Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Heldenarsch: Desperado – Michael Contre


Michael Contre – Desparado
Verlag: Zerberus Books / Books on Demand
388 Seiten
ISBN: 978-3748174813

 

 

 

 

„Er träumte von Revolution, Ruhm oder Reichtum. Die Revolution geschah wie immer anderswo und ohne ihn, und die Lage war unrühmlich. Was blieb, war der Reichtum.“ (S. 7)

Und den will Roland Burget sich holen. Burget, mal Pilot, mal Kämpfer, Abenteurer und Weltenbummler, aber immer irgendwie am Arsch, will sich den Reichtum im Kongo verschaffen. Warum auch nicht? In dem rohstoffreichen Land versucht doch eh jeder, der kann, sich ein Stückchen vom Kuchen zu sichern. Coltan ist gerade der begehrteste Rohstoff und Burget will daran mitverdienen. Als Frachtpilot heuert er bei Bobo Nokoma an, General und Warlord, fliegt Coltan und Waffen. Dies allerdings nicht nur für Nokoma. Und so befindet sich Burget schon bald in einer fast aussichtslosen Situation…

Wir leben in einer Welt, in der wir gerne unsere Augen verschließen. Vor allem, was uns unangenehm ist. Vor allem, was zu weit weg ist oder scheint. Vor Dingen, bei denen wir denken, wir hätten damit nichts zu tun. Zum Beispiel Tantal, welches aus Coltan (Columbit-Tantalit) gewonnen wird. Davon hat jeder von uns was zu Hause, in elektronischen Geräten, vornehmlich ist hier das Smartphone zu nennen. Interessiert uns wie und wo das Coltan herkommt? Nicht die Bohne.

Eines der Hauptländer, in dem Coltan gewonnen wird, ist die Demokratische Republik Kongo. Und genau hier wirft der Autor nun einen tiefer gehenden Blick hinein und zeigt auf, welche verherrende Wirkung unsere Lebensweise hat. Das „demokratisch“ im Namen des Landes dient nur zur Zierde, wird der Kongo doch von Diktatoren, WarLords und Rebellen regiert, kontrolliert, zerstört. Rebellentruppen, die Kindersoldaten heranziehen, Minen, in denen Kinder und Männer bis zur Erschöpfung nach Coltan schürfen, überfallene und zerstörte Dörfer, vergewaltigte Frauen, Tote, verlassene Landstriche, derweil die Anführer und Herrscher in Saus und Braus leben, ihren Teil der Beute scheffeln und Menschenleben mit den Füßen treten. Ein Horrorszenario. Es ist ein Thriller, doch denkt man daran, dass genau dies jeden Tag in diesem Land passiert, es ist erschreckend. Der Autor zeichnet ein erdrückend realistisches Bild des armen, reichen afrikanischen Landes.

In diese Kulisse setzt der Autor nun Roland Burget. Der ist ein Arsch. So richtig leiden mag ihn kaum jemand. Ich auch nicht. Ist aber ja auch nicht unbedingt nötig, solange er ein interessanter Charakter ist. Und das ist er. Er ist abgerissen und ich stelle ihn mir – ohne dass das geschrieben worden wäre – immer ein wenig müffelnd vor. Nach Schweiß und Dreck. Er hat schon ein paar wenige gute Momente, aber er ist schlicht und einfach ein Opportunist. Er mag vielleicht nicht alle Gebaren im Kongo gutheißen, doch er hat kein Problem damit, dort mitzuverdienen. Nachdenklich stimmen ihn zwar z. B. ein Besuch in einer Coltanmine, oder auch sein Kennenlernen von Leonine, einer ehemaligen Kindersoldatin, doch letztendlich stoppt ihn das nicht, seine eigenen Ziele zu verfolgen. Er versucht, aus der Situation im Kongo, das Beste für sich herauszuholen. Das heißt aber nicht, dass er nicht auch gute Dinge tut. So hin und wieder. Also manchmal. Na, jedenfalls ist er ein Arsch. Aber er hat sich mir eingeprägt. Zudem er auch durchgängig einige Diamanten in einem Plastikröhrchen im Arsch aufbewahrt. Seine eiserne Reserve. Tja, wer’s braucht. Aber dieses Detail vergess ich bestimmt nie.

Für Herz und Moral sorgt Amelie, die für eine Hilfsorganisation arbeitet. Wobei sie erst durch eine Sexszene durch muss, die mich jetzt nicht vom Hocker gehauen hat, aber zum Glück war die quasi einzigartig. Ich mag meine Krimi und Thriller ja lieber ohne sexuelle oder romantische Verwicklungen. Nichtsdestotrotz ist es auch mit ihr Verdienst, das Burget nicht immer ein Arsch ist. Neben Leonine ist Amelie denn aber auch die einzige Frau im Thriller, die eine Rolle spielt. Die Macht- und Rohstoffverteilung erfolgt ausschließlich unter Männern. Generälen und Warlords. Ja, und die CIA mischt mit. Natürlich nur inoffiziell.

Tatsächlich sind mir die ersten 100 Seiten schwer gefallen. Ich hatte zwar einige Seiten vorher schon mal angelesen, doch danach hatte ich Schwierigkeiten, es lief etwas zäh. Ich denke, ich hab ein wenig gebraucht, um mich auf die Umgebung und den „Helden“ der Geschichte einzustellen. Danach hatte mich die Geschichte aber gepackt. Die Machtspielchen, denen Roland Burget ausgesetzt ist, treiben ihn quer durchs ganze Land. Von einem Machthaber zum nächsten, von einem Flugplatz zur Landepiste im Dschungel, von einer Coltanmine zu einer Coltanauktion und natürlich wird auch nicht an Waffen und Munition gespart. So geizt der Thriller auch nicht an Aktionszenen, die in dem eh schon gefährlichen Setting Kongo die Dramatik noch weiter steigern. Besonders gefallen hat mir dann wieder eine Stelle, die ich jetzt mal Roadtrip nenne, auch wenn es keine Straße und schon gar kein Auto gab, doch Burget muss sich irgendwann durch den Dschungel kämpfen,  inkl. Minenfeld und Vorräten, die ihm ständig abhandenkommen. Wäre es nicht für ihn lebensgefährlich, wäre das urkomisch gewesen. Mal abgesehen von der einen Szene mit den Silberrücken. Seufz.

Fazit:
Ein äußerst detaillierter und aufwühlender Blick in die Tiefen des Kongo, der mit einem „Heldenarsch“ gewürzt ist. Neben kleinen Startschwierigkeiten, ist dies ein gelungener Ausflug auf den afrikanischen Kontinent gewesen, der einem alle Probleme vor Augen führt, die wir heute nicht in den Griff kriegen.


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Ausgeklügelt: Gefährlicher Frühling – Sophie Sumburane

9783865323866
Sophie Sumburane – Gefährlicher Frühling
Verlag: Pendragon
280 Seiten
ISBN: 978-3865323866
12,99€

 

 

Ein spannendes Thema, welches die Autorin sich hier vorgenommen hat. „Gefährlicher Frühling“ handelt vom arabischen Frühling, einer Zeit, in der verschiedene arabische Länder sich zu Protesten gegen die Regierung erhoben haben. Gepaart wird dieses historisch spannende Thema mit einem recht normal aussehenden Kriminalfall in Leipzig.

Der Leser folgt auf der einen Seite Kalem Ryshad, einem Mann, der sich den Protesten in Ägypten anschließt, und Mohamad Hassan, einem „Mitarbeiter“ des Regimes und brutalen Folterer, auf der anderen Seite findet man Charlotte Petzold, die in dem Fall der ermordeten Chefin eines Ingenieurbüros ermittelt. Während man den Lebenswegen der beiden Ägypter, zeitlich versetzt zu den Ereignissen in Leipzig, folgt und nach und nach miterleben kann, wie diese in einer überraschenden Wendung aufeinander treffen, beginnt Charlotte mit den Ermittlungen und ist so gar nicht zufrieden mit der allzu leicht aufgestellten Behauptung, dass der Exfreund der Täter gewesen sein soll. Als die Kommissarin in den Firmenunterlagen wühlt, deckt sie nach und nach auf, woran die Firma eigentlich gearbeitet hat. Neben den offiziellen Aufträgen im arabischen Raum, war die Firma im großen Rahmen am Waffenschmuggel beteiligt.

Sophie Sumburane gelingt ein ganz außergewöhnlicher Einblick in den arabischen Frühling. Zum einen durch die Seite der Opposition und zum anderen aus den Augen eines Folterers. So werden die Ereignisse aus beiden Perspektiven geschildert und zeigen Ägypten als ein erschüttertes Land. Ein Land, in dem die Proteste immer lauter werden und die Aktionen der Regierung und des Militärs immer verzweifelter und gewalttätiger. Die beiden stimmen mich sehr nachdenklich und vor allem Mohamad Hassan ist mit den widersprüchlichsten Gedanken versehen, so dass man nicht drum herum kommt, auch in der lesefreien Zeit darüber nachzudenken. Und dann hat die Autorin noch einen Kniff eingebaut, der mich ungläubig nach Luft schnappen ließ. Eine verblüffende Wendung, die mich die Ereignisse in Ägypten noch mehr verschlingen hat lassen.

Dagegen steht die kühle und sachliche Ermittlung in Leipzig. Charlotte Petzold ist die einzige Figur, die mir in Erinnerung geblieben ist, die weiteren Ermittler, Zeugen, etc. sind alle recht blass und bleiben nicht haften. Doch auch mit Charlotte hatte ich so meine Probleme. Durch die Rückblenden nach Ägypten bleibt für die Ermittlung gefühlt wenig Zeit und hier wird noch einiges Persönliches von Charlotte Petzold mit aufgearbeitet, so dass einige Wendungen sehr plötzlich und wie aus dem Nichts vor einem lagen. Die verschlungenen Wege der Waffenschmuggler werden am Rande aufgedeckt und enthüllen einige erstaunliche Mittäter, doch irgendwie konnte ich keinen richtigen Bezug zu den Ermittlungen finden. Dazu war zum einen der Teil des arabischen Frühlings zu prägnant, zu beeindruckend, und zum anderen lässt mich das Ende zwiespältig zurück – nämlich zufrieden unzufrieden.

Fazit:
Ein Krimi, der von den Erlebnissen des arabischen Frühlings lebt, dessen Ermittlungen aber dadurch kurz und kühl wirken. Gemeinsam mit einer verblüffenden Wendung und einem zufrieden unzufriedenen Ende gibt das 4 Schafe.

4 Schafe


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Wahltag: Wenn der Mond stirbt – Richard Crompton

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Richard Crompton – Wenn der Mond stirbt
Verlag: dtv
383 Seiten
ISBN: 978-3423260152
14,90€

 

 

 

Das Buch ist mir doch glatt in meinen Südafrika-Stapel geraten, dabei spielt es doch in Nairobi, Kenia. Mea culpa – das darf natürlich nicht passieren. Fast hätte ich das Buch wieder weggelegt, aber zum Glück hab ich es nicht gemacht. Wobei mich die Sprüche auf dem Rückcover schon wieder eher abgeschreckt haben: „… der erste Massai-Ermittler… Eine Serie, die noch von sich reden machen wird.“ So so, jetzt sind die Literaturkritiker also unter die Wahrsager gegangen. Nun denn, ich hab mich da mal überraschen lassen.

In der Tat ist der Protagonist Molell ein Massai, der seinen Stamm hinter sich gelassen hat und jetzt in Nairobi als Polizist arbeitet. Als Strafe wurde er zum Verkehrspolizisten abkommandiert, doch als eine tote Massai gefunden wird, holt man ihn zurück. Molell, der bei einer Jagd nach Dieben, mal schnell seinen Sohn im Fahrradladen abstellt und vergisst, stürzt sich mit Feuereifer in die Ermittlung und reißt Kiunga, den jungen Kollegen, der ihm zugeteilt wird, gleich mit hinein.

Wenn ich jetzt so an Molell oder den Mordfall denke, fällt mir spontan nicht mehr so recht viel ein, was hier erwähnenswert ist. Molell ist zwar ein Massai, aber das ist auch schon das einzige, was ihn von vielen anderen Ermittlern unterscheidet. Er trauert immer noch um seine Frau, die bei einem Attentat ums Leben kann, sorgt mehr schlecht als recht für seinen Sohn und muss um das Sorgerecht fürchten, dass die Schwiegermutter beansprucht. Aber natürlich ist er ein tadelloser Ermittler. Seine Massai Kenntnisse helfen ihm ein wenig, vor allem, um das Vertrauen der Freundin des Opfers – auch eine Massai – zu gewinnen, aber er ist vorrangig eins: bohrend, stur, dickköpfig, spröde. Er hat sich in den Fall verbissen und lässt ihn nicht los. Nicht nur Lucy, das Opfer, sondern auch deren Freundin Honey lässen ihn nicht mehr los. Er sorgt sich um sie und fährt seinen Beschützerinstinkt hoch. Der Fall an sich verschachtelt sich mehr und mehr und führt so in die Kreise einer Erweckungskirche, der Lucy angehörte. Der Fall nimmt Wendung in Richtung Reichtum und Politik und nur durch die Hartnäckigkeit Molells wird der Fall nach und nach aufgedröselt. Die Lösung selbst ist dann fast banal – die Ermittlung war da doch wesentlich ergiebiger und führt in die Tiefen Nairobis.

Denn das Besondere an dem Krimi ist meines Erachtens nicht unbedingt der Kriminalfall selbst, sondern das Setting, welches der Autor gewählt hat. Schon allein die Straßen und Gepflogenheiten von Nairobi zeichnen ein ganz ungewohntes und exotisch spannendes Bild, doch der Autor macht noch mehr. Er lässt seinen Fall während der Wahlen im Dezember 2007 spielen und verleiht dem Buch damit einen Einblick in die politischen Unruhen und Vorgänge um die Wahlperiode, die man so vielleicht gar nicht mitbekommen hat oder eben nur neutral mal in der Tagesschau gesehen hat. Mit Molell ist man mitten im Geschehen, eingekreist von Polizisten, durch Brandbomben entstandenes Feuer und Demonstranten und Unruhestifter. Crompton zeigt auf, wie der vermutete Wahlbetrug von statten gegangen sein kann und wie die Wahl das Land, vor allem Nairobi, in Wallung gebracht hat. Auch die Darstellung der verschiedenen Stämme, welche sich in Kenia versammeln und mit ihren unterschiedlichen Ansichten klar kommen müssen und gerade in der Wahlperiode aneinander rasseln, gelingt dem Autor grandios. Crompton hat die Zeit um die Wahlen 2007 atmosphärisch dicht um seinen Kriminalfall gewebt und ein außergewöhnliches Land gezeigt, welches noch im Umbruch ist. Obwohl der Kriminalfall sich letztendlich eher gewöhnlich auflöst, wird ein tiefer Blick in die Politik und Gesellschaft Kenias geworfen, der mich als Leser begeistert hat.

Fazit:
Ein spannender, aber weitgehend normaler Kriminalfall, dessen Setting den Ausschlag gibt und Politik wie Gesellschaft Kenias bis in die Tiefe ausleuchtet.

4 und ein halbes Schaf