Anthony Ryan – Ein Fluss so rot und schwarz, Übersetzerin: Sara Riffel, Verlag: Tropen Verlag, 272 Seiten, ISBN: 978-3-608-50179-7
Huxley ist einer von sechs Menschen, die auf einem Schiff mitten im Nirgendwo erwachen. Der siebte ist tot – Selbstmord. Keiner der Sechs kann sich an Persönliches erinnern, doch alle scheinen bestimmte, nützliche Fertigkeiten zu besitzen. Und alle haben einen Namen auf den Arm tätowiert, alles Namen von SchriftstellerInnen. So wie Huxley, der vermutlich mal Polizist war. Wer er war, ob er Familie hatte, das alles weiß er nicht. Die Sechs erkunden das Schiff und stellen fest, dass es automatisch gesteuert ist und sie keine Möglichkeit haben einzugreifen. Viel erkennen können sie auch nicht, denn mysteriöser roter Nebel umgibt sie. Doch nach und nach öffnen sich Fächer, klingelt ein Satellitentelefon, das Ufer wird sichtbar und Hinweise ergeben sich – sie nähern sich London, einem postapokalyptischen London. Doch dort ist etwas passiert und die Sechs sind losgeschickt worden, um das Grauen dort zu bekämpfen.
Natürlich ist es die mysteriöse, unheimliche Spannung und das Nichtwissen der sechs Personen auf dem Schiff, welche die ganze Geschichte vorantreiben und einen unheimlichen Sog entwickeln. Angefangen mit dem grundsätzlichen Misstrauen in der Gruppe, nachdem alle aufwachen und einen von ihnen tot auffinden. Keiner kann dem anderen trauen, denn keiner kennt den anderen – aber eben auch nicht sich selbst. Alle haben die gleichen Narben, auf dem Kopf und im Bauchbereich, doch keiner kann sich erinnern, warum. Sie finden heraus, dass jeder eine Art Spezialist ist: Ärztin, Soldat, Polizist, Physikerin, Historiker und Polarforscherin. Doch allen ist gemein, dass sie sich nur an Fakten, an Fertigkeiten, an automatisierte Abläufe erinnern. Keiner hat Erinnerungen an Familie, Freunde, persönliche Ereignisse. Und wenn sie sich zu erinnern versuchen, erleiden sie Schmerzen.
Auch der Leser bleibt mit den Figuren im Ungewissen und erfährt nichts im Voraus. Da allen Figuren das Privatleben abhanden geht, fällt es einem auch schwer, Bezug zu jemanden herzustellen. Bei einigen musste ich mich immer wieder vergewissern, wer denn wer ist. Einzig zu Huxley, aus dessen Sicht die Geschehnisse geschildert werden, und zu Rhys, der Ärztin, baut man eine Verbindung auf – das hat auch seinen Grund. Die Geschichte besticht also nicht unbedingt mit Charakterzeichnung – da fehlt dann irgendwie doch das persönliche. Doch andererseits ist das auch gut so, denn allen voran soll hier die unheimliche Atmosphäre, die mysteriösen Vorkommnisse und die nach und nach enthüllten Tatsachen wirken und das gelingt auch.
Wenn man das Buch in zwei Teile aufteilt, so lebt es anfänglich von dem Nichtwissen der Charaktere und dem Dürsten nach Informationen, den unheimlichen Kleinigkeiten und der Interaktion der Gruppe. Der zweite Teile artet dann in repetitive Handlungen aus – von denen man sich zweifellos die eine oder andere hätte sparen können – die aber unweigerlich auf einen großen Showdown zusteuern. Zuviel möchte ich hier natürlich nicht verraten, aber der Autor hat noch einiges, was er am Ende auspackt.
Insgesamt war das Buch einfach wirklich gute und spannende Unterhaltung mit einer gehörigen Portion mysteriöser und unheimlicher Atmosphäre, blutrünstigen Kämpfen und einem gewaltigen Showdown. Wer seine Thriller gerne auch mal postapokalyptisch/dystopisch und mit ordentlich Schmackes mag, kann hier nichts falsch machen. Spannend, unheimlich und in einem Rutsch weggelesen – genau das Richtige für einen verregneten Herbstnachmittag.