffle nicht, nachdem die Polizei schon da war, noch mal am Tatort rum, um ‘ne zerbrochene Füllfeder aufzulesen und ‘nen Fall drauf aufzubauen. Wenn Sie glauben, daß es einen im Detektivgeschäft gibt, der so seine Brötchen verdient, dann kennen Sie die Polente schlecht. So etwas übersehen die nicht, wenn sie was übersehen. Ich will damit nicht sagen, daß sie oft was übersehen, wenn man sie richtig arbeiten läßt. Aber wenn, dann muß es schon etwas wackliger und vager sein…“ (S. 186)

Die Handlung bietet viele Wendungen und Überraschungen und bildet mit dem verschmitzten Philip Marlowe als Hauptfigur eine perfekte Symbiose. Nichtsdestotrotz kann man an einigen Stellen auch schmunzeln und wie auch schon bei Sam Spade, gibt es wieder eine Menge Waffen, die letztendlich bei Marlowe in der Sakkotasche landen. Während mit dem Malteser Falken ein Schatz gejagt wurde, ist die Intension von Chandlers Krimi schon psychologischer. Doch bis man dahin kommt, dauert es noch eine ganze Weile und man folgt Marlowe durch die Wirren, welche die Sternwood Töchter hinterlassen haben. „Der große Schlaf“ ist ein Klassiker, der mich wirklich begeistern konnte und den ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann.

Auch von „Der große Schlaf“ gibt es eine Verfilmung mit Humphrey Bogart (mit dem Titel „Tote schlafen fest“). Der Film hat mir sehr gut gefallen und Bogart als Marlowe war Spitzenklasse. Eins sollte man allerdings erwähnen – der Film endet anders als das Buch. Somit muss man natürlich beides erlebt haben, um auch entsprechend beurteilen zu können.

Fazit:
Der Prototyp des Hardboiled Helden in seiner Geburtsstunde. Philip Marlowes erster Fall lässt einen nicht mehr los und man folgt ihm begeistert bis zur Lösung des Falls. Platz eins meiner Krimiklassiker, den ich nur empfehlen kann.

 

Dies und Das über Raymond Chandler
Nach der Scheidung seiner Eltern zog Chandler mit seiner Mutter nach England. Wie so einige andere Kriminalschriftsteller hat Raymond Chandler eine Reihe von Berufen ausprobiert oder ausprobieren müssen. Er war Beamter im britischen Marineministerium, Journalist, Buchhalter, Soldat der kanadischen Airforce, Vize-Direktor einer Ölfirma und… Autor sowie Drehbuchautor. Am britischen Kriminalroman fand er keinen Gefallen, blutleer und wirklichkeitsfremd fand er ihn. Gut so, denn so schuf er seinen Philip Marlowe, als er begann Kurzgeschichten zu schreiben. Als Chandler seinen ersten Roman „Der große Schlaf“ veröffentlichte wurde er ein Publikumserfolg, doch von den Kritikern verschmäht. Er schrieb noch 6 weitere Romane um Philip Marlowe, doch auch als Drehbuchautor konnte er Erfolge sammeln. Für sein Drehbuch zu „The Blue Dahlia“ wurde er für den Oscar nominiert. Verheiratet war er mit der 18 Jahre älteren Cissy Pascal, deren Tod er nicht verkraften konnte. In den Jahren nach ihrem Tod unternahm er einen Selbstmordversuch und verfiel dem Alkohol, bis er 1959 starb.


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Der Tod auf dem Nil – Agatha Christie

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Agatha Christie – Der Tod auf dem Nil
Verlag: Atlantik Verlag
Übersetzer: Pieke Biermann
320 Seiten
ISBN: 978-3455650020

 

 

 

Wenn man an Agatha Christie denkt, ist „Der Tod auf dem Nil“ wohl einer der ersten Krimis, der einem im Kopf schwirrt, wenn nicht gar der erste überhaupt. Das mag an Sir Peter Ustinovs genialen Verkörperung des Hercule Poirot liegen, aber ich hoffe doch auch an dem Buch, denn so gut Sir Ustinov es umsetzt, es gibt doch einige Unterschiede und es wäre schade, wenn man „nur“ den Film kennen würde.

Aber wer von uns kennt ihn, Hercule Poirot, nicht? Der kleine, elegante Belgier, der nur zu häufig für einen Franzosen gehalten wird und dies immer wieder berichtigen muss. Mit einem beeindruckenden Schnurrbart und vielen kleinen grauen Zellen ausgestattet, ist er stolz auf seine Fähigkeit Fälle zu lösen und beweist das immer wieder. Ein wenig eingebildet ist er schon, aber immer ausgesucht höflich, auch wenn er es versteht, gekonnt in Wunden zu stochern.

Eine Gesellschaft aus den verschiedensten Persönlichkeiten trifft sich auf der „Karnak“, einem Dampfer, zu einer Nilkreuzfahrt. Hercule Poirot möchte gerne ein wenig ausspannen, doch dann wird Linnet Ridgeway ermordet aufgefunden. Linnet war die reichste Reisende – nicht nur in Gelddingen, denn sie war auch auf Hochzeitsreise mit Simon Doyle, den sie ihrer Freundin ausgespannt hat, die sich auch auf dem Dampfer befindet. Mit dabei sind mehr oder minder zufällig ihr Vermögensverwalter, Bekannte oder andere, die Linnet ihren Reichtum nicht immer gegönnt haben. Doch wer hat sie ermordet?

Zugegeben, am Anfang muss der geneigte Krimileser schon ein wenig Muse mitbringen, denn bevor der Mord passiert, werden erst mal alle Charaktere eingeführt. Mehr oder weniger ausführlich, aber immer schon abwechselnd und da wir von einigen reden, muss man schon an der Geschichte dran bleiben. Auch das Zusammentreffen auf der „Karnak“ dauert ein Weilchen, bevor dann nach ca. 120 Seiten der Mord passiert. Nun könnte man denken, warum dauert das denn so lange, aber Agatha Christie stellt uns die Charaktere nicht nur einfach so vor. Wir sehen viele Beweggründe und Hintergründe bis dann alle erst mal auf dem Schiff zusammenführt werden. Es ist ein kontinuierlicher Spannungsaufbau in der Vorstellung der Charaktere, der seine erste Explosion im Mord an Linnet Ridgeway erhält, bevor es zum nächsten Spannungsaufbau kommt – der Ermittlung.

Als Belgier und bekannter Privatdetektiv hat Poirot hier eine Position, die es ihm erlaubt, sämtliche Standesgrenzen zu ignorieren und trotzdem nicht unangenehm aufzufallen, sondern sogar von den meisten bewundert oder gemocht zu werden. Von der reichen Schriftstellerin über die Lady mit ihren Gesellschafterinnen, vom Vermögensverwalter bis zum Schiffsjungen. Das Schiff mit seinen Landausflügen bietet dabei die exotische Kulisse, ohne welche die Auswahl der Personen zu vergrößern. Wie auf einem Landsitz ist auch hier ein bestimmter Personenkreis verdächtig und muss den Mord begangen haben. Vom Aufbau her ist „Der Tod auf dem Nil“ also ein klassischer Whodunit.

Poirots Adjutant ist Colonel Race, der in einem geheimen Auftrag auf dem Schiff weilt und bei der Ermittlung kräftig unterstützt. Die Hauptverdächtige hat ein Alibi – also wer war es? Wie das so Poirots Art ist, befragt er Zeugen, gibt ab und an kryptische Bemerkungen von sich und behauptet dann, den Täter schon seit einer Weile zu kennen und nur den Tathergang zu rekonstruieren. Meist knobelt er an einem kleinen Stückchen – doch ohne dies gibt er den Täter nicht bekannt.

„Sie denken, ich tummele mich zum Spaß auf Nebenschauplätzen. Und das ärgert Sie? Aber so ist es nicht. Ich war mal beruflich bei einer archäologischen Expedition dabei – und da habe ich etwas gelernt. Wenn etwas ausgegraben wird, wenn etwas aus der Erde hochgeholt wird, dann wird die ganze Umgebung sorgfältig leergefegt. Man entfernt lockere Erde, man gräbt da und dort mit dem Messer, und schließlich hat man sein Objekt, allein für sich, bereit, gezeichnet oder fotografiert zu werden, ohne dass irgendetwas dazwischenkommt, was nicht da hingehört. Das habe ich hier auch versucht – alles, was da nicht hingehört, wegzufegen, damit wir die Wahrheit sehen können – die nackte, blanke Wahrheit.“ (S. 246-247)

Und so offenbaren sich nach und nach all die kleinen Geheimnisse der feinen Gesellschaft und befriedigt damit seine Leser, bis er sich zum großen Finale aufschwingt. Ich habe „Der Tod auf dem Nil“ schon ein-, zweimal gelesen und auch den Film gesehen, aber ich bin mit dem Fluch/Segen behaftet, dass mir die meisten Auflösungen wieder entfallen und so war ich auch diesmal überrascht ob der genialen Auflösung des Falles und habe glücklich und zufrieden das Buch zugeklappt.

Fazit:
Auch wenn man sich am Anfang an viele Personen gewöhnen muss und es eine Weile dauert, bevor der Mord passiert, ist „Der Tod am Nil“ eine kriminalistische Wundertüte: ein exotisches Setting, ein Potpourri an Verdächtigen und ein genialer Poirot in einer klassischen Whodunit Ermittlung. Bien!

 

Dies und Das über Agatha Christie

Über Agatha Christie ist schon viel geschrieben worden und meine Doktor Who Karte hab ich ja schon ausgespielt. So bleibt mir heute nur zu erwähnen, dass ich noch zwei kleine Fakten herausgefunden habe, die ihr vielleicht doch noch nicht kennt: Agatha Christie versuchte sich angeblich am Surfen und die New York Times veröffentlichte zu Poirots Tod einen Nachruf – auf der Titelseite!

 

Herzlichen Dank an den Atlantik Verlag für die Bereitstellung des Krimis.


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Maigret und der gelbe Hund – Georges Simenon

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Georges Simenon – Maigret und der gelbe Hund
Verlag: Diogenes
Übersetzer: Raymond Regh
176 Seiten
ISBN: 978-3257238068

 

 

 

 

Bei Georges Simenon fiel es mir schwer, den Klassiker zu bestimmen. Und letztlich habe ich das auch nicht getan, da ich denke, dass es hier nicht einen Klassiker gibt, sondern Maigret an sich der Klassiker ist. Aktuell erschienen sind seine „Reisebücher“ und so machte ich mich mit Maigret auf in die Bretagne, genauer gesagt nach Concarneau, auf die Spuren des gelben Hundes.

Eines Abends macht sich der allseits beliebte Weinhändler Mostaguen auf den Heimweg von der üblichen Stammtischrunde – Le Pommeret, Dr. Michoux und Servieres, ein Journalist – im Hotel de l’Admiral und wird aus dem Briefkastenschlitz eines Nachbarhauses angeschossen. Als am nächsten Tag Maigret gemeinsam mit Inspektor Leroy zur Ermittlung erscheint geschieht schon das nächste Verbrechen: Strychnin im Pernod. Und so häufen sich die Verbrechen nach und nach – sogar ein Mord geschieht. Doch wer war es – und warum so viele verschiedene Verbrechen?

Um ganz ehrlich zu sein, war ich mit Maigret eine ganze Weile unzufrieden. Fast schon wie der Bürgermeister, der ihn ständig triezt, Ergebnisse zu liefern und nachzufragen, was er eigentlich den lieben langen Tag so macht. Warum tut der denn nichts? Er sieht sich alles an und schickt seinen Inspektor los, um hier und da Spuren einzusammeln (die er nie wieder anschaut), aber irgendwie passiert nicht viel. Also, es passiert schon einiges, nur Maigret rührt sich nur selten in Richtung Ermittlung.

„Sie werden entschuldigen, Herr Bügermeister, dass ich Sie bei meinen Ermittlungen nicht auf dem Laufenden gehalten habe. Aber als ich hier eintraf, wurde mir klar, dass das Drama erst am Anfang stand. Um seine Fäden zu entwirren, musste man ihm erst ermöglichen, sich zu entwickeln, und man musste dabei Schäden möglichst zu vermeiden suchen“ (S.171)

Da ist Kommissar Maigret schon sehr eigen. Lieber mal erst ansehen, etwas Essen oder ein Pfeifchen genießen und abwarten, was so geschieht. Es könnte ja nicht nur wichtig sein, es ist wichtig. Und so folgt der Leser Maigrets Auge, ohne seine Gedanken zu kennen. Er führt auch keine Befragungen durch, er unterhält sich einfach ein wenig, wenn er angesprochen wird, eher selten geht die Initiative von ihm aus. Er beobachtet und denkt. Ja, schon klar, in unserer heutigen Kriminalliteratur ist das nicht mehr oft gefordert, man darf doch recht häufig den Gedankenergüssen des Ermittlers folgen. Doch hier heißt es ruhig Blut (übrigens so ganz ohne Blut) und fesselt den Leser ganz einfach mit einer liebevollen Atmosphäre, genau ausgearbeiteten Figuren und der Frage: was denkt Maigret jetzt wohl, wer der Täter ist.

Zusätzlich ist das Buch durchzogen mit einer leichten, aber deutlichen Kritik an der oberen Schicht der Gesellschaft und einer sympathisierenden Darstellung der Arbeiter, kleinen Leute und Vagabunden. Für wen Simenons Herz schlägt ist glasklar und er hält der Gesellschaft der 30er Jahre einen Spiegel vor.

Derweil also Maigret grübelt, ist das ganze Dorf in heller Aufregung, die Verbrechen sich häufen und der Bürgermeister rot anläuft. Und es wird tatsächlich ein Verdächtiger gefunden – den Maigret mit einem müden Lächeln abtut. Der kann es nicht gewesen sein. Ach, und warum nicht? Nun, diese Erklärung bleibt uns Maigret schuldig, bis er am Ende des Buches in traditioneller Manier alle Beteiligten (und ja, auch den Bürgermeister) an einen Ort holt und die Geschichte entwirren lässt und selbst entwirrt.

Fazit:
Wer nur spannende Pageturner liest, der mag hier falsch sein. Wer aber feine Krimikost in traditioneller Art mit vielen versteckten Feinheiten schätzt, der wird an Maigret und seinen Fällen seine wahre Freude haben.

 

 

Dies und Das über Georges Simenon
Georges Simenon kam aus ärmlichen Verhältnissen, doch seine Berufswünsche waren vielfältig: vom Priester zum Minister, vom Offizier zum Mitglied der Académie Française. Letztendlich wurde er Gehilfe in einem Buchladen. Und dann Konditor. Privatsekretär und Reisebegleiter. Bevor er zur Schriftstellerei fand. Zuerst bei einer Zeitung, danach als Autor von Groschenromanen; frivolen Erzählungen en masse. Erst 1931 erblickte der erste Maigret Roman das Licht der Welt. Simenon ist ein Vielschreiber und ein Schnellschreiber. Er veröffentlichte weit über 200 Bücher, mehr als 80 Maigret Krimis – von der Menge der Erzählungen aus seiner Anfangszeit ganz zu schweigen. Meistens brauchte er für ein Buchmanuskript nur 8-10 Tage und Korrektur lesen wollte er nicht. Entweder sei der Text etwas geworden oder nicht – herum feilen wollte er nicht mehr. Wenn sich das jemand erlauben konnte, dann er, denn ein Maigret ist hohe Kunst – und das ganz ohne Korrektur.


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Mord im Pfarrhaus – Agatha Christie

9783455650075
Agatha Christie – Mord im Pfarrhaus
Verlag: Atlantik Verlag
Übersetzerin: Irmela Brender
272 Seiten
ISBN: 978-3455650075

 

 

 

Ein wenig geärgert habe ich mich schon. Da habe ich „Mord im Pfarrhaus“ für das Klassiker-Special ausgesucht, weil es der erste Miss Marple Krimi ist und dann – dann ist Miss Marple gar nicht die Protagonistin! Aber natürlich trotzdem unverzichtbar. Und eben ein guter Startpunkt für weitere Krimis mit der schrulligen alten Lady!

Im kleinen St. Mary Mead wird im Arbeitszimmer des Pfarrers der nicht sehr beliebte Colonel Protheroe ermordet. Da müssen die Klatschbasen des Ortes ganz schön stauen. Wissen sie sonst von allem, sind sie jetzt nur voll von Gerüchten, wer den Colonel auf dem Gewissen hat. Nicht so Miss Jane Marple, die schon mal 7 Verdächtige benennen kann, aber nicht wird. Pfarrer Clement, der den Fall gerne auflösen möchte, da der ermittelnden Kommissar nicht als der kompetenteste erscheint und er dem Ermordeten davor auch nicht das Beste gewünscht hat, fängt an zu ermitteln. Doch natürlich fehlt am Ende eines zur Auflösung: Miss Jane Marple!

„Ich weiß, in Büchern ist es immer die unwahrscheinlichste Person. Aber nach meiner Beobachtung trifft diese Regel nie auf das wirkliche Leben zu. So oft stimmt gerade das Naheliegende.“ (S. 209)

Ein verschlafenes Nest ist St. Mary Meads. Der Pfarrer ist ein Dreh- und Angelpunkt und der Blumenschmuck für die Kirche natürlich immens wichtig. Doch neben all der Verschlafenheit gibt es auch hier Intrigen und Heimlichkeiten, gute und schlechte Menschen und massenweise boshafte Zungen, die Gerüchte verbreiten. Ein typisches kleines Nest eben. Colonel Protheroe war ein Ekel und keiner konnte ihn leiden, doch wer hat ihn umgebracht?

Die Ermittlung wird von Kommissar Slack geleitet, der gleich mal dem Pfarrer auf den Schlips tritt, so dass dieser ermittelt. Ist sowieso das Beste, denn bei Pfarrer Clement und seiner jungen Frau laufen irgendwie alle Informationen zusammen. Auch die Klatschbasen des Örtchens, nebst Miss Marple, flanieren durchs pfarrhäusliche Wohnzimmer. Da Miss Marple nebenan wohnt, ist sie auch gut versorgt mit Informationen und hat vor allem auch einiges gesehen und gehört als der Mord passierte. Im Gegensatz zu den restlichen alten Damen ist sie zwar auch an Klatsch und Tratsch interessiert und unheimlich neugierig, weiß aber durchaus Gerücht von Wahrheit zu trennen und neigt nicht zum Klatsch, sondern zu durchdachten Schlussfolgerungen. Der Pfarrer, der bald heillos mit dem Fall überfordert ist und nicht so recht aus manchen Informationen schlau wird – auch wenn er sich redlich Mühe gibt – holt sich dann doch irgendwann Miss Marple zu Hilfe.

Ja, ein wenig beschaulich ist der Krimi schon. Schließlich befinden wir uns in einem englischen Dörfchen, auch wenn hier ein Mord passiert ist (den übrigens niemand bedauert). Überhaupt scheint mir der Beruf des Pfarrers immer ein sehr beschaulicher zu sein (jedenfalls in Krimis und die Zeit mag wohl auch damit zusammen hängen). Da macht man Hausbesuche oder hat das Kirchenkomitee zum Kaffee geladen und am Sonntag hält man dann seine Predigt. Der Mord ändert daran nicht viel – nur das Gesprächsthema.

Es ist eine klassische Ermittlung, die uns Agatha Christie aus Sicht des Pfarrers miterleben lässt. Man hat auch keine anderen Einblicke und immer nur so viel Wissen wie der Pfarrer, so dass man als Leser schön mit rätseln kann. Der Pfarrer ist dabei nicht immer die treibende Kraft, denn vieles wird ihm einfach zugetragen, aber irgendwann packt es ihn vollständig und er will jetzt dann wissen, wer es war. Letztendlich braucht er dazu aber doch die Hilfe von Miss Jane Marple!

Fazit:
Ein klassischer Whodunit rund um Pfarrer Clement im beschaulichen St. Mary Meads, der aber (zum Glück) nicht ohne Miss Jane Marple auskommt!

 

Dies und Das über Agatha Christie
Krimis von Agatha Christie sind die meist verkauften Bücher – nach der Bibel. So ist es nicht verwunderlich, dass das Interesse an der Person Agatha Christie nicht nachgelassen hat. Immer wieder wenn ich etwas über sie lese, knoble ich am meisten an ihrem Verschwinden. 1926 verschwindet die „Queen of Crime“ für 10 Tage spurlos. Das Auto wurde an einem Abhang gefunden, Agatha Christie jedoch nicht. Eine riesige Suchaktion folgte, bis sie wohlbehalten und quietschfidel in einem Hotel in Harrogate erkannt wurde. Vermutlich die Aktion einer verletzten Ehefrau, deren Mann ihr gerade eröffnet hatte, dass er sich wegen einer anderen von ihr scheiden lassen wollte. Offiziell flüchtete sich Ms. Christie in eine vorübergehende Amnesie. Wer aber Lust daran hat, eine spannendere Auflösung des Rätsels um Agatha Christies Verschwinden kennenzulernen, dem sei die Episode „Das Einhorn und die Wespe“ der 4. Staffel von Doktor Who empfohlen – da gibt es die wahre Auflösung. :-D

 

Herzlichen Dank an den Atlantik Verlag für die Bereitstellung des Krimis.


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Der Malteser Falke – Dashiell Hammett

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Dashiell Hammett – Der Malteser Falke
Verlag: Diogenes
Übersetzer: Peter Naujack
235 Seiten
ISBN: 978-3257201314

 

 

Neulich hab ich feststellen müssen, dass es doch tatsächlich Leute gibt, denen der Begriff „Malteser Falke“ nichts sagt. Ich hab „Der Malteser Falke“ zwar jetzt auch zum ersten Mal gelesen (ja, ein wenig schäme ich mich schon), aber natürlich war mir der Titel und der Autor geläufig und schließlich gibt es hier auch noch einen Filmklassiker mit Humphrey Bogart. Eine gute Sache hat es jedoch auf jeden Fall: mit dieser Rezension erreiche ich jetzt genau zumindest einen Follower, der heute etwas Neues lernt.

Privatdetektiv Sam Spade und sein Partner Archer werden von Brigid Wonderly engagiert, ihre Schwester aus den Klauen von Thursby zu befreien, der diese aus der wohlbehüteten Obhut „entführt“ hat. Am nächsten Tag sind sowohl Thursby als auch Archer tot. Brigid Wonderly heißt nicht Brigid Wonderly und die Geschichte mit der Schwester ist an den Haaren herbei gezogen. Doch das wusste Spade schon. Viel wichtiger ist, was eigentlich hinter der Geschichte steckt und Spade sowohl Brigid als auch den weiteren Beteiligten Stück für Stück aus der Nase ziehen muss. Eine Jagd ist es, in die er da hinein geraten ist. Die Jagd nach dem Malteser Falken!

Schon lange wollte ich die beiden Begründer des Hardboiled Genres – Dashiell Hammett mit seinem Sam Spade und Raymond Chandler mit seinem Philip Marlowe – lesen und kennen lernen. Wie gut, dass mir das Spezial endlich die Möglichkeit gegeben hat und ich hier reinschnuppern konnte. Im Vergleich – der natürlich allerdings nur auf den zweien von mir gelesenen Büchern basiert – gefällt mir Marlowe ein kleines bisschen besser als Spade, aber wieso eigentlich?

Ganz einfach: Bei Sam Spade weiß der Leser bis zum Schluss nicht, woran er eigentlich ist. Ermittelt der Privatdetektiv, um den Fall zu lösen und die Mörder zu überführen oder will er sich ganz einfach sein Stück vom Malteser Falken holen? Spade lässt sich nicht in die Karten schauen und begegnet der Welt mit ironischem Zynismus. Der Tod seines Partners lässt ihn kalt und auch für Brigids Flehen hat er kein rechtes Ohr, sondern steht mal vor ihr, bis er es für nötig hält, sie vor sich zu schieben.

„‘Zu denen[=Polizei] gehen“‘ rief er mit vor Wut lauter Stimme. ‚Die haben mich schon seit heute früh um vier gelöchert und mir den letzten Nerv getötet! Ich hab mir Gott weiß wie viel Mühe gegeben, sie abzuwimmeln. Und wofür? Für irgend so eine verrückte Idee, daß ich Ihnen [Brigid] helfen könnte! Ich kann’s nicht. Ich werd’s nicht mal versuchen.‘ Er setzte sich den Hut auf und drückte ihn fest. ‚Zu denen gehen? Ich brauch ja bloß stillzustehen, und schon schwärmen sie nur so um mich herum! Na, ich werd ihnen erzählen, was ich weiß, und Sie müssen dann eben sehen, wie Sie klarkommen.‘“ (S.45)

Gegenüber Frauen ist er sowieso ein Macho, denn abgesehen vom Bett sind die „Schätzchen“ kaum zu gebrauchen. Ein sympathischer Kerl sieht also definitiv anders aus. Aber genau das macht doch einen Hardboiled Helden aus, nicht? Der muss gar nicht unbedingt sympathisch sein, um zu begeistern. Spade ist ein harter Hund und genau richtig aufgehoben in der Jagd nach dem Falken. Der Leser muss ihn nicht mögen und tut es mitunter vermutlich auch nicht, aber beeindruckt ist er bestimmt.

Die Atmosphäre, die Hammett schafft, besticht. Es sind die 20er/30er, die er so ins Papier gepresst hat, dass die Geschichte die Atmosphäre atmet. Männer, in langen Mäntel mit Hüten, an ihrer glimmenden Zigarette ziehend; Damen, elegant und zugleich ein wenig verrucht, Gangster und Ganoven, Privatdetektiv und Polizei – die Charaktere vervollständigen die Geschichte. Man sieht die Autos, die Straßen San Franciscos, die Orte vor sich entstehen. Obwohl er gar nicht viele Beschreibungen liefert, braucht man nur die Augen zu schließen, um ein Bild vor Augen zu haben. Den Film habe ich mir erst danach angesehen, doch so hervorragend umgesetzt habe ich selten ein Buch gesehen. Nicht nur, dass die Geschichte exakt überein stimmt, nein, auch Bogart als Spade und die Atmosphäre hat der Film perfekt in Szene gesetzt.

Die Jagd nach dem Falken ist ein Verwirrspiel. Man kann nie wissen, wer gerade auf welcher Seite steht und Spade steht den anderen Beteiligten in nichts nach. Es gibt kein Gut und kein Böse – die Grenzen verwischen und ein jeder hat beides in sich vereint. Die unscheinbare, schwarze Statuette eines Falken, die unglaubliche Reichtümer beinhalten soll, bringt Gangster und Trickbetrüger hervor, denen die Gier in den Augen funkelt. Doch auch wenn man Spade den ganzen Krimi hindurch skeptisch beäugt, bleibt er seiner Vorreiterrolle als Hardboiled-Held treu. Einem echten Kerl kann man eben vertrauen, auch wenn die Schale noch so hart ist.

Fazit:
Sam Spade hat sich seinen Platz im Krimi-Olymp wahrhaft verdient. Ein jeder Fan von Hardboiled Krimis sollte sich den Malteser Falken irgendwann zu Gemüte führen. Eine klare Leseempfehlung!

 

 

Dies und Das über Dashiell Hammett:
Umso mehr ich über Dashiell Hammett suche, umso öfter treffe ich auf – Lillian Hellman, die Liebe seines Lebens und eine äußerst interessante Frau. In einem Club soll sie Hammett am Arm gepackt haben, als er auf dem Weg zur Toilette war, und die ganze Nacht diskutiert haben. Eine wilde Ehe führten die beiden, hin und wieder auch eine On-Off-Beziehung und nie verheiratet. Sie liebten sich, sie soffen und sie stritten. Ein gelebtes Leben. Und so hielt die Liebe ein halbes Leben lang. Hammett widmete ihr „Der dünne Mann“, doch kurz danach schrieb er keine Krimis mehr, sondern widmete sich der Filmindustrie. Hammett als auch Hellmann waren Linke und vertraten die kommunistischen Ideale sogar soweit, dass Hammett im Gefängnis landete (Zeugnisverweigerung) und sein Vermögen darunter sehr litt, so dass er letztendlich als armer Mann starb, doch mit einer kriminellen Hinterlassenschaft, von der noch heute Leser der ganzen Welt reden.


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Father Browns Einfalt – G. K. Chesterton

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G.K. Chesterton – Father Browns Einfalt
Verlag: insel
Übersetzer: Hanswilhelm Haefs
325 Seiten + Nachwort
ISBN: 978-3458350286

 

 

 

 

Ein jeder kennt wohl Heinz Rühmann als Pater Brown in den Verfilmungen von G.K. Chestertons „Father Brown“. Doch so viel hat die Rühmann-Umsetzung nicht mit dem Original zu tun, angefangen beim Titel, denn das englische Father ist bei uns mit Hochwürden zu übersetzen und nicht mit Pater, welches einen Ordensgeistlichen beschreibt. Und so lohnen die Father Brown allemal einen Blick, auch wenn man die Filme gesehen hat.

Die rund 50 Geschichten um Father Brown wurden in fünf Sammelbänden veröffentlicht und ich habe mir „Father Browns Einfalt“ ausgesucht und hier erst mal 4 Geschichten gelesen. Und zwar folgende:
Das blaue Kreuz
Valentin jagt den Meisterverbrecher Flambeau – doch was macht dieser mit dem kleinen, rundlichen Geistlichen?
Der unsichtbare Mann
Ein Mann wird ermordet – doch mehrere Personen bezeugen, dass niemand die Wohnung betreten hat – war es ein unsichtbarer Mann?
Der Hammer Gottes
Ein Bruder stirbt und ein Schuldiger ist schnell gefunden – doch Father Brown sieht das ganz anders.
Die drei Werkzeuge des Todes
Erschossen, erhängt oder erdolcht? Anscheinend war Sir Armstrong so unbeliebt, dass er gleich mit drei Methoden ermordet wurde.

Genau beschrieben wird Father Brown in diesen Geschichten kaum, er ist klein und gedrungen, ich stelle ihn mir eher rundlich vor. Und eigentlich immer mit einem neugierigen oder leicht amüsierten Ausdruck im Gesicht. Er ist ein Geistlicher, aber gleichzeitig auch ein Philosoph. Ihm geht es nicht darum, dass die Verbrecher der Gerechtigkeit zugeführt werden, ihm ist es lieber, wenn ein Täter seine Taten einsieht und dafür Reue empfindet. In ihm verbindet sich Glaube und Vernunft, ganz ohne Widerspruch.

„Auf Erden räumt nur die Kirche allein der Vernunft ihre wahre Hoheit ein. Auf Erden bekräftigt nur die Kirche allein, daß Gott selbst durch die Vernunft gebunden ist.“ (Das blaue Kreuz, S. 31)

Den philosophischen Aspekt muss man wohl mögen oder zumindest nicht ganz abgeneigt sein, denn Glaube und Philosophie waren Chesterton sehr wichtig. Ich habe mir allerdings sagen lassen, dass die späteren Geschichten dann mehr Fokus auf den kriminellen Aspekt legen, als Chesterton merkte, dass Father Brown als Ermittler sehr gut bei den Lesern ankam. Obwohl der Leser nie in Father Browns Denken Einblick hat, merkt man schon bald, dass er einen ganz anderen Blick auf Dinge hat, als die anderen Menschen. Auch wenn er Geistlicher ist, ist sein Denken freier, er öffnet sich ungewöhnlichen oder auch absurden Lösungen, weil es eben eine Lösung geben muss, auch wenn sie noch so unkonventionell oder abstrus ist.

Da ist es fast schon schade, dass die Geschichten, welche ich nun gelesen habe, oft ohne Father Brown beginnen und er meist erst spät in Erscheinung tritt. Man fragt sich manchmal schon, wann der viel gerühmte Father Brown denn nun endlich auftaucht. Dies nimmt den Geschichten aber keinesfalls die Skurrilität. Alle vier Geschichten waren herrlich absurd und zum Teil fast schon komisch an einigen Stellen. Da wundert man sich, lächelt amüsiert und schüttelt den Kopf vor Staunen, bis dann Father Brown auftritt und mal recht schnell, mal nach und nach, den Fall auflöst. Nicht immer wird er ernst genommen, doch wer ihn kennt, schätzt ihn sehr, wie z. B. Detective Valentin oder auch – ein wenig später – Flambeau.

Fazit:
Jeder Krimifan sollte zumindest mal eine Father Brown Kurzgeschichte gelesen haben, am besten aber natürlich noch mehr. Father Brown löst nicht nur die Fälle mit viel Geschick und Weisheit, sondern die Fälle sind auch immer skurril und humorig, so dass die Geschichten viele Geschmäcker treffen.

 

Dies und Das über G.K. Chesterton
Um die 50 Geschichten über Father Brown veröffentlichte G. K. Chesterton, doch dies ist nur ein kleiner Teil seines Schaffens, auch wenn die Kurzgeschichten seine bekanntesten Werke sind. Schon seltsam, dass Chesterton mit einem katholischen Geistlichen den meisten Erfolg hat, wo er doch als Unitarier erzogen wurde, bevor er zum Katholizismus wechselte. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, sein Leben zu genießen. Ein Gourmet soll er gewesen sein und Zigarren geraucht haben. Mit George Bernand Shaw verband ihn eine tiefe Freundschaft, die aber auch öffentliche Streitgespräche beinhaltete. Übrigens, die beiden sollen in einem Stummfilm Cowboys gemimt haben – leider ist der Film nie veröffentlicht worden und damit eine unbestätigte Anekdote.