Es gibt da so ein paar wenige, aber sehr gewichtige schwarze Flecken auf meiner Krimiliteraturkarte. Dazu gehören unter anderem Fitzek, der mich so gar nicht reizt, Mankell, den ich vielleicht mal irgendwann lese, aber auch Deon Meyer. Diesen schwarzen Fleck wollte ich zwar schon gerne länger von meiner Landkarte tilgen, doch wie es so ist, hat es bisher nicht geklappt. Wie schön, dass die Speziale mir oft Anlass geben, mich Autoren und Autorinnen zu widmen, von denen ich noch nichts gelesen habe. Und das ist auch gut so, denn ansonsten müsste ich mich jetzt ärgern, dass ich schon wieder nichts von Deon Meyer gelesen hätte und damit einen Meister seines Faches verpasst hätte.
Van Heerden, ein ehemaliger Polizist, der seinen Vornamen Zatopek aus naheliegenden Gründen nicht so sehr mag, wird von der Anwältin Hope Beneke engagiert, um das Testament des ermordeten Antiquitätenhändlers Johannes Jacobus Smit zu finden. Laut dessen Lebensgefährtin Wilna Van As vermacht Smit ihr in dem Testament Haus, Geschäft und Vermögen. Das Problem ist, dass seit dem Mord schon 10 Monate vergangen sind und Van Heerden nun nur noch 7 Tage bleiben, um das Testament zu finden, andernfalls fällt das Erbe an den Staat. Also macht sich Van Heerden auf eine fast aussichtslose Suche, die einfach beginnt, doch versteckt ein schreckliches Ereignis inne hat, welches zwar schon 20 Jahre vergangen ist, doch jetzt wieder seine Fühler ausgestreckt hat.
Van Heerden. Wie einige seiner Kollegen war er mal Polizist und schlägt sich jetzt so durch. Tatsächlich hat vor seinem Polizeidienst eine ordentliche akademische Karriere hingelegt und kennt sich mit der Psychologie von Tätern gut aus. Entgegen vieler anderer Schnüffler kann er dafür so gut wie nicht schießen. Aber er hat es. Er hat die Fähigkeit, Spuren zu erkennen und Zusammenhänge herzustellen. Er ist gut, aber er selbst denkt, er wäre kein guter Mensch. Durch seine Mutter, die eine recht bekannte Künstlerin in Südafrika ist, schlägt er ein wenig aus der Art, mag klassische Musik und kocht hervorragend. Doch weil er denkt, dass er kein guter Mensch ist, ist er aus der Polizei ausgetreten und schlägt sich so durch. Zwar trifft man ihn als erstes in einer Ausnüchterungszelle, doch Alkohol ist nicht sein Problem.
„Ein Privatschwengel, heilige Scheiße! Du warst mal gut.“ (S. 39)
Doch Van Heerden findet, er ist kein guter Mensch. Er hat den Sinn im Leben verloren, aber nichtsdestotrotz muss er sein Leben finanzieren, deshalb nimmt er den Auftrag von Hope Beneke an. Und lässt ihn fallen. Und nimmt ihn wieder an. Und lässt ihn wieder fallen. Und nimmt ihn wieder an, unwiderruflich. Er ist ein ungewöhnlicher Privatschnüffler, im Buch übrigens einmal „Privatschwengel“ genannt, aber sicher kein außergewöhnlicher. Doch die Tatsache, dass Van Heerden den Fall immer wieder los zu werden versucht, sorgte bei mir erst mal für Erheiterung. Doch der Fall packt nicht nur mich, sondern auch Van Heerden irgendwann und gemeinsam mit der ahnungslosen Hope, die wohl keinesfalls das erwartet hat, was auf sie zugekommen ist, macht er sich an die Arbeit.
Aufgeteilt ist das Buch in die 7 Tage, in denen das Testament gefunden werden muss, mit den jeweiligen Unterkapiteln. Dabei wird aber nicht nur die aktuelle Ermittlung von Van Heerden und Beneke erzählt, sondern Van Heerden erzählt, immer abwechselnd, wie er zu dem Menschen geworden ist, der er heute ist. Er beginnt bei der Kindheit, arbeitet sich durch seine Jugend, sein Studium, seine akademische Laufbahn, seinen Polizeidienst. Und dann, dann versteht man endlich, warum er so ist, wie er ist. Warum er denkt, dass er kein guter Mensch ist. Und vielleicht war er das in einer Sekunde nicht, doch dann sieht man ihn in der aktuellen Ermittlung und weiß, er ist ein guter Mensch.
„‘Ich sagte, nicht schlecht. Zwei Stunden und siebenunddreißig Minuten, nachdem wir Ihre Anfrage bekommen haben. Nicht schlecht für Schwarze, die nach afrikanischen Zeitvorstellungen arbeiten.‘ Und Ngwema kicherte leise vor sich hin.“ (S. 79)
Auch wenn wir uns in Südafrika befinden, sind die Hinweise auf Land und Kultur zunächst eher leise. Zum einen wird der Leser nicht direkt mit der Nase darauf gestoßen, doch auch der Fall, der sich zwar später noch ein wenig auf dem afrikanischen Kontinent ausdehnt, zeigt hauptsächlich Ermittlungen, die auch in jedem anderen Land hätten stattfinden können. Dies ist so, da die Tragweite des Falls um den ermordeten Antiquitätenhändler erst spät ans Licht kommt. Doch hier zeigt sich dann Südafrikas Vergangenheit, Militär und Geheimdienst tauchen auf, eine alte aber noch lange nicht vergessene Geschichte um Dollar und Diamanten taucht auf. Zuerst ist es nur eine Kleinigkeit, die auffällt, an der sich Van Heerden festhält und von da an weiter bohrt. Und Van Heerden nutzt die vierte Gewalt, die Presse, um die Täter aufzuscheuchen, heuchelt Wissen vor und schafft es, die Wespen aus ihrem Nest zu treiben. Doch Wespen werden nicht gerne aufgescheucht und so hat Van Heerden ein Finale vor sich, für dass er wohl vorher noch besser schießen hätte üben müssen.
Van Heerden ist definitiv ein Privatdetektiv, von dem ich gerne weitere Fälle lesen würde, doch wie es scheint ist Van Heerden kein „Serientäter“, denn „Tod vor Morgengrauen“ wurde schon im Jahre 2000 ursprünglich veröffentlicht und noch gibt es keinen weiterführenden Teil. Schade. Aber das hält mich natürlich noch lange nicht davon ab, mich nun den anderen Reihen des Autors zu widmen.
Fazit:
Privatschnüffler Van Heerden bietet ohne es zu wollen, eine hervorragende und spannende Ermittlung, derweil er im zweiten Erzählstrang Einblick in seine Vergangenheit gibt. Wunderbar erzählt, tiefgründig, packend und ein Lesegenuss!
Deon Meyer – Tod vor Morgengrauen
Verlag: atb
Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet
570 Seiten
ISBN: 978-3746630489