Jake Bishop ist dem amerikanischen Traum ganz nah. Seine Frau Paris ist schwanger und er steht kurz davor seinen eigenen Friseursalon zu eröffnen. Doch dann kontaktiert ihn Walker Joy, sein ehemaliger Zellengenosse. Walker, gerade frisch aus dem Gefängnis entlassen, bittet Jake um einen Gefallen. Obwohl Jake in seiner Schuld steht, denn Walker rettete ihm damals im Knast das Leben, lehnt er ab. Doch er hat nicht mit Walkers Geschäftspartner gerechnet, der Jake gnadenlos erpresst und ihn so zwingt, bei einem Juwelendiebstahl mitzumachen.
Liest man den kurzen Abriss über Les Edgertons Leben – der leider letztes Jahr schon verstorben ist – kann man sich denken, dass der Autor hier auch eigene Erfahrungen verarbeitet hat, doch im Gegensatz zu seinem Protagonisten Jake Bishop, hatte Edgerton mehr Glück mit der Resozialisierung. Bishop kann sich nicht vorstellen, wieder in den Knast zu kommen, denn nach schon zwei Aufenthalten dort, wäre der nächste Aufenthalt lebenslänglich. So hat er sich sein Leben nicht vorgestellt – er will seinen Friseursalon eröffnen, sein Kind aufwachsen sehen und mit seiner großen Liebe alt werden. Doch durch die Erpressung durch Sydney Spencer, Walkers Partner, der Jakes Bruder Bobby bedroht, einen Halbwüchsigen, der gerade auf der Kippe steht und abzurutschen droht, kann er sich dem Plan Edelsteine aus dem Haus eines Juweliers zu entwenden, nicht entziehen. Also macht er mit. Und damit nimmt der wilde Ritt seinen Lauf.
Was der Autor dann macht, würde ich jetzt mal als noireske, rabenschwarze Wendeltreppe in den Abgrund beschreiben. Fast an jedem Kapitelende öffnet sich ein neuer Höllenschlund, dem Bishop versucht auszuweichen, ihn zu überspringen oder ihn zu stopfen versucht. Bitterböse Wendungen bringen Jake, gerade wenn er sich aus einer Misere noch hat hinaus retten können, wieder in die Bredouille. Er gibt nicht auf und kämpft sich weiter, schlau genug ist er, um für alle Wendungen eine Idee zu haben. Das, was ihm fast ständig das Genick bricht, ist witzigerweise eine Baskenmütze. Es ist zum wahnsinnig werden, wie der Autor die Geschichte vorantreibt und man als Leser zwischen allen Emotionen steckt und nicht aufhören kann weiterzulesen. Ungläubiges Kopfschütteln, gepaart mit verzweifelter Hoffnung – man wünscht es Jake ja irgendwie doch – und einem Sog so schnell wie möglich weiterzulesen, der spannungsgeladenen Aktion zu folgen. Ein paar „Unfälle“, hüstel Leichen, pflastern Jakes Weg zur vermeintlichen Freiheit.
Und obwohl ich Jake Bishop als Hauptfigur ganz sympathisch fand, kann er einfach nicht aus seiner Haut. Natürlich schätzt er seine Chancen ab. Natürlich versucht er Spencer loszuwerden, wenn möglich auch Walker. Und letztendlich sind die Diamanten ja auch viel wert. Doch das große Ziel – das normale Leben – lässt er nicht aus den Augen. Auch wenn man als Leser mit jedem Kapitel weiter den Kopf schüttelt und sich fragen muss – glaubt der wirklich noch daran? Wie soll das laufen?
Während Spencer und Walker ganz klar die Gauner und Diebe sind, welche sie sein sollen und hier keine Überraschungen aufwarten, war die Figur, der ich gar nicht getraut habe, tatsächlich die einzige weibliche Figur und auch die einzige Figur, die sich wirklich nichts zu Schulden kommen hat lassen – Paris, Jakes Frau. Das ganze Buch über habe ich mich gefragt, wann sie ihn wohl – wahlweise – verlässt, verrät oder verpfeift.
Doch alles kommt ganz anders als man denkt und ich kann es nur meiner schlechten Menschenkenntnis oder – das mach ich lieber – der genialen Figurenzeichnung des Autors zuschreiben, dass ich mit allen möglichen Vermutungen falsch lag und auf den Ausgang keineswegs gefasst war. Ja, tatsächlich kann man sagen, dass Edgerton am Ende noch die Wendung rausholt, mit der ich so gar nicht gerechnet habe. Es gibt kein Entkommen aus dem eigenen Leben, so sehr man auch strampelt, man bleibt wer man ist und muss jegliche Hoffnung fahren lassen. Im Original heißt das Buch ja „The Bitch“ und genauso kann man es hier zusammenfassen: Life is a bitch.
Umso mehr muss man Bewunderung für den Autor aufbringen, der ja irgendwann am gleichen Punkt stand wie seine Hauptfigur Jake Bishop: frisch aus dem Knast entlassen. Doch er hat die Kurve bekommen und hinterlässt uns noch einige Bücher, von denen bisher ein weiteres schon in Deutsch verfügbar ist – Der Vergewaltiger – und ein weiteres für demnächst angekündigt ist – Das grenzgeniale Pseudo-Kidnapping. Das steht schon auf meiner Merkliste, denn von dem Autor möchte ich auf jeden Fall mehr lesen.
Fazit:
Wie gewohnt bereitet der Pulp Master Verlag mit seinen Krimis wahnwitzig noireske und rabenschwarze Leseunterhaltung, die ihresgleichen sucht. Noch ist mir kein Buch aus dem Verlagshaus begegnet, welches ich nicht empfehlen kann und so ist es auch hier. Noir at its best – bitte unbedingt lesen!