Kim Young-ha – Aufzeichnungen eines Serienmörders
Übersetzer: Inwon Park
Verlag: Cass Verlag
152 Seiten
ISBN: 978-3944751221
In der nur 150 Seiten langen Novelle des Shooting Stars der koreanischen Krimiszene, versucht der Protagonist Byongsu Kim seine Tochter Unhi zu retten, bevor ihn die Demenz einholt. Denn in Jutae Park, ihrem Freund, glaubt er seinesgleichen erkannt zu haben, einen Serienmörder.
Während nicht nur das Gedächtnis von Byongsu Kim nachlässt, lassen auch die Seitenzahlen nach und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn im Verlaufe des Buches werden diese immer durchscheinender. Dieser kleine visuelle Effekt spiegelt sich im Verfall von Kims Gedächtnis wieder. Er versucht vieles, Dinge aufschreiben, auf Band aufzeichnen, doch seine Gedanken entfliegen ihm. Gleichzeitig versucht er seinen letzten Mord zu planen. Zwar ist er ein Serienmörder, doch hat er vor 25 Jahren schon aufgehört zu morden und muss nun, gleichzeitig im Kampf gegen seine Demenz, einen weiteren Mord planen, den an Jutae Park.
Doch vieles entgleitet ihm, während anderes auftaucht. Erinnerungen, Gedichte und Musik füllen seine Tage, manche erschrecken ihn, manche beruhigen ihn. Das Lyrische, Poetische begleitet ihn durch sein Leben, hat er doch früher selbst Gedichte geschrieben. Seine Tochter Unhi, die er adoptierte, nachdem er ihre Eltern ermordete, verliert mehr und mehr die Geduld mit ihm, verzweifelt an ihm. Auch das kriegt er nur am Rande mit… und vergisst es wieder.
Wie so oft, wird es hier der Krimileser, der es gerne gut sortiert mag und eine klare Ermittlungsstruktur braucht, eher schwer haben. Dafür erhält er aber einen kleinen Krimischatz. Die Aufzeichnungen sind genau das was sie sind – Aufzeichnungen. In einem tagebuchhaften Stil, manchmal lyrisch, immer kurz, oft sehr neutral, sammeln diese Absätze, Passagen aus einem Leben, welches langsam entschwindet. Doch durchgängig findet sich die Hartnäckigkeit des alten Mannes wieder, denn Jutae Park und der Plan ihn zu ermorden, spuken unablässig in seinem Kopf, Demenz hin oder her. Er ist pragmatisch und kühl, keineswegs plagen ihn irgendwelche Gewissensbisse, seine Taten sind auch schon verjährt. Es scheint ein Katz und Maus Spiel zwischen den beiden Serienmördern entsponnen zu sein. Und doch ist am Ende alles ganz anders, denn der Autor macht sich die Eigenschaft des Protagonisten zu Gebrauch: seine Demenz.
Mit „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ von Kim Young-ha ist dem Cass Verlag wieder eine kleine feine Krimiperle gelungen, die man nur empfehlen kann. Die Geschichte liest sich schnell, doch sollte man ein wenig Zeit aufwenden, um sie entsprechend zu genießen. Eine kühle, nachdenkliche Geschichte über Komik und Tragik im Leben, genial verflochten mit einer Krimihandlung, die kein Blut und Gemetzel braucht, sondern von ihrer literarischen Schönheit lebt.
Fazit:
Ich finde, der Cass Verlag macht alles richtig, denn hier finden sich nur Krimiperlen, diesmal eben eine grandios komponierte Kriminalnovelle aus Südkorea. Ein herrliches Lesevergnügen.