Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Die andere Mrs. Walker – Mary Paulson-Ellis

Mary Paulson-Ellis – Die andere Mrs. Walker, Übersetzung: Kathrin Bielfeldt, Argument-Verlag, 441 Seiten, ISBN: 978-3867542609

Margaret Penny steht in der Mitte des Lebens und hat nichts mehr – Job verloren, Heim verloren, Liebe verloren. Aller Träume beraubt fährt sie nach Edinburgh und schlüpft bei ihrer Mutter unter, die ihr aber schon beim Reinkommen nahelegt, nicht zu lange zu bleiben. Na denn – frohes neues Jahr!
Für Margaret ergibt sich dann zufällig die Chance, im Auftrag des Amts für Hinterbliebene zu arbeiten. Sie soll herausfinden, wer die tote, alte Frau war, von der man nicht mehr weiß, als dass sie Mrs. Walker hieß und die nur wenig zurückgelassen hat: ein paar Mandarinenkerne, ein grünes Kleid, eine Paranuss, auf der etwas winzig klein eingeritzt ist, ein vergilbtes Foto…. Zuerst wohl mehr mit der Hoffnung, dass etwas (oder etwas mehr) Bares für sie rausspringt, wird Margaret von der geheimnisvollen Mrs. Walker und den Bruchstücken ihrer Geschichte, die sie nach und nach aufdeckt, in den Bann gezogen.

Selten habe ich ein Buch aus dem Argument Verlag gelesen, dass so sehr einen Bezug zu dessen Kategorie “Ariadne” hat, in dem der Verlag Krimis und Noirs veröffentlicht. Denn fast bildlich kann man auf jeder Seite den Ariadnefaden schlängeln sehen, vom heutigen Edinburgh hinein und wieder heraus in die vergangenen Jahrzehnte. Auf der einen Seite haben wir Margart Penny, die, ohne noch etwas zu haben, im eiskalten Edinburgh aufschlägt. Einen Ort, den sie glaubte, hinter sich gelassen zu haben. Die sich durch Totenfeiern und Leichenhäuser fragt, bei Nachbarn und Geschäften anklopft, sich sogar einen Trip zurück nach London ergaunert, und doch bleibt Mrs. Walkers Leben für Margaret diffus und sie fragt sich mehr und mehr, was von ihr selbst irgendwann übrig bleibt, am Ende.

Die zweite Zeitebene spannt sich über mehrere Jahrzehnte, beginnend Ende der Zwanziger zieht sie sich über den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegsjahre ins Hier und Heute. Es beginnt mit Alfred und Dorothea Walker und ihrer Tochter Clementine, sowie der Geburt von Zwillingen. Und während die Jahre vergehen, folgen wir dieser Familie über die Zeit, erleben den Krieg mit all seinen Schrecken und Grausamkeiten, die Einschränkungen der folgenden Jahre. Immer wieder schrabbt die Geschichte an Verbrechen, lockerer Moral und gefährlichen Unternehmungen, oft im Kleinen und Verborgenen, quasi ein Arrangieren mit den Umständen.

Häufig ist eine klare Zuordnung zum Genre in den Krimis aus dem Argument Verlag schwierig, aber diesmal finde ich das so gar nicht. Auch ohne Mord und Totschlag hat Margaret Pennys Suche nach Mrs. Walkers Leben mehr mit der Arbeit einer Privatdetektivin gemein, als in manch anderen Büchern, die sich das offiziell auf die Fahnen schreiben. Verbunden mit einem Spiegel des heutigen Edinburgh und der Geschichte um die Familie Walker, umspannt das Buch mehrere Jahrzehnte Zeitgeschichte, vor allem aus Sicht der Walker und Penny Frauen, und baut durch diese Mixtur eine ungemeine Spannung auf.

Und so folgt man gespannt dem Ariadnefaden, gleitet durch die Kapitel und verknüpft die Geschichte nach und nach, erlebt Edinburgh und London, damals und heute, eine Detektivgeschichte auf der einen, und eine Familiengeschichte auf der anderen Seite. Folgt den kleinen Hinweisen, bei denen man am Anfang nicht mal ansatzweise sagen kann, wohin sie führen oder gar warum sie von Bedeutung sind. Wie so oft konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen, wollte alle Geheimnisse aufdecken, den Walker und den Penny Frauen folgen, ihr Leben nachspüren und miterleben. Eine mitreissende Geschichte, die mit detektivischem Spürsinn von Margaret Penny und dem Leser gelüftet wird, aber eben auch gleichzeitig ein Stück Zeitgeschichte.

Fazit:
Manchmal komme ich mir ein wenig vor, als würde ich immer das Gleiche zu den Krimis aus dem Hause Argument schreiben, aber das sagt nur eins: dass die Auswahl des kleinen Verlags vorzüglich getroffen ist und ich immer, wirklich immer darauf vertrauen kann, ein großartiges Leseerlebnis geboten zu bekommen. So möchte ich mich auch hier einfach wiederholen: unbedingt lesen!


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Der blonde Hund – Kerstin Ehmer

Kerstin Ehmer – Der blonde Hund, Pendragon Verlag, 458 Seiten, ISBN: 978-3865327635

Ariel Spiro ermittelt diesmal im Mordfall eines aus dem Kanal gezogenen Journalisten. Dieser schrieb für den “Völkischen Beobachter” und besuchte in Berlin die Salonrunde der Bachmanns, denen eine Pianofabrik in Berlin gehört und dementsprechend einflussreich und gern gesehen sind. Nicht nur die höheren Kreise machen Spiros Ermittlung schwierig, sondern auch die Politische Polizei, die aufgrund des Arbeitsplatzes des Mordopfers mitmischt. An seiner Seite ermittelt sein Kollege Bohlke bekannt charmant auf die Berliner Art, doch seine Frau schleppt ihn noch in ganz andere Kreise. Auch Nike, Ariels Freundin und Geliebte, wandelt auf seltsamen Pfaden und nimmt an Séancen teil, die man ihr als wissenschaftlichen Menschen gar nicht zugetraut hätte. Spiros Fall hängt fest bis ein Beweisstück auftaucht, welches den Druchbruch bedeuten könnte, doch dafür muss sich Spiro erst mal auf Reisen begeben.

In diesem Teil der Reihe scheint Ariel Spiro endlich in Berlin angekommen. Er fühlt sich nicht mehr so zerrissen und fängt an sich wohl zu fühlen, in Berlin, in seinem Job und auch in seiner Beziehung mit Nike. Seinen berlinerischen Kollegen Bohlke empfindet er nun als gute Ergänzung zu ihm und hätte es gerne, wenn sie beide sich für die neue Mordkommission bewerben. Hin und wieder ist er noch ein wenig unsicher in Bezug auf Nike, doch scheint die Beziehung nun wesentlich fester als im letzten Band und verleiht Spiro Stabilität. Es könnte also alles nicht besser laufen für Ariel Spiro, doch natürlich gibt es da noch den Mordfall.

Dieser erweist sich in der Ermittlung nicht ungewöhnlich, doch es gibt einige Begleitumstände, welche die Ermittlung spannend machen. Angefangen bei Spiros Zusammenarbeit mit den Dieben der Stadt, nicht ganz legal, aber nötig um endlich den richtigen Ansatz für die Ermittlung zu finden; über die Befragungen in den höheren Kreisen und die Einmischung der Politischen Polizei, bis hin zu Spiros Reise. Ja, Spiro ermittelt diesmal nicht nur in Berlin, sondern begibt sich – wieder nicht ganz legal – auf eine recht abenteuerliche Dienstreise, bei der er viel Glück hat und einen passenden Reisekumpan und mehr Landleben als erwartet bekommt.

Durch die drohenden Schatten der Machtergreifung der Nazis verliert das Setting in Berlin in den Goldenen Zwanzigern seine Leichtigkeit. Ja, diese ist noch einige Jahre entfernt, doch gerade Spiros Ermittlungen führen in Kreise, die kein Blatt vor den Mund nehmen und ihre antisemitische und nationale Gesinnung stolz äußern. Zwar hört sich Spiro dies nur mit Befremden an, doch er widerspricht nicht, hauptsächlich um die Ermittlungen voranzutreiben und keine Zeugen zu vergrätzen. Zugleich denkt er aber auch, dass diese nationalen Tendenzen nur Ausnahmen sind und sich keinesfalls festigen bzw. dem allgemeinen Tenor entsprechen. Als Leser empfindet man ein natürliches Befremden, weiß man doch wohin das führt. Zusätzlich finde ich es sehr sehr schade, dass der Zauber der Zwanziger nach und nach verloren geht, aber natürlich war das zu erwarten. Hier offenbart auch Spiros Reise Einblicke, denn seien wir mal ehrlich – golden waren die Zwanziger wohl hauptsächlich in den Großstädten und für die, die es sich leisten konnten. Ein wenig Wehmut bleibt, aber ich bin wirklich sehr gespannt, wie sich die nächsten Teile der Reihe entwickeln und wie Ariel Spiro, der ja aufgrund seines Namen desöfteren für einen Juden gehalten wird, sich in diesen Zeiten zurecht finden wird.

Fazit:
Beeindruckend gelingt es der Autorin die Widersprüche der Goldenen Zwanziger mit den beginnenden Verzweigungen des Nationalsozialismuses, den Gegensatz Stadt- zu Landleben und die unterschiedlichsten Strömungen der Zeit unter einen Hut zu bringen. In dieser wilden Zeit ermittelt Kommissar Ariel Spiro gekonnt und nicht ganz legal in einem verzwickten, aber nicht unmöglichen Fall. Ein wunderbares Leseerlebnis, welches Lust auf mehr macht!


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Damals: Das schwarze Pulver von Meister Hou – Tran-Nhut

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(c) Die dunklen Felle

Um dieses Buch bin ich doch tatsächlich einige Wochen herumgeschlichen, bevor ich mich getraut habe, es zu lesen. Irgendwann stand die Leseliste für das Spezial und ich hatte dieses Buch drauf gesetzt, ganz ohne bewusst zu registrieren, dass es im Vietnam des 17. Jahrhunderts spielt. Urgs, da steh ich so gar nicht drauf, auf historisches. Na gut, aber was muss, das muss. Und nun, im Nachhinein hat mich das Buch ganz wunderbar unterhalten und ich frage mich, warum dieser dritte Teil der Reihe um Mandarin Tân der einzige ist, der es je in die deutsche Übersetzung geschafft hat. Irgendwie schade.

In einer nördlichen Hafenstadt in Dai Viêt (heute: Vietnam) häufen sich gerade Verbrechen. Ein Schiff wird von einer Geisterarmee überfallen, ausgeraubt und hinterlässt zwei tote Frauen. Grabsteine verschwinden und die Toten erheben sich aus ihren Gräbern. Der Graf Diêm wird auf seinem Balkon ermordet. Verantwortlich für alle Ermittlungen ist der noch junge Richter der Stadt, Mandarin Tân. Gemeinsam mit dem Schriftgelehrten Dinh macht er sich auf die Suche nach den Tätern, ganz ohne Hokuspokus und Aberglauben.

Eingeflochten, manchmal ganz nebensächlich wirkend, aber zentral in dem Krimi, bieten sich sehr viele Informationen zur Geschichte des Landes. Vietnam kämpft um seine Selbstständigkeit. Auf der einen Seite wird es von der Großmacht China angegangen, auf der anderen Seite aus Europa bedrängt. Hier spielt vor allem der Jesuit Hsui-Tung eine Rolle. Nach China, wo er sich auch seinen chinesischen Namen zugelegt hat, ist dieser nun auf Besuch in der vietnamesischen Hafenstadt, um Kultur, Religion und technische Neuerungen der asiatischen Länder kennenzulernen und sich auszutauschen. Dass er dabei allerdings eine Ausnahme ist und eigentlich eher die Tendenz zur Bekehrung und Missionierung besteht, ist aber klar erkennbar. Ein wesentlicher Punkt sind auch die Rohstoffe des Landes – besonders Doktor Porc beschwert sich, dass jegliche Medizin zu Höchstpreisen ins Ausland verkauft werden und die einheimische Bevölkerung darunter leiden muss.

Der Konfuzianismus ist nicht nur vorherrschend, sondern auch vorgeschriebene Religion, Abweichungen gibt es aber natürlich auch. Besonders Madame Eisenhut ist hier hervorzuheben, die aber sowieso eine ungewöhnliche, wenn nicht sogar außergewöhnliche Frau ist. Von der Gesellschaft verstoßen, wie eine Nomadin umherziehend, lebt sie gerade mehr oder weniger fest mit anderen Ausgestoßenen auf einem zugewiesenen Platz. Als Fürsprecher hat sie den Eunuchen Clemens, der im Übrigen nicht nur der Hafenverwalter ist, sondern auch der Schwager des verstorbenen Grafen Diêm, und durch ihn ist es ihr möglich, als Gefängnisaufseherin zu arbeiten. Als Anhängerin des Mo Tse sind ihren religiösen und philosophischen Ansichten anders als die der Konfuzianer und Taoisten, zudem besitzt sie ein breites Kräuterwissen und kann als Alchimistin bezeichnet werden. Mandarin Tân wird so einiges mit der Dame zu tun bekommen, aber auch mit Madame Libelle. Bei beiden schwankt der Richter zwischen Bewunderung und Misstrauen.

Bevor ich denn nun noch auf die beiden Mitstreiter von Mandarin Tân eingehe, noch eine Bemerkung zu den Namen. Ich habe versucht, etwas über Suchmaschinen herauszufinden, aber mir ist nicht klar, warum alle Frauen in dem Buch Namen haben, die aus der Flora und Fauna entliehen sind, Männer aber nicht. Neben Madame Eisenhut und Madame Libelle gibt es nämlich noch Madame Alge, während die Männer eben einfach Namen haben: Tân, Dinh, Clemens, usw. Wer hier mehr weiß, darf mich gerne erleuchten!

Es gibt noch zwei weitere Mitstreiter im Kampf für die Gerechtigkeit. Einer ist der unwillige Dinh, der dem Richter als Gelehrter und Schriftführer dient. Der kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Tân ständig mit dem Pferd reiten will, anstatt sich mit der Sänfte durch die Gegend tragen zu lassen. Überhaupt ist er ein unausgeglichener Charakter und man kann verstehen, warum er die Prüfung zum Mandarin nicht bestanden hat. Trotzdem verbindet die beiden eine gemeinsame Geschichte, so dass Tân ihn zu sich geholt hat. Dinh ist ein wenig eitel, oft am meckern, aber immerhin kann er sich in eine Aufgabe reinknien, sobald sie ihn gepackt hat. Und zumindest bei einer Sache konnte ich ihm als Leser nur zustimmen. Nämlich in der Meinung über Porc. Zumindest zum Teil. Doktor Porc kommt als Gerichtsmediziner zum Einsatz. Der Gute ist fürchterlich dick und wohl auch ziemlich ungepflegt. Im Moment ist er auch auf Diät – Fleisch, Blut und Innereien – bei der es mir die Zehennägel hochrollt. Das wäre alles noch erträglich, würde er nicht bei der Leichenschau genüsslich noch seine Mahlzeiten zu sich nehmen, man beachte, damals waren die Leichen nicht in Kühlhäusern gelagert und mussten schon recht übel gerochen haben. Bäh.

Doch auch wenn die beiden natürlich dazu dienen, den Krimi aufzulockern und uns Lesern hin und wieder ein Schmunzeln über die Lippen kommen zu lassen, ist das keineswegs zu viel und der Krimi rutscht auch nicht ins Lächerliche ab. Der Kriminalfall ist gut durchdacht, ausgeklügelt und natürlich sind der/die Täter bei den Lebenden zu finden. Also keine Sorge, es handelt sich hier auch nicht um einen mystischen Krimi. Neben der lockeren Art, welche die beiden Autorinnen unheimlich gut transportieren können, reizt vor allem das historische Ambiente des Krimis, denn auch wenn der Fall an sich mit unterschiedlichen mysteriösen Andeutungen zuerst unübersichtlich scheint, ist er doch nicht außergewöhnlich. Der noch junge, aber eben mit gesundem Menschenverstand und Misstrauen ausgestattete Richter Tân ermittelt bedächtig und mit Schläue, kann aber am Ende auch noch mit einem Kampf aufwarten, bei dem er allerdings auch Unterstützung erhält.

Auch wenn dies schon der dritte Teil der Reihe ist, hat es keine Probleme bereitet, hier einzusteigen. Einzig die Rolle des Doktor Porc hatte ich – nach dem Klappentext – für größer gehalten, doch zumindest in diesem Teil ist er eher eine Randfigur. Auch wenn ich, wie anfangs erwähnt, ein wenig erschrocken über meine historische Auswahl war, da ich ja eigentlich Krimiliteratur zur aktuellen Zeit lesen wollte, hat mir das Buch richtig gut gefallen. Und ich kann sogar behaupten, dass mir das historische Setting besonders gut gefallen hat.

Fazit:
Das historische Vietnam hat durchaus seine Reize und konnte mich, verpackt in einen Kriminalfall und mit einprägsamen Charakteren durchaus überzeugen. Schade ist nur, dass dies der einzige übersetzte Teil der Reihe um Mandarin Tân ist und somit wohl mein einziger Ausflug dorthin bleiben wird, mangels Kenntnisse der französischen Sprache.



Tran-Nhut – Das schwarze Pulver von Meister Hou
Verlag: Unionsverlag
Übersetzer: Michael Kleeberg
314 Seiten
ISBN: 978-3293204799

 

 

 

 


 


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Politkomplott: Der grüne Chinese – Dagmar Scharsich


Dagmar Scharsich – Der grüne Chinese
Verlag: Argument Verlag
583 Seiten
ISBN: 978-3867541800

 

 

 

 

So richtig hab ich nicht gewusst, was mich erwartet, als ich „Der grüne Chinese“ begonnen habe zu lesen. Neugierig war ich, was der „grüne Chinese“ denn so ist, ob er auch ein Ding ist, so wie die „gefrorenen Charlotten“, die in einem anderen Buch der Autorin die Hauptrolle spielen. Ein Mix zwischen heute und Vergangenheit hab ich erwartet, denn schließlich entdeckt die Antiquarin Marie Baer ein altes Tagebuch aus der Zeit um Kaiser Wilhelm II. Ein altes Geheimnis, welches in die Gegenwart hineinreicht. Und dann, dann kam es ganz anders. Anders und besser als erwartet.

„Das ist eben heute so. Kein Mensch liest heute noch ein Buch nach dem anderen, wie damals zu Opas Zeiten. Heute gehen die Leute nach der Arbeit ins Kino oder nach Hause zum Fernsehen. Ein Film von zwei Stunden erzählt eine komplette Lebensgeschichte. Du kannst lachen und weinen, alles an einem Abend. 500 Seiten liest dafür keiner mehr. Und genau deshalb haben Bücher keine Zukunft. Sie haben allenfalls eine geduldete Gegenwart. Was bleibt, ist ihre große Vergangenheit. Die wirft man nicht einfach weg, Bücher gehören nicht auf den Müll, nur weil keiner mehr Zeit für sie hat. Und das ist der Grund. Darum habe ich aus Opa Willis Buchhandlung, als ich sie vor vier Jahren übernommen habe, ein Antiquariat gemacht.“ (S. 11)

Da ist sie also, die Berlinerin Marie Baer, die von der Zukunft der Bücher nicht überzeugt ist und deshalb aus der geerbten Buchhandlung von Opa Willi ein Antiquariat macht. Ein Laden, der sie und ihren Opa in ihrer „Gespenster-WG“ nur knapp über Wasser hält, in dem sie täglich Heerscharen Touristen abgefertigt und in ihrem Sessel der Tage harrt. Ah, und dann ist da ja noch der Fritz, der schnittige Autohändler, der einfach nicht Maries Leben verlassen will, sondern so wie die Hausarbeit eben da bleibt und gemacht werden muss. Jut jut, Marie.

Da werden ihr eines Tages ein paar alte Romanhefte angeboten, Groschenromane aus der Zeit von Kaiser Wilhelm II. Das Besondere daran ist, dass die Hauptfigur Wanda von Brannburg, eine Detektivin ist. Ungewöhnlich und selten, so eine Frau als Protagonistin in dieser Zeit. Und ungemein begehrt, so dass Marie natürlich versucht, auch die restlichen Groschenhefte von der Dame zu ergattern, welche ihr den ersten Packen übergeben hat. Nach einigem Hin und Her gelingt ihr das auch. Viel mehr Interesse hat Marie dann aber an der Verpackung der Heftchen, denn dabei handelt sich um das Tagebuch der Baronesse Wendeline Sophie von Branndenburg, genannt Wanda. Ein Tagebuch, ein Roman, die Baronesse eine Autorin? Und schon taucht Marie mit Onkel Willi in die Vergangenheit ein.

Und fast nicht wieder auf. Ganz anders als erwartet, wechselt die Autorin nicht zwischen dem Heute und dem Jahre 1909, in dem die Geschehnisse um Wanda von Branndenburg festgehalten sind, nein, nur noch zweimal kurz darf Marie Luft holen, sich etwas zu essen besorgen und dann mit Onkel Willi weiterschmökern, bevor sie dann am Ende doch noch einen großen Auftritt hinlegt. Tatsächlich – und für mich sehr unerwartet – bestreitet die Handlung im Jahre 1909 den größten Teil des Buches.

1909, eine aufregende Zeit voller Veränderungen; Kaiser Wilhelm II., preußische Tugenden, eine Zeit des Umbruchs. Das Automobil erobert die Straßen, die ersten Telefone ziehen ein, Luftschiffe verdunkeln den Himmel. Die Hauptstadt wird größer und größer. Und doch startet man eher beschaulich mit Wendeline Sophie von Branndenburg auf dem herrschaftlichen Gut, dem sie so oft wie möglich zu entfliehen sucht. Die Zukunftsvorstellungen der Eltern eher lästig, zieht es sie nach Berlin, in die Großstadt, zu ihrer Tante Emmy und ihrem Onkel Gustav. Und dann… dann passiert so viel, dass Wanda gar nicht mehr weiß, wo ihr der Kopf steht. Explosion und Flucht, Tote und Reisen, Geheimagenten und Wissenschaftler, eine geheime Wohnung und ein spitzelnder Baron…

Wanda, eine stürmische Frau, die ihrer Zeit zu entfliehen sucht. Nicht mit Pauken und Trompeten, aber eben doch nicht leise. Die sich aufgrund der Mode der Zeit nicht alleine an- und ausziehen kann und dies unerträglich findet, die zwischen Zurückhaltung, Trauer und Mut hin- und herpendelt, die vielleicht nicht immer die richtigen Fragen stellt, aber keinesfalls aufhört Fragen zu stellen. Eine Frau, die den Spagat zwischen Vergangenheit und Moderne versucht und unversehens in ein politisches Komplott schlittert. Was für eine beeindruckende Frau!

Vollkommen überzeugt die Autorin mit ihrem Figurenensemble, nicht nur mit Wanda allein. Sei es die in den Tag hineinlebende Marie, die es nicht schafft, sich von ihrem Fritz zu trennen, sei es die dickköpfige und vielleicht verwirrte Rose von Reventlow und deren Enkelin Gesine, die sich zu nichts traut, der patente Justus Hansen, der Wanda nicht von der Seite weicht, der Polizist von Reventlow, dem Gerechtigkeit mehr zählt als Ordnung… eine Vielfalt an Charakteren, keiner flach, alle bleiben im Kopf.

Zugegeben, es dauert eine ganze Weile bis Wanda – und mit ihr nicht nur Marie sondern auch ich als Leser – dahinterkommen, was eigentlich hinter der ganzen Geschichte steckt. Welches Ausmaß sich hinter einem Koffer voller Stoffe, einem Koffer voller Papier und ein wenig Reibung steckt. Derweil bleibt es aber kontinuierlich spannend, wenn auch nicht nervenzerreißend, eben zeitgemäß. Anfang des 20. Jahrhunderts nahm das Leben zwar schon Geschwindigkeit auf, aber eben noch gemäßigt. Viel gelernt habe ich, wie so oft, und noch einiges habe ich nachgeschlagen: Zeppeline, Goldschlägerhaut, das Berlin der Kaiserzeit, die Männer in den grauen Mänteln. Geschickt verwebt die Autorin die historischen Ereignisse mit der erfundenen Geschichte, lässt auch bekannte Personen auftreten, oder benennt diese um, verdichtet den geschichtlichen Hintergrund, um Wanda einer politischen Intrige auf die Spur kommen zu lassen. Ein Sahnestückchen ist der Autorin hier gelungen!

Fazit:
Unerwartet anders und trotzdem genial – ein historischer Krimi zur Kaiserzeit, in welcher eine Baronin einer politischen Affäre auf den Spuren ist, gemischt mit ein wenig von Heute und der schnoddrigen Marie Baer. Ein ausgezeichnet geschriebener Krimi, der nicht aus der Hand zu legen ist.


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Quereinstieg: Lunapark – Volker Kutscher

9783462049237
Volker Kutscher – Lunapark
Verlag: KiWi
560 Seiten
ISBN: 978-3462049237

 

 

 

 

Ich habe mich nochmal in die Mitte einer Serie getraut. Gehört hab ich natürlich schon viel von Volker Kutscher und seinem Gereon Rath, doch bis jetzt hatte ich noch nicht das Vergnügen, mich in eines seiner Bücher zu vertiefen. Derweil der erste Teil der Reihe „Der nasse Fisch“ im Jahr 1929 spielt, befinden wir uns mit Lunapark schon im Jahr 1934. Die Nazis haben die Macht ergriffen, die Kommunisten und Sozialisten sind vertrieben oder leben versteckt, die Hitlerjugend ist auf dem Vormarsch – es ist die Zeit kurz vor dem Röhm-Putsch. Geschichtlich eine wirklich interessante und sehr spannende Zeit, vor allem, weil wir ja wissen, wie die Geschichte ausgehen wird und wir quasi dabei zusehen müssen, wie die Menschen mit offenen Augen in ihr Unglück rennen. Aber wie sieht es von der kriminalistischen Seite aus? Kann Volker Kutschers Gereon Rath da auch viel bieten?

Als Gereon Rath zu einem Mordfall gerufen wird, findet er den übel zugerichteten SA-Mann Horst Kaczmarek, unter Freunden auch mehr oder minder liebevoll Katsche gerufen, unter einer halben kommunistischen Parole vor. Das ruft auch die Gestapo schnell auf den Plan, in Person Raths früheren Kollegen Gräf, der die Nazi-Gesinnung als Karrieresprungbrett benutzt. Dort sind schnell die Schuldigen gefunden, es muss natürlich die Gruppe Wolff sein, eine von Russland bzw. Stalin indoktrinierte und zurückgesandte Gruppe von Kommunisten, die den Nationalsozialismus mit heimlich hingeschmierten Parolen untergraben und stürzen soll. Diese Theorie scheint anscheinend nur Gereon Rath hanebüchen. Derweil also die Gestapo einer Gruppe Wolff hinterher hetzt, macht Gereon Rath, das was er schon immer konnte und kann: ermitteln. Und zwar allein.

Gereon Rath ist ein Eigenbrötler. Anscheinend ist er schon in früheren Teilen nicht teamfähig gewesen, mit der Gestapo und seinem früheren Kollegen Gräf ist er es nun ganz besonders nicht. Das hat zum einen Vorteile, denn die festgelegten Ermittlungen in Richtung Kommunisten inklusive der Ignoranz vorhandener Spuren oder dem Nichtzulassen von anderen Ermittlungsansätzen und Theorien, kann Rath nur so entkommen. Andererseits bringt ihm das auch Nachteile, denn sowohl die SA als auch die Gestapo sitzen mittlerweile am längeren Hebel und Rath entkommt nur knapp Maßregelungen und drohendem Jobverlust.  Rath ist aber auch einer, der gerne seine Augen verschließt. Klar kann man das heute einfach sagen, weil man weiß, wie die Geschichte weiter geht, doch Rath ist in der Hinsicht wirklich naiv. Noch 1934, ein Jahr nach Machtergreifung durch die Nazis, und obwohl sein Pflegesohn Fritze nach und nach mehr von der Hitlerjugend vereinnahmt wird, macht er beide Augen zu und behauptet, dass alles wieder gut wird. Dass „Papa“ Hindenburg das schon wieder richten wird. Gereon ist ein widersprüchlicher Charakter. Zwar kann er sich in seinem Job behaupten, Karriere wird er aber wohl erst mal nicht machen. Insgesamt ist er mir zu lasch – gegenüber seinen Mitarbeitern, gegenüber Fritze und auch gegenüber alten Freunden, ob nun Kollegen oder Verbrechern.

Im Gegenzug dazu steht seine Frau Charlotte. Sie versucht des Öfteren Rath vom Gegenteil zu überzeugen, nicht nur, als Rath ohne zu lesen, den Mitgliedsbeitritt von Fritze für die HJ ungesehen unterzeichnet. Mit ihr erlebt man auch die Gesellschaft, ganz ohne Polizeiabzeichen, z. B. wie Leute schnell in Läden verschwinden, wenn ein Pulk SAler um die Ecke biegt, aber solche Kleinigkeiten bleiben zu Hause unerwähnt. Gespräche und Unterhaltungen sind jetzt nicht unbedingt die Stärke im Hause Rath. Gereon erzählt praktisch nichts von seinen Ermittlungen, aber auch nicht, dass er einem alten Bekannten, dem Gangsterboss Marlow, begegnet ist. Aber auch Charlotte hält vor Gereon geheim, dass sie auf der Suche nach einem untergetauchten Kommunisten ist, nachdem dessen Schwester sie beauftragt hat. Auch ihren neuen Job in einer Anwaltskanzlei verheimlicht sie so lange wie möglich, auch wenn sie Gereons Unterschrift benötigt, um dort zu arbeiten. Die Raths machen sich das Leben wirklich unnötig schwer und man mag sie ständig durchschütteln. Es scheint auch, als würden sie aus ihrem Verhalten nicht lernen, in ihren Geheimnissen gefangen zu sein und somit in ihrer Beziehung in Stillstand zu verharren.

Dieses Dreigestirn an Figuren, welches sich im Hause Rath tummelt, scheint die damalige Situation gut zu beschreiben. Wir haben die, die den Ernst der Lage erkennen, aber nicht viel machen können in Charlotte vertreten, wir haben die, die begeistert folgen in Fritze gespiegelt und Gereon ist derjenige, der wie viele wegguckt und hofft, dass es bald besser wird. Eine sehr ungesunde Mischung, wie wir aus der Erfahrung wissen. Neben dieser politisch und gesellschaftlich heiklen Situation, den vielen historischen Kleinigkeiten, die eingestreut sind (z. B. Gereons Zigarettenmarke, die ich ehrlich gesagt, schon bald nicht mehr lesen konnte, es hätte auch mal gereicht zu schreiben, dass er sich eine Zigarette anzündet – aber noch vielen anderen kleinen Dingen) und den Figuren, die den Lesern der ersten Stunde der Serie vermutlich mehr ans Herz gewachsen sind als mir bis jetzt, gibt es natürlich noch den Kriminalfall.

Ja, der Kriminalfall. Die Lösung der Gestapo kann kein Leser auch nur für einen Moment als möglich ansehen – einfach schon, weil sie keinen anderen Schluss zulassen. Die Ermittlungen von Gereon Rath führen dann über ein Glasauge zu einem alten Mann zur Kirche und außerhalb von Berlin bis sie letztendlich bei alten Bekannten landen – allerdings findet Gereon dies recht schnell heraus. Trotzdem lässt die Spannung nicht nach, denn der Täter ist zwar bekannt, aber noch lange nicht gefasst. Und was genau der Lunapark damit zu tun hat, tja, das müsst ihr dann noch selbst herausfinden.

Abschließend kann ich sagen, dass mir der Krimi ganz gut gefallen hat, auch wenn ich glaube, dass die Begeisterung bei den Lesern, welche die vorigen Teile auch schon kannten, wesentlich höher war, als bei mir. Ich vermute mal, es ist der Sog der Serie, wenn einem die Charaktere einfach ans Herz wachsen – und man dann das Ganze noch mit politisch-interessante Zeiten und einem spannenden Kriminalfall geliefert bekommt. Der Quereinstieg, wie ich ihn gemacht habe, ist durchaus möglich, denn der Autor erklärt alle wiederkehrenden Elemente kurz, so dass man nicht verwirrt ist. Allerdings muss man schon sagen, dass die Geschichten sehr miteinander verwoben sind – d. h. das Buch „Lunapark“ hätte es ohne die vorigen Teile gar nicht geben können. Auch bin ich mir nicht sicher, ob ich tatsächlich die vorigen Teile nachholen werde, denn einige Dinge sind mir jetzt schon bekannt und ich fürchte mich vor fehlender Spannung, wenn ich denn nun eben einiges schon kenne oder wiedererkenne. Schade eigentlich, denn gerade die politisch-historische Komponente würde mich reizen. Gereon Rath Fans werden „Lunapark“ sowieso lesen – allen andere empfehle ich tatsächlich mit dem ersten Teil der Serie „Der nasse Fisch“ zu beginnen.

Fazit:
Der Krimi ist politikgeschichtlich hochinteressant und mit einem recht spannenden Fall garniert, allerdings war mir Gereon Rath ein wenig zu lasch. Ein Quereinstieg in die Reihe ist möglich, aber ich empfehle ihn nicht.


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Bewegend: Trümmerkind – Mechtild Borrmann

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Mechtild Borrmann – Trümmerkind
Verlag: Droemer
300 Seiten
ISBN: 9783426281376

 

 

 

 

Mechtild Borrmann. Fast ehrfürchtig wird ihr Name geflüstert, ihre Bücher haben die Tendenz heiß erwartet zu werden und schon vor Erscheinen Vorschusslorbeeren zu erhalten. Gekritelt wird höchstens auf hohem Niveau und  eines der wenigen Themen, bei denen man sich streiten mag, ist, ob ihre Romane wohl ins Krimigenre einzuordnen sind. Nun, das Genre ist weit gefasst und ich denke, wenn man einen Stempel aufdrücken möchte, dann den des Spannungsromans. Und wer mich ein wenig kennt, wird wissen, dass ich hierfür ein Faible habe. Nachdem ich vor einiger Zeit „Die andere Hälfte der Hoffnung“ gelesen habe, hab ich mich nun sehr auf „Trümmerkind“ gefreut, einem Roman, der auf einer realen Mordserie fußt, den Hamburger Trümmermorden.

Hanno Dietz kämpft sich mit seiner Familie in Hamburg durch den Winter 1946/47. Die Lebensmittel sind knapp, nur wenige Häuser haben Strom, ganze Stadtteile liegen in Trümmern. Hanno ist erst 14, doch gemeinsam mit seiner kleinen Schwester zieht er durch die Trümmerlandschaften, um Holz zu suchen, aber auch Dinge, die er auf dem Schwarzmarkt verkaufen oder in Lebensmittel tauschen kann. Auf einem seiner Streifzüge entdeckt er in einem Keller eine nackte, tote Frau  – und nicht weit davon entfernt, einen kleinen, verlassenen Jungen. Hannos Familie nimmt den Kleinen, der kein Wort spricht, auf, entgegen aller Widerstände, die tote Frau erwähnt Hanno mit keinem Wort. Erst Jahre später, als aus dem kleinen Jungen ein patenter Rechtsanwalt geworden ist, löst sich das Geheimnis seiner Kindheit auf und ein tragisches Verbrechen kommt ans Licht.

Der Roman besteht aus drei Handlungssträngen. Ein Handlungsstrang spielt zum Kriegsende und dreht sich um die Familie Anquist und ihr Gut. Die Familie ist zum Aufbruch bereit, doch leider schaffen sie es nicht mehr zu fliehen, bevor die Russen das Land besetzen. Der zweite Strang spielt  Mitte der 90er und erzählt von Anna Meerbaum, der Tochter von Clara Anquist. Ihre Mutter schweigt beharrlich über die Vergangenheit, doch dann bringt Annas Ex-Mann Neuigkeiten über Gut Anquist und Anna beginnt nachzuforschen,  auch wenn ihre Mutter mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, sie davon abzuhalten.

Doch der für mich überzeugendste Strang war der um Hanno und seine Familie. Es gelingt Frau Borrmann auf wundersame Weise, den Zeitgeist von damals einzufangen und zu den Lesern zu transportieren. Nicht nur in diesem Strang, doch dieser war derjenige, der mich am meisten bewegt hat. Ihr reichen hier wenige, wohl gesetzte Worte – der Roman hat keine 300 Seiten – damit bei mir sofort Bilder im Kopf aufgetaucht sind und es mich zusammen mit Hanno in der eiskalten Wohnung gefröstelt hat. Eine entbehrungsreiche Zeit, in der viele gestorben sind, verhungert oder erfroren, in der man einem Toten den Mantel abnimmt – einfach weil einem so kalt ist und der Tote ihn doch nicht mehr braucht. Verzweiflung und Elend, gemischt mit kleinen Hoffnungsschimmern, die von Hanno und seiner Familie ausstrahlen und zeigen, dass selbst in düsteren Zeiten aufgeben keine Option ist und man alles überwinden kann.

Doch auch wenn dieser Strang für mich herausragt, sind die beiden anderen nicht minder spannend. Und natürlich verflechten diese sich nach und nach und man erkennt, wie diese zusammen hängen könnten. Doch spannend bleibt es bis zum Schluss, denn auch wenn man einiges erraten kann oder auch nach und nach im Buch rausgefunden wird, die Autorin behält sich eine Komponente bis zum Schluss. Es ist ein beeindruckendes Leseerlebnis, zu sehen, wie der Bogen von der NS-Zeit bis in die 90er Jahre von der Autorin gezogen wird. Immer herrscht eine leise Spannung und man ist am grübeln, nur um dann gleich danach wieder mit den Gedanken dort zu sein, mit den Charakteren, mit dem Geheimnis und den Sorgen. Und am Ende schließt man das Buch und ist erzürnt über diese unglaubliche Geschichte, diese Frechheit und Kaltblütigkeit, doch im gleichen Gedankengang erinnert man sich an das Mitgefühl, die Herzlichkeit und die Familienzusammengehörigkeit.
Dieser Roman bewegt.

Fazit:
Ein bewegender Spannungsroman, der die NS-Zeit mit den 90ern verbindet und ein unfassbares Geheimnis aufdeckt – eindringlich, spannend und ergreifend. Von Mechtild Borrmann muss man in seinem Leben einfach etwas gelesen haben!


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Aufarbeitung: Inspector Swanson und der Fall Jack the Ripper – Robert C. Marley

Marley_Inspector_Swanson_Ripper_RGB_150dpi Robert C. Marley – Inspector Swanson und der Fall Jack the Ripper
Verlag: Dryas
344 Seiten
ISBN: 978-3940855596

 

 

Nun lese ich ja schon wirklich lange Krimis und Thriller. Fast mein ganzes Leben lang. Und doch ist mir einer, ein ganz bekannter, bisher durchgegangen. Klar kenne ich Jack the Ripper, aber in der Tat habe ich mich nie über ihn informiert, wenn ich mal was von ihm gesehen habe, z. B. in der Serie Ripper Street, so war das nur zufällig. Doch Autor Robert C. Marley und der Goldfinch Verlag haben das geändert. Der Autor hat eine Krimireihe um Inspector Swanson begonnen, den ersten Teil, Inspector Swanson und der Fluch des Hope Diamanten, kenne ich leider noch nicht, doch im zweiten Fall, Inspector Swanson und der Fall Jack the Ripper, widmet er sich gleich dem größten und unbekannten Verbrecher aller Zeiten. Doch die Tatsache, dass bisher keiner weiß, wer eigentlich wirklich Jack the Ripper war, hindert ja nicht daran, einen spannenden Krimi darum zu schreiben.

London, 1888. Im East End, genauer gesagt im Stadtteil Whitechapel, geht ein Täter um, der es auf die Prostituierten im Viertel abgesehen hat. Chief Inspector Donald Swanson wird mit seinem Team auf die Spur des Täters angesetzt. Auch er ist erschüttert von der Grausamkeit der Morde und will den Täter unbedingt fassen. Die Verdächtigenliste ist groß, sogar illustre Gestalten wie Oscar Wilde oder auch der berühmte Maler Walter Sickert lassen sich darauf finden. Doch wer hat nun wirklich die Prostituierten auf dem Gewissen? Swanson und sein Team müssen sich nicht nur mit den Verdächtigen rumschlagen, sondern auch polizeiinternen Querelen und es stellt sich die Frage, ob der Täter nicht sogar weitreichende Verbindungen ins Königshaus hat.

Überraschenderweise habe ich festgestellt, dass nicht nur Jack the Ripper und die Eckpunkte der Handlung der Realität entnommen waren, sondern auch Inspector Swanson eine reale Grundlage hat. Der Autor hat mit Nevill Swanson, dem Urenkel von Donald Sutherland Swanson gesprochen und auf Basis dessen Erinnerungen und Erzählungen den Detective wieder auf erleben lassen. Inwieweit die Geschichte wahr oder fiktiv, das ist nicht ganz klar, die Grenzen verschwimmen. Das ist sehr gut gelungen und verbindet dokumentarische Elemente mit einer spannenden Handlung.
Detective Swanson ist ein Vorbild für alle Constables und Seargants: mit messerscharfem Verstand ausgestattet, Anteil nehmend an den Opfern, mit der genau richtigen Mischung gegenüber seinen Mitarbeitern – streng, belehrend, Freiheiten lassend – und offen für jegliche Ermittlungsrichtungen und Hinweise. Und doch kommt er nicht so recht vorwärts. Es gibt viele Theorien und die Ermittler versuchen wirklich alles, z. B. auch das Verkleiden als Prostituierte. Auch die Einmischung von oben fehlt nicht und lässt einen die Augen rollen. Doch streckenweise gab es leider einige Längen, die zäh waren, wo die Geschichte einfach nicht voran gekommen ist und es mir schwer gefallen ist, zu folgen.

Nichtsdestotrotz ist die Aufarbeitung des Jack the Ripper Falls Robert C. Marley wirklich gut gelungen. Opfer, Verdächtige, Ermittlungsversuche – alles findet sich und wird in eine komplizierte Ermittlung verwebt, die von bekannten und unbekannten Persönlichkeiten strotzt und auch die Verschwörungstheorien komme nicht zu kurz. Wer schon immer mal mehr über Jack the Ripper lesen wollte, darf zu diesem Buch greifen. Wer schon alles von Jack the Ripper kennt, bekommt hier eine neue – mögliche – Lösung des Falls präsentiert.

Fazit:
Eine gut gelungene und spannende Aufarbeitung des Jack the Ripper Falls aus Sicht von Inspector Swanson im viktorianischen London.


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Odins Söhne – Harald Gilbers

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Harald Gilbers – Odins Söhne
Verlag: Knaur
523 Seiten
ISBN: 978-3426516430

 

 

 

 

Anfang 1945 ist Richard Oppenheimer, ein jüdischer Ex-Kommissar, untergetaucht. Durch seine Freundin Hilde hat er einen Pass mit anderem Namen und kann relativ gefahrlos leben. Natürlich getrennt von seiner Frau Lisa, aber immerhin mit einigen heimlichen Treffen. Als Hildes Mann , der KZ-Arzt Erich Hauser auftaucht, und Hilde bittet, ihm zu helfen unterzutauchen, führt dies zu einer Tragödie: Hauser wird tot aufgefunden und Hilde des Mordes an ihrem Mann verdächtigt. Damit Hilde nicht in wenigen Tagen wegen Hochverrates hingerichtet wird, muss Oppenheimer sich, gemeinsam mit einigen anderen Freunden Hildes, etwas einfallen lassen, um den wirklichen Täter aufzuspüren.

Die Handlung spielt in den letzten Monaten vor Kriegsende, einer Zeit, in der die Menschen erschöpft vom lange andauernden Krieg waren, ausgezehrt durch das kaum verfügbare Essen, in Furcht, ob sie nicht verraten werden, durch eine Kleinigkeit, eine Lappalie. Tägliche Bombenangriffe, Stunden in Bunkern und zerstörte Straßen, Gebäude und tote Menschen und der Feind naht. Die Stimmung ist bedrückend, verzweifelt und mit kleinen Hoffnungsschimmern versehen. Die Russen von rechts, die Amis von links – Deutschland steckt in der Mitte fest. Doch Hitler und sein Regime geben nicht auf. Auch der letzte verfügbare Mann wird zum Volkssturm eingezogen, derweil sich die zurückbleibenden Gedanken machen, wie sie sich wohl am besten umbringen könnten, bevor der Feind sie erwischt. Harald Gilbers gelingt es ausgezeichnet, die Atmosphäre von Berlin kurz vor dem Kollaps aufzuzeichnen. Nicht nur die Atmosphäre und Stimmung nehmen den Leser mit in eine Zeit, die die Schrecken unserer heutigen Zeit fast verblassen lässt, sondern er spickt dies mit unglaublich vielen Details, nicht nur aus der bekannten Geschichtschreibung, sondern aus dem Alltag, welche der Geschichte eine unheimlich realistische Note verleiht.

Den ersten Teil „Germania“ kenne ich noch nicht, doch man kommt auch problemlos so in die Geschichte rein. Richard Oppenheimer, ehemaliger Kommissar, ist jüdischer Abstammung und kann glücklicherweise, mit Hilfe von Hilde, verschwinden und untertauchen. Unglücklicherweise hat er allerdings einen Pass mit dem Namen Hermann Meier erhalten, welcher ihm mitunter komische Blicke beschert (Der Name bezieht sich auf ein Zitat von Hermann Göring, welcher sagte, dass er Meier heißen wolle, wenn nur ein feindliches Flugzeug das Reichsgebiet überqueren würde). Oppenheimer ermittelt, gemeinsam mit einigen großartig gestalteten Nebenfiguren, nicht nur in Bezug auf Hausers Arbeit, die dem Leser so einige grausliche Details über die Forschungen der NS-Zeit bringt, sondern auch in eine ganz andere Richtung, die er aber lange für sich behält. Oppenheimer hat zufällig die Leiche vor allen anderen entdeckt und dort eine Anstecknadel gesehen. Da diese später verschwunden ist, gerät sie in Oppenheimers Fokus und führt ihn in geheime, okkulte Kreise, die dem Denken des NS-Regime zwar nicht unähnlich sind, aber trotzdem von Hitler verboten wurden.

Nun ist eine Ermittlung während der NS-Zeit schon per se nicht einfach, als untergetauchter jüdischer Ex-Kommissar noch ein wenig schwerer und mit einer drohenden Persiflage von Gerichtsverhandlung, die mit Hildes Tod enden wird, ein riesengroßer Druck, der auf Oppenheimer lastet. Die Ermittlung der Polizei ist dann auch eher eine Schmierenkomödie und die Beweise werden auf Hilde „hingeschustert“. Zugegeben, es ist nicht einfach, den wahren Täter zu finden, aber die Anstrengung des ermittelnden Kommissars regelrecht lachhaft. Die Verhandlung, von der man weiß, dass es nicht um den Mord geht, sondern einzig und allein darum, aufzudecken, wer nicht 100% hinter dem NS-Regime steht und von Zeugen, die einen denunzieren, weil sie einen nicht leiden können, wimmelt. Oppenheimer muss also den wahren Täter finden – das ist die einzige Lösung für Hildes Problem. Durch den Zeitdruck und den drohenden Tod (durch das Fallbeil) ist die Spannung konstant hoch, während dazwischen Bomben fallen, man nie weiß, wem man trauen kann und Greueltaten aus dem Zwielicht auftauchen. Mit der Lektüre von „Odins Söhne“ wird einem ganz bestimmt nie langweilig!

Fazit:

Atmosphärisch dicht ist man als Leser direkt dabei in der NS-Zeit, gemeinsam mit dem jüdischen Ex-Kommissar Oppenheimer, der gegen die Zeit ermitteln muss, um seine Freundin Hilde vor dem Galgen zu retten. Hier stimmt einfach alles – Atmosphäre, Spannung und Figuren, die einem in Erinnerung bleiben. Perfekt!


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Historisch spannend: Unter dem Schatten des Todes – Robert Brack

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Robert Brack – Unter dem Schatten des Todes
Verlag: Edition Nautilus
218 Seiten
ISBN: 978-3894017521
13,90 €

 

 

Für letztes Wochenende habe ich ein kurzes, aber politisch-kriminalistisches Buch gesucht und da ist mir „Unter dem Schatten des Todes“ von Robert Brack in die Hände gefallen. Vor einiger Zeit habe ich dieses als Lesetipp vorgestellt und jetzt kann ich Euch auch sagen, ob es wirklich ein Lesetipp ist.

Klara Schindler, Reporterin, Lesbe und Kommunistin, versteckt sich in Dänemark (warum, kann man in „Blutsonntag“ herausfinden – den Teil hab ich aber auch noch nicht gelesen und in diesem Teil gibt es nur einige Andeutungen). Doch als der Reichstag brennt wird sie von der Parteiführung nach Berlin geschickt zur Ursachenforschung. War wirklich Marinus van der Lubbe der Alleintäter? War es ein Schachzug der Kommunisten? Nach der Tat scheint es eher so, als hätten die Nationalsozialisten den Reichstagsbrand initiiert um die Verhaftung ihrer politischen Gegner zu legalisieren. Klara begibt sich unter falschem Namen, mit gefälschtem Pass und ständig wechselnden Unterkünften nach Berlin auf Spurensuche.

Ein spannendes Thema, welches sich Robert Brack hier rausgesucht hat. Der Reichstagsbrand ist bis heute ungeklärt. Die verschiedensten Historiker haben die verschiedensten Theorien aufgestellt, doch eindeutige, letztendliche Beweise lassen sich nicht finden. Herr Brack schickt Klara Schindler auf die Suche danach.

Klara Schindler ist eine interessante und kantige Heldin. Idealistisch bis zum Erbrechen (und das ist nicht bös gemeint) und doch fast verloren in dem Parteiengewirr, auf das sie losgelassen wird. Vertrauen hat sie zu fast keinem und das ist auch gut so. Spitzel sind an der Tagesordnung. Die SA streift durch die Straßen und nimmt jegliche politische Gegner fest – mit Gewalt und Grausamkeit. Klara kann mitunter oft nur entkommen, da sie eine Frau ist. Aus dem Grund zieht sie jetzt auch öfters Röcke an – Hosen schaden in dem Fall nur. Und doch kann sie manchmal ihre Zunge nicht im Zaum halten. Damit stößt sie nicht nur bei den Nazis an, sondern auch bei den Genossen oder gar ihren Freunden und Vertrauten (so wenige das auch sind). Doch auch wenn Klara Mut und Aufmüpfigkeit, Neugier und Hartnäckigkeit beweist, ist der Krimi doch durchzogen von Angst, Gewalt und Misstrauen.

Denn Klara ist zwar die Protagonistin und doch ist sie eigentlich nur Beiwerk. Die Geschichte – der Reichstagsbrand als Ausgangspunkt, aber eigentlich die Gesellschaft und Politik der damaligen Zeit – steht definitiv im Vordergrund. Ohne geschichtliche Affinität hat man glaube ich nur mäßig Spaß an dem Kriminalroman. Man erfährt sehr viel über die Zeit damals: wie die Organisationen und Parteien damals strukturiert und miteinander verbandelt waren, wie die Arbeit im Untergrund abläuft und wer gegen wen und wer für wen ist. Schon im Geschichtsunterricht ein komplexes Thema muss man für diesen Krimi schon Muße mitbringen, denn die geschichtlichen Fakten sind zwar interessant, doch letztendlich ist es ja Unterhaltung und kein Sachbuch. Und so schickt Robert Brack Klara ins Rennen – um das Ganze dem Krimileser als spannenden Fall zu präsentieren. Es ist keine klassische Ermittlung, doch am Ende setzt der Autor ein Finale, dass durchaus einiges an Spannung zu bieten hat. Und sogar eine Lösung des Falles. Natürlich nur die Lösung, die sich der Autor denkt. Und es ist eine gute Lösung, eine, mit der man als Leser durchaus glücklich den Krimi zuschlägt.

Fazit:
Ganz sicher kein Buch für zwischendurch, dafür historisch spannend, aber auch fordernd, gepaart mit einer kantigen Heldin und einem untypischen Kriminalfall.

4 Schafe


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Fehlender Zeitgeist: Fronleichnamsmord – Bea Rauenthal

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Bea Rauenthal – Fronleichnamsmord
Verlag: List
340 Seiten
ISBN: 978-3548611846
9,99 €

 

 

 

 

Ab in die Wilden Siebziger ist das Motto! In „Fronleichnamsmord“ reisen Jo Weber und Lutz Jäger zum dritten Mal durch die Zeit und landen – erst mal getrennt voneinander – in den Siebzigern. Jo als erste weibliche Kommissarin bei der Kriminalpolizei, Lutz als Hippie in einer Kommune. Zusammen versuchen sie den Brand eines Kaufhauses und den damit verursachten Tod des Geschäftsführers zu verhindern. Doch zuerst geschieht ein anderer Mord, der ihre Aufmerksamkeit benötigt…

Was war ich gespannt auf diesen Krimi und hab mich so gefreut, ihn bei vorablesen.de gewonnen zu haben. Ein Zeitreisekrimi – das hört sich doch nach etwas an, was nicht Mainstream ist und Abwechslung in den Krimi-Alltag bringt. Schon vorher habe ich mit den ersten beiden Teilen geliebäugelt. Nach der Lektüre bin ich ehrlich gesagt ein wenig ernüchtert.

Versteht mich nicht falsch. Der Krimi war gut. Ich hab ihn schnell durchgelesen und hatte Vergnügen dabei. Die Protagonisten waren mir sympathisch, mit ein paar wenigen Ecken und Kanten. Ein paarmal wurde auf die vorherigen Teile verwiesen und auch die Liebesgeschichte zwischen Jo Weber und Lutz Jäger hat ja schon vorher begonnen und setzt sich eben mehr oder weniger fort, doch es war nicht unangenehm und man hat auch nicht den Faden verloren, nur weil man die beiden vorigen Teile nicht kennt. Aber von der Zeitreise in die Siebziger hatte ich mir doch mehr versprochen.

Die Autorin hat alles reingepackt, was man sich in den Siebzigern so vorstellt: über Polyesterkleidung, Kollegenmachos, Käfer ohne Gurt bis zur Hippiekommune. Die Ermittlungsmethoden sind natürlich auch ein wenig anders: die SpuSi ist noch in den Kinderschuhen, Berichte werden auf der Schreibmaschine getippt und Telefonzellen bekommen ihren Cameo-Auftritt. Doch das sind alles recht oberflächliche Erscheinungen. Als ein BKA Kollege die Ermittlungen an sich reißt und diese Richtung Terroranschläge und RAF lenkt, ist den beiden Protagonisten natürlich schon völlig klar, dass dies nicht der Grund ist und es werden Ermittlungen ab von den offiziellen Wegen eingeschlagen. Mag ja sein, dass der Mord ‚banalere‘ Gründe hat und leider keine – politische oder sonst wie – Tiefe inne hält, doch ein bisschen mehr Zeitgeist hatte ich mir schon versprochen. Gerade von einem Zeitreisekrimi – also einem Krimi, der nicht explizit nur in einer bestimmten Zeit spielt, sondern eben einen Protagonisten hat, der in eine fremde Zeit versetzt wird. So hätte der Krimi – abgesehen von den Oberflächlichkeiten – auch in unserer Zeit spielen können. Das finde ich sehr schade, vor allem von einer Autorin, die ansonsten historische Romane veröffentlicht und von der ich eigentlich mehr Recherche und daraus resultierend mehr Einfühlung und Vergegenwärtigung der entsprechenden Zeitperiode in ihrem Buch erwarte als ich selbst – ohne Recherche – über die Siebziger weiß. Für mich hat das Buch einfach zu viele verschenkte Chancen. Die Siebziger haben so viel Potential für kriminelle Machenschaften, doch leider bleiben diese ungenutzt und für mich war es eher ein völlig normaler Kriminalfall.

Zusätzlich fühlte ich mich stellenweise sehr an „Zurück in die Vergangenheit“ erinnert. Wenn ich an Zeitreise denke, sprudelt mein Kopf über vor Ideen und Komplikationen, Paradoxen und Humor. Ganz zu schweigen von den vielen interessanten Geschehnissen, die man einbauen und verarbeiten kann. Da gibt es so viel mehr als Toast Hawaii und Tippex. Auch warum der Titel „Fronleichnamsmord“ heißt, entgeht mir völlig. Außer dass der Krimi ungefähr zu dieser Jahreszeit spielt, gibt es hier keine Verbindung – auch sehr schade, da ja alle Teile an Feiertage angelehnt sind und man auch hier einiges herausholen hätte können.

Der Krimi ist nicht schlecht, nur eben ist genau der „Gimmick“, die Zeitreise, die es von der Masse herausreißen sollte, leider nicht gelungen. Ich habe trotzdem beschlossen, zumindest noch einen anderen Teil der bisher dreiteiligen Serie zu lesen. Im ersten Band geht es ins Mittelalter und im zweiten Band ins Jahr 1898 – ich bin gespannt, ob die Vergangenheit und der Zeitgeist dort mehr zu spüren ist.

Fazit:

Ich war so gespannt auf den Krimi und es war schon ganz nett in die Siebziger zurückzukehren, doch letztendlich war es bis auf ein paar Kleinigkeiten ein ganz normaler, durchschnittlicher Krimi. Nicht mehr, aber auch nicht weniger und dafür gibt es 3 Schafe.

3 Schafe