Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Glimpses | Damals

Der Mann, der nicht mitspielt – Christof Weigold

Worum geht es?
Hardy Engel, Schauspieler und Privatdetektiv, wird im Hollywood der 20er Jahre damit beauftragt, die verschwundene Virginia Rappe zu finden. Er findet sie auch: zugedröhnt, nackt und über Schmerzen murmelnd auf einer Party von Starkomiker Fatty Arbuckle. Zwei Tage später ist sie tot und Fatty Arbuckle soll daran schuld sein. Wahr oder nicht wahr?

Wie hat es mir gefallen?
Die schillernde Welt von Hollywood – das war damals schon so. Aber wie auch heute, ist es eben nur vordergründig schillernd und lebt mit Skandalen und Intrigen. Hardy Engel bekommt es mit Studiobossen und Stars zu tun, mit Regisseuren und Sicherheitschefs – doch keiner sagt die Wahrheit. Hardy muss sich ganz schön durchbeißen, um nicht vom Glanz, Glamour und Geld der Glitzerwelt überzeugt zu werden, den Mund zu halten. Nebenbei erfährt man so viel über das Hollywood jener Zeit, der Wahnsinn. 20er Jahre Hollywood, ein hartgesottener, standhafter Privatdetektiv, ein Touch Noir – so mag ich kriminelle Ausflüge in die Vergangenheit.

Die Drei
Schillernd, abgründig, erstklassig recherchiert


Schüssler und die verschwundenen Mädchen – Viktor Glass

Worum geht es?
Augsburg, 1890. Wenn Dienstmädchen ihre Anstellung verlieren bleibt ihnen, nachdem die Fabrikarbeiten mehr und mehr von Maschinen übernommen wurden, nur die Wahl zwischen Heirat und Freitod. Als Ludwig Schüssler vom Verlobten beauftragt wird, Luise zu finden, die vormals als Dienstmädchen gearbeitet hat, denkt er zuerst auch daran. Doch gemeinsam mit Caroline Geiger, die er zufällig trifft, tauchen plötzlich Spuren auf, die ganz andere Aufenthaltsorte der verschwundenen Mädchen andeuten.

Wie hat es mir gefallen?
Überraschend großartig – bin ich doch kein Fan von historischen Krimis, hat mir dieser ausgenommen gut gefallen. Vielleicht untypisch für die Zeit, aber von mir durchaus mit Wohlwollen betrachtet ist Schüsslers aufgeklärte Art und Carolines Selbstständigkeit, die nicht nur das Ermitteln erleichtern, sondern auch einen Hoffnungsschimmer in der damals doch recht trüben Zeit – zumindest für diejenigen ohne Geld bzw. für Frauen – aufglimmen lassen. Privatpolizist Schüssler und seine neu gewonnene Assistentin Caroline Geiger konnten mich vollauf überzeugen!

Die Drei
Authentisch, gut konstruiert, klasse Ermittlerpärchen


Die Maske des Dimitrios – Eric Ambler

Worum geht es?
Die 30er Jahre. Charles Latimer ist Kriminalschriftsteller und stolpert per Zufall in Istanbul über den Fall Dimitrios. Dimitrios wurde tot an der Küste  angespült und damit wurde eine lebhafte Verbrecherkarriere beendet. Latimers Interesse ist geweckt und er reist auf Dimitrios Spuren nach Rumänien und Frankreich, trifft dubiose Männer und auch eine geheimnisvolle Frau, er gerät immer tiefer in den Fall und muss schon bald um seine eigene Haut fürchten.

Wie hat es mir gefallen?
Die ersten hundert Seiten haben mir gefallen, doch dann muss ich zugeben, dass das Buch zäh wurde. Ich war ein wenig enttäuscht, dass Dimitrios dann doch nichts weiter als ein Verbrecher war, so geheimnisvoll wie Latimer und viele der anderen Charaktere ihn schildern, fand ich ihn nicht. Trotzdem wird das Flair der Zeit gut transportiert, auf Bahnreisen, in Aktenbergen, und durch den falnierenden Schriftstelle. Sehr gut gefallen hat mir die Einarbeitung zeitgeschichtlicher und politischer Ereignisse. Vielleicht kam es auch daher, dass ich ständig Vergleiche zu Ross Thomas gezogen habe und ich muss sagen, Thomas gelingt es besser, mir diese trockenen Ereignisse mit Sarkasmus und Kurzweile einzuflößen.  Nichtsdestotrotz ist das Buch ein Krimiklassiker und es wird auch nicht mein letzter Ambler sein.

Die Drei
Zeitgeschichtlich hervorragend, irgendwie zäh, aber ein Klassiker


 


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Nach dem Krieg: Pfingstrosenrot – Jelena Volic / Christian Schünemann

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Jelena Volic / Christian Schünemann – Pfingstrosenrot
Verlag: Diogenes
368 Seiten
ISBN: 978-3257069570

 

 

 

 

In meiner Kindheit bin ich oft mit meiner Familie nach Jugoslawien in den Urlaub gefahren. Mit dem Auto war das meist eine Zweitagesreise und meist sind wir irgendwo an der Küste gelandet. Oft in der Nähe von Split. Viele Erinnerungen habe ich daran nicht mehr, aber ich kann mich erinnern, dass wir dann einige Jahre später – da war ich dann schon älter – noch einmal nach Kroatien gefahren sind. Und da haben wir ihn schon – den Unterschied. Zwischen Jugoslawien und Kroatien liegen einige Jahre Krieg, gebeutelte Zeiten und hart umkämpfte Gebiete, Autonomiebestrebungen und Kriegsgräuel. In Schünemann & Volics Krimi „Pfingstrosenrot“ befinden wir uns nun in Serbien und finden gemeinsam mit Milena Lukin, Kriminologin, heraus, dass hier immer noch einiges im Argen liegt.

Onkel Miodrag liegt im Krankenhaus und da die Versorgung nicht sonderlich gut ist, kommt Milena Lukin desöfteren mit reichlich Essen zu Besuch. Während eines Besuches erkennt ihr Onkel Miodrag seine alte Jugendliebe in der Zeitung wieder – ermordet, gemeinsam mit ihrem Mann. Das Ehepaar Milos und Ljubinka Valetic wurde mit vielen Versprechungen und durch ein Rückkehrprogramm in den Kosovo geschickt und dort eines Nachts mit zwei Schüssen hingerichtet. Nicht nur Miodrag ist erschüttert, sondern auch Milena und so beginnt sie Nachforschungen anzustellen. In Serbien, aber auch im Kosovo – und diese sind nicht sehr gut auf serbische Staatsbürger zu sprechen.

Bücher erweitern den Horizont – und genau das hat dieser Krimi wieder geschafft. Der Krieg ist doch vorbei, die Länder aufgeteilt – das läuft doch, dort unten im Balkan, oder? So könnte man denken, sollte man aber nicht. Das Land Jugoslawien ist gewaltsam in mehrere Stücke gerissen worden und die Bevölkerung tut sich immer noch schwer damit. Der Kosovo kämpft immer noch darum, von allen Staaten anerkannt zu werden und diese Anerkennung ist auch das einzige was sie aufrecht erhält – Industrie, Landwirtschaft, Regierung, in diesen Bereichen sieht es überall recht mau aus. Vertriebene Serben dürfen nun wieder ins Kosovo zurück, dorthin wo früher ihr Zuhause war. Das dort nun Kosovo-Albaner leben und sie gar nicht gern gesehen sind, ist dem von der EU finanziertem Programm egal – auf dem Papier sieht es nämlich gut aus. So kehren Milos und Ljubinka auch gar nicht in ihr früheres Haus zurück – denn dort leben ja jetzt andere Menschen – sondern kriegen ein Haus zugewiesen: ohne Strom, ohne Sanitäranlagen, mitten im Wald. Ganz zu schweigen davon, dass sie dort auch nicht willkommen sind.

Auch Milena Lukin macht sich auf in den Kosovo, glücklicherweise mit Begleitschutz, den Staatsanwalt Stojkovic ihr organisiert hat. Gut so, denn nur knapp kann sich Milena mit ihrem Begleiter wieder nach Serbien retten. Überhaupt ist Milena zwar eine stille Person, aber schon gar keine, die sich still verhält. Hartnäckig klopft sie an Türen, auch wenn diese sich verschließen oder gar nicht erst öffnen, und nutzt geschickt ihre Kontakte: Staatsanwalt Stojkovic und den deutschen Botschafter, Alexander Graf Kronburg. Dabei bleibt sie immer ruhig und wohlüberlegt, aber auch ein wenig schwermütig. Doch genau diese Schwermut, gemeinsam mit ihrer Beobachtungsgabe, beschert dem Leser ein atmosphärisch dichtes Bild vom heutigen Serbien. Entpsannend finde ich auch, dass es mal nur eine Ermittlerin ist und nicht immer ein Duo, was übrigens – fällt mir jetzt auf – einen schönen Kontrast bildet, da ja die Autoren im Duo arbeiten.

Und Milena Lukin ist genau die passende Hauptfigur, um eine Blick auf Serbien und den Kosovo zu werfen. Neutral ist sie, mit viel Verständnis für beide Seiten. Wobei Serbien tendenziell wohl besser weg gekommen ist und so ist es nicht verwunderlich, dass die Aggressivität aus dem Kosovo zu kommen scheint. Doch auch wenn die Fronten zwischen den Serben und den Kosovo-Albanern verhärtet sind, ist das nur der Deckmantel, der politische Machenschaften mit Stempel von der EU vertuschen soll. Ein Politiker, der mit dem Präsidentschaftsstuhl liebäugelt, einem Strategen im Hintergrund, der überall die Fäden in der Hand hält und seine Schäfchen ins Trockene bringt und ein unglücklicher Sohn – diese Kombination reißt eine Familie ins Unglück. Der Fall des ermordeten Ehepaars basiert im Übrigen auf einer wahren Begebenheit. Die Tat hat damals auf beiden Länderseiten die Stimmung aufgeheizt und wurde, im Gegensatz zu der Geschichte in diesem Krimi, nie aufgelöst.

Ein klein wenig bereue ich es, dass ich das Autorenduo, Christian Schünemann und Jelena Volic, auf der Leipziger Buchmesse verpasst habe. Als die beiden Lesungen gehalten haben, hatte ich immer andere Termine. Doch ich bin noch am grübeln, wie die beiden wohl miteinander schreiben, wie die Zusammenarbeit an einem Krimi bei ihnen so funktioniert. Aber vielleicht habe ich ja nochmal wann anders die Chance – und dann werde ich diese auch nutzen!

Fazit:
Ein tiefer Einblick in den immer noch schwelenden Balkan, der die Kulisse für eine schreckliche Tat und eine brisante Ermittlung liefert. Atmosphärisch, mit spannendem Hintergrundwissen versehen und einer unaufdringlichen, dafür umso hartnäckigeren Protagonistin. Die Serie um Milena Lukin sollte man sich auf jeden Fall merken!