Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Lebensader: Die Spur des Geldes – Peter Beck


Peter Beck – Die Spur des Geldes
Verlag: emons
432 Seiten
ISBN: 978-3740804992

 

 

 

 

Spätestens seit „Fremde Wasser“ von Wolfgang Schorlau bin ich besorgt um unsere Wasserversorgung. Wasser ist der Grundstein des Lebens – ohne Wasser geht gar nichts. Wasser ist unser Lebenselexier, nur wenige Tage können wir ohne Wasser überleben. Wenn nun plötzlich kein Wasser mehr aus dem Wasserhahn käme, was dann? Während Schorlau sich dem Thema gewidmet hat, dass die Grundwasserversorgung privatisiert ist und demnach den Unwägbarkeiten der Marktwirtschaft unterlegen ist, geht Peter Beck das Thema ganz anders an und zeigt auf, wie anfällig die Infrastruktur der Wasserversorgung in Deutschland, aber auch in den anderen europäischen Ländern, ist. Sie ist vielleicht nicht einfach zu manipulieren, aber sie ist zu  manipulieren. Und genau daraus, strickt der Autor einen verwobenen, mitreißenden Thriller, der mit einem einfachen Schweizer Bankkonto beginnt.

Tom Winter ist Sicherheitschef einer Schweizer Bank. Als eine BKA-Anfrage eintrifft, das Konto von Otto Harnisch zu überprüfen, gibt er sich nicht zufrieden damit, zurückzumeldne, dass die 22.000 Euro des Kontos von der Stiftung ZKT für „Beratungsleistungen“ überwiesen worden sind. Denn die Todesumstände von Otto Harnisch, Brunnenmeister bei den Berliner Wasserbetrieben, sind ungewöhnlich, wurde er doch gefoltert in einem Brunnenschacht gefunden. Winter fliegt nach Berlin und beginnt in Harnischs Leben zu stöbern. Angestellter, verheiratet, kleines Häuschen mit top gepflegtem Garten. Biederer geht es kaum. Wofür hatte der kleine Angestellte also die 22.000 Euro bekommen? Dann tut sich die erste heiße Spur auf: Harnisch hatte eine Geliebte. Doch bevor er die Geliebte befragen kann, wird diese vor seinen Augen erschossen. Nun ist Winter erst recht alarmiert und wühlt sich immer tiefer in den Fall.

Was genau Tom Winter als Sicherheitschef der Bank eigentlich so in seinem Alltag macht, weiß ich nicht, denn Winter stürzt sich sofort auf Harnischs Fall. Leonie, seine Kollegin, bleibt zurück und gibt nicht nur Rückendeckung, sondern kümmert sich auch um ein paar Hacker, die den Ruf der Bank schädigen. Das kann sie eh viel besser, Winter ist in digitalen Dingen eine Niete. Dafür hat er andere Qualitäten. Eine ist, das er sich, ähnlich wie ein Privatdetektiv, nur so la la an die Gesetze halten muss und relativ frei ermitteln kann, im Gegensatz zu Polizisten. Er ist nicht an Landesgrenzen gebunden , muss nicht um Erlaubnis fragen und mit niemandem zusammenarbeiten. Der eher wortkarge Winter hat gute Kontakte und weiß diese auch zu nutzen, er kann kämpfen und mit Waffen umgehen, als ehemaliger Einsatzleiter einer Berner Spezialeinheit ist er nicht unbedarft und weiß seine Erfahrungen einzusetzen.

Was wie ein Wirtschaftskrimi beginnt, über verschlungene Wege des Geldes durch Firmen und Konten weiterverfolgt wird, mundet in einen rasanten Thriller, der auch noch einen Roadtrip der ganz anderen Art bietet – oder wer macht sich schon freiwillig auf dem Landweg von der Türkei auf nach Dagestan, einer Teilrepublik von Russland?  Ein Stück Straße, dass mich ganz sicher nie sehen wird, mich allerdings in einem Krimi voll auf seine Kosten kommen ließ und in nichts den staubigen Wüstenstraßen der USA nachsteht. Diese Einbettung in den doch eher drängenden Thriller ist dem Autor wirklich gut gelungen. Das Szenario des Thrillers – die Gefährdung unserer Wasserversorgung – welches der Autor zeichnet, ist erschreckend und gut konstruiert, und leider durchaus authentisch und vorstellbar.

Der Autor gewährt auch Einblicke in die Geschichte und Herkunft des Antagonisten, es ist eine Mischung aus Erklärungsversuch, wie der Mann zu dem geworden ist, der er ist, aber auch ein Einblick darin, wie die Taten vorbereitet wurden. Verständnis kann ich für diesen nicht aufbringen – es gibt viele Menschen, die keine schöne Kindheit haben oder ein Elternteil verlieren. Die Taten relativiert das noch lange nicht. Dafür hat es mich angeregt, ein wenig nach Machatschkala zu googlen und mehr darüber erfahren zu wollen – Machatschkala habt ihr noch nie gehört? Na, dann solltet ihr wohl das Buch lesen.

Fazit:
Als Wirtschaftskrimi getarnt entspinnt sich schnell ein rasanter Thriller, der nicht nur Action, sondern auch einen Roadtrip bietet. Überraschend und geschickt konstruiert.


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Verrückt: Das Kainszeichen – Mitra Devi

 

Wer meinem Blog folgt, wird wissen, dass ich Mitra Devis Reihe um Privatdetektivin Nora Tabani sehr gerne lese und schon drei Teile der Reihe verschlungen habe. Ehrlich gesagt finde ich es gar nicht schlimm, den ersten Teil einer Reihe direkt bei Erscheinen nicht gelesen zu haben. Auf viele gute Krimiserien stoße ich erst, wenn schon fünf, sieben oder zehn Teile erschienen sind. So ist es auch mit Mitra Devis Krimiserie geschehen und heute stelle ich den vierten Teil der Serie vor. Den vorletzten Teil der Serie. Ein weiterer Teil der Serie ist noch „Der Blutsfeind“, doch danach stoppt die Serie, denn Mitra Devi ist dieses Jahr verstorben.

Nora Tabani erhält einen Hilferuf von Carla Manser. Die Psychiaterin betreut Menschen, die aus der geschlossenen Abteilung entlassen wurden, aber noch in betreuten Wohngemeinschaften zusammenleben. Einer dieser Patienten, Paul Berthold, den sie gerade erst übernommen hat und als der Kainszeichenmörder bekannt ist, ruft sie mitten in der Nacht an und erzählt ihr nicht nur von jemanden, den er gerade getötet hat, sondern auch, dass er sich selbst umbringt, wenn sie nicht kommt. Alleine. Carla Manser verständigt den Klinikleiter und die Polizei, doch macht sich dann auf den Weg zu dem verlassenen Fabrikgelände. Berthold führt sie zur Leiche und Carla Manser muss bestürzt feststellen, dass ihr Exmann Opfer des Kainszeichenmörders geworden ist, bevor die Polizei auftaucht und nicht nur Berthold, sondern auch sie verhaftet. Aus der Untersuchungshaft engagiert sie Nora Tabani, mit der sie eine lose Freundschaft verbindet, und Nora wagt sich in tiefe Wirrungen. In die tiefen Wirrungen einer Nervenheilanstalt.

Nora Tabani ist auch ein wenig froh über den Fall, denn gerade sucht sie gemeinsam mit ihrem Partner Jan Berger nach einem Hündchen, das gekidnappt wurde. Das hier nicht die große Herausforderung wartet ist klar, desweiteren ist es wohl auch schwierig einen kleinen wuseligen Hund in ganz Zürich zu suchen. Nora schickt also Jan auf die Spuren im Netz und unterhält sich mit Mike Salzmann, ihrem ehemaligen Partner bei der Polizei und den alten Freund ihres verstorbenen Vaters. Die Spuren führen zur Klinik Seeblick, in der Berthold untergebracht war, die aber auch Carla Manser als freie Psychiaterin beschäftigte, doch gleichzeitig scheint das Grundstück, auf dem Berthold Carlas Exmann ermordet wurde, von Bedeutung zu sein, da Mark Manser dies verkaufen wollte. Derweil Jan die Spuren außerhalb, hauptsächlich im Netz überprüft, begibt sich Nora in die Seebergklinik. Sie weist sich selbst ein, als Patientin.

Was sie als leicht erachtet, erschüttert sie aber ganz schön, hat sie doch immer noch nicht den gewaltsamen Tod ihres Vaters verarbeitet. Einer der dortigen Psychiater findet denn nun auch gleich den wunden Punkt und Nora muss nicht nur über den Fall viel grübeln. Ein weiterer Anstoß ist das Auftauchen ihrer Mutter, schon bevor sie sich in die Klinik einweist. Diese verlässt freudestrahlend und übersprudelnd ihr selbstgewähltes Exil in Frankreich und verwirrt Nora damit ganz gehörig. Hatte sie bisher keinen guten Kontakt zu ihrer Mutter, kommt sie ihr nun nicht nur völlig anders vor, sondern auch wie eine Freundin. Und doch scheint da noch ein dunkles Geheimnis in der Vergangenheit zu sein.

Die Angestellten und Patienten der Klinik machen es Nora nicht leichter und sorgen für einige unfreiwillig komische Situationen, doch Nora lässt sich von ihren Vorhaben nicht so leicht abbringen. Medikamentengaben und Isolationskammern machen es ihr schwer und mit gesundem Verstand betrachtet, wirken einige dieser Maßnahmen wirklich fragwürdig, wenn auch besser als noch vor vielen oder einigen Jahren. Doch auch wenn einige Situation einen schmunzeln lassen, sind alle Patienten doch arme Tröpfe. Da ist Jay-Jay, die Angst vor außerirdischen Klonkriegern hat, sich aber rührend um Amir kümmert, der denkt, er wäre ein arabischer Prinz. Vor Günter Schwabe haben alle Angst, er am meisten, denkt er doch, dass er ein Monster ist. Oder Eleonora Graf, Noras Zimmernachbarin, die immer wieder Ratten sieht und Angst hat, von ihnen zerfleischt zu werden.

Wie immer hat sich Mitra Devi keine einfache Umgebung ausgesucht, um ihren Krimi zu platzieren. Es dauert ein wenig, bis Nora sich einweisen lässt, zuerst versucht sie alles Mögliche, um den Fall außerhalb der Klinik zu lösen, doch letztendlich führen alle Spuren dorthin. Eine Klinik, eine Klapse, lauter Gestörte und Verrückte – doch eigentlich sind die meisten dann doch harmlos, wenn auch hin und wieder selbstzerstörerisch. Der Klinikalltag war realistisch geschildert, auch wenn ich die Oberschwester Verena Knecht als laufendes Klischee wahrgenommen habe – mit strenger Hand und in den Klinikleiter verliebt. Nora kann sie natürlich schon gar nicht leiden. Jan Berger wächst mit diesem Fall ein wenig über sich hinaus – zwar fühlt er sich immer noch hinter dem PC Bildschirm am wohlsten, doch da Nora in der Klinik ist, kann er ja nicht anders und muss auch mal hinter seinem Bildschirm auftauchen.

Nachdem ich die ersten paar Seiten überwunden hatte – angefangen hatte es mit Carla Manser und Berthold, bei denen ich die Gedankengänge der Psychiaterin schon sehr vorhersehbar fand – hatte mich die Geschichte aber in den Bann gezogen, sobald Nora aufgetaucht war. Ich mag die kleine Privatdetektivin, die sich erst seit einem Jahr am Markt behauptet, aber immer wieder packende Fälle bearbeiten darf. Der Klinikalltag und die Tatsache, dass man keiner Aussage eines Patienten – aber natürlich auch nicht dem Mörder, dem man sucht – trauen darf, macht die Situation im Krankenhaus noch spannender. Mit Nebenfiguren, wie zum Beispiel der türkischen Putzfrau Fatima, die für alle so gut wie unsichtbar ist, aber fast alles sieht, lockert die Autorin die Story auf und füllt sie mit zusätzlichen Informationen, so dass der Leser immer wieder das Gefühl hat, mehr als Nora zu wissen, sich aber doch an der Lösung des Falles die Zähne ausbeißt.

Fazit:
Ein packender Kriminalfall in der Nervenheilanstalt – Nora Tabani lässt sich einweisen und findet nicht nur ihre Abgründe erschreckend. Ein packender neuer Fall rund um die Schweizer Privatdetektivin. Wer die Serie noch nicht kennt, sollte unbedingt hineinlesen!

 

In Gedenken an Mitra Devi (1963 – 2018)

 



Mitra Devi – Das Kainszeichen
Verlag: Unionsverlag
336 Seiten
ISBN: 978-3293206717

 


 


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Private Eye: Stumme Schuld – Mitra Devi

9783865320797
Mitra Devi – Stumme Schuld
Verlag: Pendragon
232 Seiten
ISBN: 978-3865320797

 

 

In Nora Tabanis Privatdetektei platzt eine Frau und behauptet ihren Mann ermordet zu haben. Sophia Maar spricht kein Wort, ist stumm und verständigt sich über schriftliche Botschaften. Und die Botschaft, die sie Nora unter die Nase hält, lautet „Ich habe meinen Mann umgebracht“. Nora kann der Frau nicht so recht glauben, beschließt aber, mit ihr nach Hause zu fahren und die Lage zu überprüfen. Die Wohnung der Maars zeigt weder die Leiche von Stefan Maar noch Spuren eines Kampfes oder Mordes. Sophia ist verwirrt, Nora fühlt sich bestätigt in ihrem Verdacht, dass die Frau nur verwirrt ist und empfiehlt ihr psychologische Beratung. Daraufhin weist Sophia Maar ihr die Tür und Nora kehrt in die Detektei zurück, um sich um ihren einzigen anderen Fall zu kümmern: ein anonymer Anrufer belästigt Frau Zwicker, eine ältere Dame, die zur Freude von Nora und ihrem Kollegen Jan immer frisch gebackene Plätzchen bei ihren Besuchen mitbringt.
Doch am nächsten Morgen steht es in der Zeitung: Stefan Maar wurde tot aufgefunden, in einer Kiesgrube. Und Sophia Maar ist verschwunden. Hätte Nora doch mehr tun sollen? Ist Sophia Maar wirklich stumm? Und hat sie wirklich ihren Mann umgebracht? Oder handelt es sich um den raffinierten Schachzug einer Psychopathin?

Nora Tabani hat sich nach ein paar wenigen Jahren von der Polizei getrennt und sich mit einer Detektei selbständig gemacht. Das Verhältnis zu ihren alten Kollegen ist gut und wenn Nora mal Informationen braucht, wird zwar lang und breit darauf hingewiesen, dass man zu laufenden Ermittlungen nichts sagen kann, dann aber doch der ein oder andere Hinweis ganz unbewusst eingeflochten. Günstigerweise hat sie gleich in ihrem Wohnhaus eine Möglichkeit fürs Detektivbüro gefunden und per Anzeige dann auch Jan, die treue Seele der Detektei. Fachfremd, aber gewiss nicht dumm und auch sehr motiviert, bringt er ein großes Plus für Nora: er katapultiert sie ins 21. Jahrhundert. Sein Laptop ist das neuste Modell und Nora will manchmal so gar nicht wissen, woher er seine Informationen so bezieht. Vor allem Bankdaten und so. Da schaut Nora mit ihrer alten Kiste schon aus der Wäsche, doch der alte Rechner wird dann – allerdings gezwungenermaßen – auch ersetzt. Die beiden ergänzen sich gut, auch wenn sich das Team noch einrüttelt. Jan ist zwar motiviert, aber gerade im detektivischen noch zurückhaltend, wenn es nicht gerade im Internet zu finden ist. Nora profitiert natürlich von ihrer polizeilichen Ausbildung und ihrer guten Spürnase. Auch wenn Jan sich reichlich Mühe gibt und die Gespräche mit ihm Denkanstösse geben, ist Nora der Kopf hinter der Detektei. Trotzdem ist es nicht einfach sich als Privatdetektivin zu etablieren und schwarze Zahlen zu schreiben. Der Fall von Sophia Maar verspricht schon mal keinen Geldsegen, aber zum Glück gibt es noch Frau Zwicker, die zum Glück nicht nur Plätzchen vorbei bringt, auch wenn diese äußerst lecker zu sein scheinen.

Verdächtige im Fall Maar gibt es genug: vom rechtspopulistischen Politikervater über den neidigen Kollegen bis zum Callboy, der für die gewissen Stunden gebucht war – doch wer hat ein Motiv? Und warum behauptet Sophia, dass sie ihren Mann umgebracht hat? Nora mag das nicht so recht glauben und fängt an, neben der Befragung der Verdächtigen, auch in Sophias und Stefans Vergangenheit zu wühlen. Manchmal scheint es schon fast zu einfach, wenn Nora einen Verdächtigen trifft und ausfragen möchte. Die Leute gehen davon aus, dass sie bei der Polizei ist und sie dementiert diese Meinung nicht. Nora glaubt dann, das Rätsel gelöst zu haben – tappt dann allerdings selten dämlich in eine Falle, die sich mit Großbuchstaben angekündigt hat. So war das Ende für Nora zwar noch reichlich brenzlig, aber eben auch mit einem Kopfschütteln verbunden.

Fazit:
Trotz einem leicht vermasselten Ende ein gelungenes Debüt mit der Privatdetektivin Nora Tabani. Ich stelle fest: ich mag Privatdetektivinnen. Bitte mehr davon!


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Willkür: Hafturlaub – Petra Ivanov

329320726X
Petra Ivanov – Hafturlaub
Verlag: Unionsverlag
329 Seiten
ISBN: 978-3293207264

 

 

 

 

Es gibt gleich zwei Dinge, die mich nach Petra Ivanovs Krimi nicht in Ruhe lassen. Die Autorin, von der ich übrigens, bevor ich „Hafturlaub“ gefunden habe, noch nie etwas gehört habe, schreibt neben zwei Krimireihen noch Regionalkrimis, Jugendbücher und Kurzgeschichten. Eine sehr produktive Dame, diese Petra Ivanov. Mit „Hafturlaub“ ist nun der zweite Teil um das Ermittlerduo Jasmin Meyer und Pal Palushi erschienen. Eine Sache, die mich nun nicht ruhen lässt, ist die Frage, ob ich nicht besser mit dem ersten Teil hätte anfangen sollen. Ähnlich wie bei Bottinis Louise Boni hat auch Ivanovs Jasmin Meyer mit den Dämonen aus ihrer Vergangenheit zu kämpfen und da stellt sich nun mal die Frage, ob man nicht mit dem ersten Band hätte beginnen sollen oder ob man nun schon alles weiß und das gar nicht mehr braucht. Letztendlich hab ich ja nun schon den zweiten Band gelesen aber ich möchte den ersten Band trotzdem noch lesen. Zum einen ist dort ja trotzdem ein toller Kriminalfall enthalten – egal wie es nun um die Protagonisten steht und zum anderen, nun, wer weiß schon, ob man dann nicht noch ein wenig mehr über die Dämonen erfährt, auch wenn man natürlich den Ausgang dann irgendwie schon kennt.

Nun aber zum eigentlich Krimi – „Hafturlaub“. Jasmin Meyer, ehemalige Polizistin, versucht sich ihren Lebensunterhalt als Privatdetektivin zu verdienen. Viele Aufträge hat sie nicht, um nicht zu sagen, gar keinen. So ist sie froh als Milena Herzog sie engagiert, ihre Tochter Fanny zu beschützen. Sie hat Drohbriefe erhalten und fürchtet um die Sicherheit der Elfjährigen. Da die Ermittlungen der Polizei auch nicht so recht weiterkommen, erweitert Milena ihren Auftrag und Jasmin beginnt mit den Ermittlungen, herauszufinden, woher die Drohungen stammen. Da Milena Herzog in der Justizbehörde arbeitet und über Hafturlaube entscheidet, sind Verdächtige schnell gefunden. Ein Thema, worüber Pal Palushi gar nicht mit Jasmin einig ist. Als Strafverteidiger sieht er Hafturlaube als Chance für seine Mandanten, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Doch stecken vielleicht wirklich Strafgefangene oder deren Verwandte/Freunde hinter den Drohbotschaften an  Milena Herzog?

„Versteh mich nicht falsch, ich möchte Gewalttaten nicht bagatellisieren. Aber woher wissen wir, ob jemand tatsächlich rückfällig wird? Die Erwartung, die Justiz könne Straftaten voraussehen, ist absurd! Und dennoch ist das Strafrecht heute nicht mehr ausschließlich dazu da, Täter zu verfolgen und zu bestrafen, nein, es soll sogar Taten verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, wird das höchste Gut des Menschen geopfert – seine Freiheit.“ (S. 92)

Dies ist das zweite Thema, welches mich beschäftigt. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, wie es im deutschen Recht ist, aber in der Schweiz ist es wohl so, dass ein Gefangener, auch nach Ablauf seiner Strafe, noch in Verwahrung bleiben kann, wenn er denn als Gefährdung beurteilt wird. Das gilt dann schon, wenn er sich weigert an einer Therapie teilzunehmen aber auch mal, wenn er etwas Falsches dort offenbart und das als Gefährdung eingestuft wird. Im Buch mag dies noch überspitzt gezeichnet sein, doch wer vergibt hier das Recht, zu beurteilen, ob jemand rückfällig wird oder nicht?
Ah, ihr sagt jetzt, ja, aber lieber lassen wir alle Gefangenen lieber eingesperrt, bevor eine weitere Tat geschieht. Ja, gutes Argument. Und wo ist die Grenze? Bei allen Gefangenen oder nur bei bestimmten? Und wer legt das fest?
Genau die gleiche Willkür herrscht bei der Bewilligung der Hafturlaube, ein paar wenige Stunden, welche die Gefangenen am Ende ihrer Strafe schon in Freiheit verbringen dürfen. Meist allerdings trotzdem mit Aufpasser und natürlich genauem Urlaubsplan, aber keinesfalls mit dem Auto.
Ein sehr spannendes Thema, welches mich jetzt noch fesselt und grübeln lässt. Eine schwierige Diskussion. Auch ich will nicht, dass ein Mörder oder Vergewaltiger auf Hafturlaub oder weil er nicht „verwahrt“ wurde, rückfällig wird und eine weitere Tat begeht.

„Noch nie waren wir so wenigen Gefahren ausgesetzt. Doch jede einzelne Panne wird von den Medien hochgespielt. Ein Justizskandal […] verkauft sich gut. Dass kaum etwas schiefläuft, interessiert niemanden. Auch nicht, dass diese seltenen Pannen in keinem Verhältnis zur wirklichen Bedrohung stehen. Der Mensch verhält sich paradox. Im Alltag fürchten wir uns vor dem wenig Wahrscheinlichen, die wahren Gefahren aber übersehen wir.“ (S. 28)

Ich denke, es ist klar, dass die beiden Zitate von Pal Palushi stammen. Jasmin Meyer, selbst Opfer eines Übergriffs, ist da ganz anderer Meinung. Wegsperren soll man die – am besten für immer. Und so reiben sich die beiden, die sich eigentlich lieben, aneinander auf und weichen keinen Schritt von ihrer Meinung ab. Dabei steht die Beziehung der beiden eh nicht unter einem guten Stern, da Jasmin immer noch mit den Dämonen ihrer Vergangenheit, ihrem Ausgeliefertsein an einen Gewalttäter, kämpft.

Ach ja, es passiert übrigens überhaupt kein Mord und das Buch ist trotzdem spannend. Es ist die unterschwellige Bedrohung, die von den Strafgefangenen ausgeht, die sich rächen könnten, aber die Autorin erweitert dieses Portfolio noch um freie, noch nicht aufgefallene Täter und bringt somit noch einen weiteren Punkt in die Diskussion: Man mag vielleicht Gefangene auf ewig verwahren können, mit der Begründung, dass sie vielleicht rückfällig werden könnten, aber noch können wir nicht in den Kopf eines Menschen hineinsehen und dort zukünftige Straftaten sehen. Wir stellen nur Vermutungen an, auf Basis der schon geschehenen Taten.

Fazit:
Ein äußerst spannendes Thema, was einen fast übersehen lässt, dass man hier ein ungewöhnliches und erfrischendes Ermittlerpaar hat, welches sich nicht scheut, Grundsatzdiskussionen auszufechten.