Ross Macdonald – Schwarzgeld
Verlag: Diogenes
Übersetzer: Karsten Singelmann
368 Seiten
ISBN: 978-3257300406
Schon sehr oft ist es mir passiert, dass ich die beiden Autoren Ross Macdonald und Ross Thomas verwechselt habe. Ist aber auch verzwickt mit dem gleichen Vornamen und Genre. Aber natürlich bedienen die beiden Autoren grundsätzlich ein ganz anderes Subgenre und nun, nach der Lektüre meines ersten Ross Macdonalds wird mir auch die Unterscheidung nicht mehr so schwer fallen. Lew Archer, der Privatdetektiv in Macdonalds Krimis, ist eine Bekanntheit im Krimigenre und dort nicht wegzudenken. So weist man Ross Macdonald die Nachfolgeschaft von Chandler und Hammett an und nennt die Namen in einem Zug, wobei ich persönlich da schon große Unterschiede erkennen kann.
Ginny Fablon trennt sich von ihrem Verlobtem Peter Jamieson und wendet sich dem unbekannten, aber mondänen Francis Martel zu – das kann nicht mit rechten Dingen zugehen, denkt ihr Verlobter und engagiert Privatdetektiv Lew Archer, um herauszufinden, welchen halbseidenen Lebemann Ginny sich da geangelt hat. Ein Fall von enttäuschter Liebe? Archer macht sich auf, um im mondänen Tennisclub nahe Los Angeles herauszufinden, wer Martel ist. Doch dabei findet er nicht nur mehr über Martel heraus, sondern auch über einen Selbstmord, ein paar Affären und viel über die sogenannte bessere Gesellschaft.
Fast schon gruselig, wie gut es Macdonald gelungen ist, die Atmosphäre der 60er Jahre in diesem abgeschotteten Fleckchen der Erde einzufangen. Der Tennisclub, umgeben von den Villen der Reichen und Betuchten, alter Geldadel, der zwar neue Reiche integriert, aber noch lange nicht akzeptiert. Männer in Anzügen, Frauen in eleganten Kleidern, die Sonne brennt und versetzt alles in eine trockene, flirrende Stimmung. Keine Großstadt, keine großen Umbrüche, hier lebt man noch genauso wie vor 20 Jahren, gibt Partys und trifft sich im Tennisclub. Ein beneidenswertes Leben, zumindest auf den ersten Blick.
Denn natürlich brodeln unter der Oberfläche massenweise Geheimnisse und Gerüchte, aber es gibt auch allgemein Bekanntes, über das man eben nicht spricht. Archer stößt auf Affären und Spielsüchtige, Fresssucht und Geldprobleme, findet einen Selbstmord, über den keiner sprechen will und fühlt dem Neuling, Martel, auf den Zahn. Ein charmanter, aber unangenehmer Bursche, in dessen Kielwasser sich aber schon einige Fische tummeln, die die schöne Gesellschaft rund um den Tennisclub gehörig durcheinander wirbeln.
Und wer ist Lew Archer eigentlich? So arg viel erfährt man über den Privatdetektiv eigentlich nicht. Eben nur durch seine Ermittlungen, seine geschickten Fragen, sein hartnäckiges Nachhaken. Eine Beschreibung über Archer sucht man vergebens – es gilt, Archer durch seine Ermittlungsgespräche kennen zu lernen. Einen Vergleich mit Chandlers Philip Marlowe und Hammetts Sam Spade, muss Lew Archer zwar nicht fürchten, doch kann ich die Ermittlungen in der schön-scheinenden Realität des Tennisclubs keinesfalls als Hardboiled bezeichnen. Archer manövriert sich mit Bravour durch die Häuser der Reichen, hardboiled-typische Anzeichen lassen sich kaum finden. Ist aber auch nicht so wichtig, denn die Ermittlungen Archers machen einfach Freude beim Lesen. Es ist eine klassische Privatdetektivgeschichte – zuerst mal gar kein Fall, doch eben genug, um als Privatdetektiv nach und nach die kleinen dreckigen Details der guten Gesellschaft aufzudecken. Ein Genuss, der heute oft seinesgleichen sucht – ein toller Klassiker!
Fazit:
Ein sehr lohnenswerter Klassiker, in dem Privatdetektiv Lew Archer die Steine der feinen Gesellschaft umstülpt und die dunklen Geheimnisse wie kleine Käfer aus dem Licht flüchten. Ein Lesegenuss!