Georges Simenon – Maigret und der Weinhändler
Verlag: Diogenes Hörbuch
Übersetzer: Hainer Kober
Gelesen von: Gert Heidenreich
ISBN: 978-3257802078
Laufzeit: ca. 4 Std. 38 Minuten
Der Weinhändler Oscar Chabut wird auf offener Straße niedergeschossen – direkt nachdem er ein kleines Stündchen mit seiner Sekretärin, von allen nur „die Heuschrecke“ genannt, in einem anrüchigen Etablissement verbracht hat. Kommissar Maigret, der gerade einen der dümmsten Diebe der Welt ausfragt, wird zu dem neuen Fall gerufen. Nach und nach durchleuchtet er das Geschäfts- und Privatleben des Weinhändlers und muss feststellen, dass Oscar Chabut ein recht unangenehmer Zeitgenosse gewesen ist. Doch auch die Befragten stellen eine bunte Mischung dar, die nach und nach enthüllen, wer der Täter ist.
Im Klassikerspezial letztes Jahr habe ich Maigret ja zum ersten Mal kennen gelernt und wollte unbedingt mehr von ihm lesen / hören. Nun war Simenon ja ein Vielschreiber und es gibt wahrlich genügend Bücher zum Aussuchen. Eher zufällig ist mein Blick auf das vorliegende Hörbuch gefallen – ein Hörbuch sollte es aber auf jeden Fall sein. Und ich bin wahrlich begeistert von Gert Heidenreichs Stimme. Sie passt perfekt zu Maigret und fängt die französische Atmosphäre vortrefflich ein. Selten habe ich eine so gut passende Stimme erlebt – Herr Heidenreich ist für die Maigret Fälle wirklich ein Gewinn!
In diesem Maigret Fall war für mich die Handlung greifbarer. Es gab einen Mord und ein Schuldiger muss gefunden werden. In seiner ruhigen aber bestimmten Art klappert Maigret das private aber vor allem das geschäftliche Umfeld ab und bleibt in dem Unternehmen hängen. Chabut war ein gemeiner Hund, der sich seinen Posten hart erkämpft hat. Nicht immer fair und – im übertragenen Sinne – Leichen pflasterten seinen Weg. Neben seiner Frau hatte er immer Affären, auch mit so ziemlich allen seinen weiblichen Angestellten, momentan ist es eben nur „die Heuschrecke“ gewesen.
Simenon porträtiert seine Charaktere äußerst sorgfältig und eindrücklich. Ich hab wirklich keine Ahnung mehr, wie die Dame hieß, aber nicht nur der Spitzname „Heuschrecke“ ist hängen geblieben sondern auch ihr Aussehen, ihr Wesen und ihre Beziehung zu Chabut. Und das funktioniert bei rundweg allen Charakteren, von der uninteressierten Gattin des Ermordeten, dem kleinen Buchhalter bis zu faulen Femme Fatale, dem ein Mann verfallen ist, der sich besser eine andere Frau gesucht hätte.
Das besondere Gewürz an diesem Teil der Maigret Krimis ist dieses: Maigret hat Schnupfen. Also, er ist erkältet. Mit Fieber, verschwitzen Kleidern und liebevoller Sorge seiner Frau. Er fühlt sich nicht gut, doch krank machen kann er auch nicht. Das Rätsel um den Weinhändler hält ihn fest und lässt ihn sich manch nächtliche Stunde um die Ohren schlagen. Die restliche Nacht schläft er aber wie ein Toter, nun gut, ein verschwitzter Toter. Sehr selten leiden Ermittler in Krimis an Krankheiten und selten habe ich es breit ausgetreten und trotzdem zurückhaltend erlebt. Die Ermittlung schreitet voran – aber abends wird Maigret gepflegt, derweil seine fiebrigen Gedanken doch noch an den Täter denken – und ihn letztendlich natürlich auch finden.
Fazit:
Ein Krimi, der mich darin bestätigt, immer mal wieder einen Maigret zur Hand zu nehmen. Ein kränkelnder, aber trotzdem nicht zu stoppender Maigret, der Aufruhr in der Pariser Gesellschaft und unter die Angestellten des Weinhändlers Chabut bringt. Hörenswert!