
Ariel Spiro ermittelt diesmal im Mordfall eines aus dem Kanal gezogenen Journalisten. Dieser schrieb für den “Völkischen Beobachter” und besuchte in Berlin die Salonrunde der Bachmanns, denen eine Pianofabrik in Berlin gehört und dementsprechend einflussreich und gern gesehen sind. Nicht nur die höheren Kreise machen Spiros Ermittlung schwierig, sondern auch die Politische Polizei, die aufgrund des Arbeitsplatzes des Mordopfers mitmischt. An seiner Seite ermittelt sein Kollege Bohlke bekannt charmant auf die Berliner Art, doch seine Frau schleppt ihn noch in ganz andere Kreise. Auch Nike, Ariels Freundin und Geliebte, wandelt auf seltsamen Pfaden und nimmt an Séancen teil, die man ihr als wissenschaftlichen Menschen gar nicht zugetraut hätte. Spiros Fall hängt fest bis ein Beweisstück auftaucht, welches den Druchbruch bedeuten könnte, doch dafür muss sich Spiro erst mal auf Reisen begeben.
In diesem Teil der Reihe scheint Ariel Spiro endlich in Berlin angekommen. Er fühlt sich nicht mehr so zerrissen und fängt an sich wohl zu fühlen, in Berlin, in seinem Job und auch in seiner Beziehung mit Nike. Seinen berlinerischen Kollegen Bohlke empfindet er nun als gute Ergänzung zu ihm und hätte es gerne, wenn sie beide sich für die neue Mordkommission bewerben. Hin und wieder ist er noch ein wenig unsicher in Bezug auf Nike, doch scheint die Beziehung nun wesentlich fester als im letzten Band und verleiht Spiro Stabilität. Es könnte also alles nicht besser laufen für Ariel Spiro, doch natürlich gibt es da noch den Mordfall.
Dieser erweist sich in der Ermittlung nicht ungewöhnlich, doch es gibt einige Begleitumstände, welche die Ermittlung spannend machen. Angefangen bei Spiros Zusammenarbeit mit den Dieben der Stadt, nicht ganz legal, aber nötig um endlich den richtigen Ansatz für die Ermittlung zu finden; über die Befragungen in den höheren Kreisen und die Einmischung der Politischen Polizei, bis hin zu Spiros Reise. Ja, Spiro ermittelt diesmal nicht nur in Berlin, sondern begibt sich – wieder nicht ganz legal – auf eine recht abenteuerliche Dienstreise, bei der er viel Glück hat und einen passenden Reisekumpan und mehr Landleben als erwartet bekommt.
Durch die drohenden Schatten der Machtergreifung der Nazis verliert das Setting in Berlin in den Goldenen Zwanzigern seine Leichtigkeit. Ja, diese ist noch einige Jahre entfernt, doch gerade Spiros Ermittlungen führen in Kreise, die kein Blatt vor den Mund nehmen und ihre antisemitische und nationale Gesinnung stolz äußern. Zwar hört sich Spiro dies nur mit Befremden an, doch er widerspricht nicht, hauptsächlich um die Ermittlungen voranzutreiben und keine Zeugen zu vergrätzen. Zugleich denkt er aber auch, dass diese nationalen Tendenzen nur Ausnahmen sind und sich keinesfalls festigen bzw. dem allgemeinen Tenor entsprechen. Als Leser empfindet man ein natürliches Befremden, weiß man doch wohin das führt. Zusätzlich finde ich es sehr sehr schade, dass der Zauber der Zwanziger nach und nach verloren geht, aber natürlich war das zu erwarten. Hier offenbart auch Spiros Reise Einblicke, denn seien wir mal ehrlich – golden waren die Zwanziger wohl hauptsächlich in den Großstädten und für die, die es sich leisten konnten. Ein wenig Wehmut bleibt, aber ich bin wirklich sehr gespannt, wie sich die nächsten Teile der Reihe entwickeln und wie Ariel Spiro, der ja aufgrund seines Namen desöfteren für einen Juden gehalten wird, sich in diesen Zeiten zurecht finden wird.
Fazit:
Beeindruckend gelingt es der Autorin die Widersprüche der Goldenen Zwanziger mit den beginnenden Verzweigungen des Nationalsozialismuses, den Gegensatz Stadt- zu Landleben und die unterschiedlichsten Strömungen der Zeit unter einen Hut zu bringen. In dieser wilden Zeit ermittelt Kommissar Ariel Spiro gekonnt und nicht ganz legal in einem verzwickten, aber nicht unmöglichen Fall. Ein wunderbares Leseerlebnis, welches Lust auf mehr macht!