Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction


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Nachfolger: Artemis – Andy Weir


Andy Weir – Artemis
Verlag: Heyne
Übersetzer: Jürgen Langowski
426 Seiten (inkl. Interview, abzüglich Leseprobe „Der Marsianer“)
ISBN: 978-3453271678

 

 

 

Andy Weir ist vielen durch „Der Marsianer“ bekannt , mir auch  und für alle, die es nicht wissen, hat es der Verlag mit aufs Cover gepackt – im übrigen gleich zweimal, einmal gedruckt und einmal geklebt. Nur falls es jemand noch nicht mitbekommen hat… das Buch nicht gelesen, oder den Film nicht gesehen, oder bisher hinter dem Mond (!) gelebt hat. ;-) Mit Artemis folgt nun der zweite Science Fiction Roman aus seiner Hand, diesmaliger Planetenprotagonist: der Mond.
Jazz (Jasmine) Bashara lebt in Artemis, der einzigen Stadt auf dem Mond. Mehrere verbundene Blasen bilden die Stadt; es gibt ärmere und reichere Kugeln, viele Touristen und eine Aluminiumhütte. Jazz versucht eine EVA-Lizenz zu bekommen, um Touristenführungen auf der Mondfläche anzubieten und viel Geld zu verdienen, doch sie saust durch die Prüfung und muss sich wohl wieder ganz auf ihre Einkommen durch Schmuggelei verlassen. Da bietet ihr Trond Landvik, ein ansässiger Milliardär, ein Engagement. 1 Millionen Motten, denen Jazz nicht widerstehen kann. Dafür muss sie allerdings die Aluminiumhütte sabotieren.

Der Mond in einer nahen Zukunft, in einer sehr nahen, denn es lassen sich kaum technologische Neuerungen ausmachen. Klar, die Stadt wurde auf dem Mond erbaut und man musste sich einiges einfallen lassen, um z. B. die niedrigere Schwerkraft auszugleichen, doch es fühlt sich an wie unsere heutige Zeit, nur eben auf dem Mond. Artemis gehört irgendwie zu Kenia, ist aber aufgebaut wie eine Freihandelszone. Keine Steuern, keine Gesetze, aber ein paar Regeln gibt es dann doch, zudem haben sich Gilden gebildet, Handwerkszünfte, die allerdings ein wenig an Banden erinnern und ihrer „gildenfreien“ Konkurrenz Steine in den Weg legen.

Jazz Bashara ist eine junge Frau in den Zwanzigern, die sich auf Artemis so durchschlägt. Mit ihrem Vater ist sie zerstritten, mit ihrem besten Freund auch. Dafür betreibt sie einen florierenden Schmuggelhandel, der Zigaretten, Feuerzeuge und ähnliches auf den Mond schafft – alles illegal, weil es brennbar ist und die Hülle zerstören könnte, was zwangsläufig alle tötet. Von ihrem ganzen Verhalten her ist Jazz sehr jung, ehrlich gesagt, hätte ich anfangs sogar vermutet, dass sie noch eine Teenagerin ist. Sie ist nicht dumm, liest sich einige Kenntnisse, welche sie für die Sabotage benötigt, an, trifft aber eben nicht immer die richtigen Entscheidungen. Sie hat das Herz am rechten Fleck, auch wenn jugendlicher Leichtsinn und Trotz dies oft nicht erkennen lassen.

„Doch schließlich schmiedete ich einen Plan. Und wie alle guten Pläne erforderte er die Mitwirkung eines verrückten Ukrainers.“ (S. 82)

Das Buch ließ sich wirklich super an einem Tag durchlesen, es ist spannend und gut geschrieben. Die Heldin, Jazz, war mir persönlich zu jung  und zudem konnte ich mit ihr nicht so mitfiebern bzw. mitleiden. Wenn ich Andy Weir mit sich selbst vergleichen möchte, muss ich sagen, dass sein Protagonist Mark Watney aus „Der Marsianer“ mich viel mehr gepackt hat. Nicht nur wegen der Dramaturgie der Geschichte, sondern auch wegen seiner ironischen Einstellung, seines Pragmatismuses und seinem unbedingten Lebenswillen. Aus Jazz könnte aber noch so eine Protagonistin werden… in ein paar Jahren, wenn sie älter und erwachsener ist.

Der Mond, der Mond. Artemis ist ausgeklügelt aufgebaut und funktioniert eigenständig und ohne Verbindung zur Erde, dafür gibt es zwar nicht so leckeres Essen, aber eben Unabhängigkeit. Der Sauerstoff wird von der Aluminiumhütte als Nebenprodukt geliefert und die Touristen bringen das Geld nach Artemis. Die niedrigere Schwerkraft bietet natürlich einige schnelle Möglichkeiten der Fortbewegung. Artemis kann ich mir schon gut und gerne im Hier und Jetzt vorstellen – warum gibt es noch keine Stadt auf dem Mond? Gefreut hätte ich mich über ein paar technologische Neuerungen, die der Autor einbaut. Im angefügten Interview sagt er aber, dass ihm die nahe Zukunft mehr liegt, als die ferne Zukunft. Da kann ich ihm nur zustimmen, doch die heutige technologische Wandlung ist so schnell, dass mitunter 10 Jahre schon bedeutende Unterschiede aufzeigen können.

Fazit:
Feel-good-Science-Fiction – ein locker-flockig zu lesendes Abenteuer auf dem Mond, mit der sympathischen, nicht perfekten und noch jungen Jazz Bashara und dem Mond als Schauplatz.


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Begeisterung pur: Die Reise – Marina Lostetter


Marina Lostetter – Die Reise
Verlag: Heyne
Übersetzerin: Irene Holicki
558 Seiten
ISBN: 978-3453318274

 

 

 

 

Eins vorweg – dieses Buch ist unheimlich klasse. Es war so spannend, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte. Und dabei war ich zuerst wirklich skeptisch, ob ich das Buch überhaupt lesen sollte. Ob das funktionieren kann. Aber beginnen wir am Anfang.

Beschreibt der englische Titel “Noumenon” das Projekt des Buches, finde ich den deutschen Titel “Die Reise” unheimlich passend. Denn nichts anderes beschreibt die Autorin hier. Eine 200 (eigentlich 2000) Jahre lange Reise, in etwas mehr als 500 Seiten. Kann nicht funktionieren? Doch, und das sogar ganz hervorragend.
Im Jahre 2088 werden verschiedene Projekte zur Finanzierung vorgestellt, die alle das Ziel haben, den Weltraum zu erforschen. Mit dabei Reggie Straifers Projekt um LQ Pyx (eigentlich LQ Pyxidis), einen weit entfernten Planeten mit einer Besonderheit, der eine 200jährige Reise entfernt ist, dies allerdings im SD Raum, so dass auf der Erde in der gleichen Zeit 2000 Jahre vergehen. Ein Konvoi aus Schiffen wird gebaut, 15000 Personen werden losgeschickt. Eine eigenständige, abgeschottete Gesellschaft, mit dem einzigen Ziel: zu LQ Pyx hinfliegen, herauszufinden, was die Besonderheit ist, diese zu erforschen und mit den Ergebnissen zurückkehren.

Wer denn nun ein Problem damit hat, dass man keinen durchgängigen Hauptcharakter hat, der ist hier tatsächlich falsch aufgehoben, nichtsdestotrotz gibt es eine kleine, aber übersichtliche Anzahl an Protagonisten, welche in der gesellschaftlichen Entwicklung der 200jährigen Reise (ein wenig länger dauert sie aufgrund verschiedener Umstände dann aber doch noch) eine Rolle spielen und jedes wichtige Stadium beleuchten. Die Reise ist natürlich zu lange für ein Menschenleben, so dass die Missionsmitglieder immer wieder geklont werden. Schon die Erstbesatzung besteht hauptsächlich aus Klonen, die jahrelang auf diese Mission vorbereitet werden. Das Ziel der Mission muss 200 Jahre überdauern und ist deshalb die wichtigste Regel. Nichtsdestotrotz muss die Besatzung des Konvois mit vielen Kleinigkeiten und großen Problemen kämpfen, die einer abgeschotteten, 15000 personenstarken Gesellschaft eben begegnen können.

Ressourcen müssen aufgeteilt, rationiert, hergestellt werden, Wartungen müssen betrieben werden, gleichzeitig konkurrieren Effizienz und Bedürfnisse miteinander, decken die verschiedenen Schiffe die benötigten Bereiche ab: wohnen, forschen, lagern usw. Mit dabei ist auch K.I.C., die künstliche Intelligenz des Konvois, die nicht nur Technik ist, sondern auch Verantwortung und Führung übernimmt, nie allein, aber soweit ihre Programmierung sie lässt.
Irgendwie ist der Konvoi wie ein Mikrokosmos und obwohl „nur“ 200+ Jahre auf den Schiffen vergehen, hat man das Gefühl die Geschichte der Erde im Kleinen nachzuerleben. Natürlich angepasst an die Zukunft und eben verkürzt, doch auch wenn es sich hier ganz klar um Science Fiction handelt, geht es um gesellschaftliche Entwicklungen, Gruppendynamik und psychologische Aspekte.

Nun hört sich das alles sehr immens an, doch die Autorin springt immer mal wieder Jahrzehnte vorwärts, präsentiert aber dann einen längeren Abschnitt des Geschehens an Bord aus Sicht eines Protagonisten, so dass man das Gefühl hat, Novellen zu lesen, die ein gemeinsames Gerüst eint. Der Konvoi wächst einem ans Herz, man folgt ihnen gespannt, fiebert in allen Konflikte mit und erforscht mit ihnen LQ Pyx, bis man wieder bei der Erde ankommt, doch auch hier ist das Abenteuer noch lange nicht zu Ende. Man beachte nun, dass man weit mehr als 2000 Jahre später hier aufschlägt, die Kommunikation zur Erde ist schon lange verstummt und jeder im Konvoi ist immens nervös als sie wieder bei der Erde eintreffen. Umso entsetzter war ich von der Erde im Jahre 4101 (271 Jahre nach dem Start des Konvois). Ich finde die Entwicklung, welche sich die Autorin für die Erde ausgedacht hat, nicht unwahrscheinlich, aber sehr fokussiert auf ein Thema, nur um ein Beispiel zu nennen, spart sie sich jede klimatische Veränderung aus und geht hier nicht darauf ein. Nichtsdestotrotz bietet diese zukünftige Erde den Grund, den sie am Ende bestimmt beabsichtigt hat, denn wenn ich richtig gesehen habe, gibt es schon einen nächsten Teil, von dem ich hoffe, dass er auch bald übersetzt wird, damit die Reise weiter gehen kann.

Fazit:
Ich weiß, irgendwie habe ich nicht viel gesagt, aber ich hoffe doch, meine Begeisterung ist ein wenig übergesprungen. Ich finde die Idee genial und auch die Umsetzung hat mir gut gefallen – auch wenn ich die Erde der Zukunft nicht so leiden kann, ist sie gut so, wie sie ist, denn es bedeutet, dass die Reise weitergeht!


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Milchtüten: Hologrammatica – Tom Hillenbrand


Tom Hillenbrand – Hologrammatica
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
560 Seiten
ISBN: 978-3462051490

 

 

 

 

Quästor Galahad Singh bekommt einen neuen Auftrag: er soll die verschwundene Juliette Perrotte suchen. Perrotte ist eine Softwareentwicklerin für ein kleines Unternehmen, welches den Upload von Cogits – einer digitalen Kopie des Gehirns in einen künstlichen Körper – verschlüsselt.  Singh macht sich auf die Suche nach der Verschwundenen, viel Hoffnung hat er zuerst mal nicht, denn viele Menschen verschwinden mittlerweile absichtlich. Zwar nie lange, viele hinterlassen Spuren, doch jedem steht es frei zu verschwinden. Doch ist Juliette Perrotte wirklich freiwillig verschwunden oder entführt worden?

In Hologrammatica ist fast nichts mehr echt. Die meisten Straßen, Häuser, Landstriche werden mit Holografie aufgehübscht, die Menschen ziehen sich Holomasques über. Keiner mag mehr so aussehen, wie er eigentlich aussieht, keiner will den „Naked Space“, also die richtig, echten Gebäude, Landschaften oder Menschen sehen. Ende des 21. Jahrhunderts hat sich die Menschheit auch verringert – einer Pandemie sei Dank – was der Klimakatastrophe zumindest etwas Einhalt geboten hat. Klar ein paar Landstriche sind abgesoffen und manche so heiß, dass keiner dort wohnen mag, doch den übrigen Menschen geht es einigermaßen gut. Die Staaten haben sich neu formiert, z. B. weite Teile Europas mit Russland in der EURUS, die Kräfteverhältnisse haben sich verändert. Ach, und im Weltraum kann man jetzt auch nach Rohstoffen schürfen – mit einem Lift in den Himmel.

Galahad Singh arbeitet als Quästor, also als Privatdetektiv. Dieser ist allerdings – hier der Hinweis für diejenigen, die kein Latein beherrschen – auf verschwundene Personen spezialisiert. Und jetzt kommt der Gag schlechthin, bei dem ich gänzlich aus dem Häuschen war: die Verschwundenen nennen die Quästoren Milchtüten. Ja genau, angelehnt an die abgedruckten, verschwundenen Kinder auf Milchtüten, damals in den USA (macht man das heute noch?). Milchtüte… ich find den Begriff Bombe. Der Wahnsinn. Ich bin schlichtweg begeistert. Aber das Buch hat noch mehr zu bieten, keine Sorge.

„In alten Filmen haben Privatdetektive stets verschiedene Visitenkarten zur Hand, damit sie sich als Gott-weiß-wer ausgeben können. Ich hingegen habe an die fünfzig Holomasques gespeichert, die ich jederzeit überstülpen kann – Elektroinstallateur, Verkehrspolizist, Penner und so weiter.“ (Pos. 770)

Singh muss nun also nicht auf althergebrachte Art nach der Verschwundenen suchen, doch einen persönlichen Überblick verschafft er sich doch noch. Die Netzsuche ist zwar weitgreifend, aber eben auch recht dumm. Könnte das aber nun jeder per Netz, wäre ein Quästor ja nicht mehr nötig. So reist der Londoner nach Paris, in die Wüste, ins All, das sind zu dieser Zeit auch keine richtigen Entfernungen mehr. Singh selbst bringt einen ironischen Unterton in die Ermittlungen, will den Fall anfangs auch gar nicht so richtig bearbeiten, doch irgendwann kommt er einfach nicht mehr aus dem Fall raus. Gegner tauchen auf, die mit ungewöhnlichen Waffen aufwarten, Spuren führen in die Welt der Crasher, die ihren Gefäßen Todeserfahrungen aussetzen, aber auch in den Naked Space. Sie führen zu einem Programmierer, der mit Juliette Kontakt hatte und … ah, mehr möchte ich nicht verraten.

Dem Autor gelingt es hervorragend, eine zukünftige Welt zu erschaffen, die noch nah genug an unserer heutigen Zeit ist, aber weit genug davon entfernt. Er baut bestehende Entwicklungen aus und fügt technologische Neuerungen zu. Er erschafft eine Vergangenheit, die für uns noch Zukunft ist, welche weitreichende Auswirkungen hat. Mittendrin Galahad Singh, der auf der Suche nach der Verschwundenen, Fragen stellen muss, anderen, aber auch sich selbst. Der hinter die Holografie blickt und Abgründe sieht, die keiner hätte sehen sollen. Tatsächlich fällt es mir schwer, meine Begeisterung in Worte zu fassen, möchte ich doch nicht zu viel verraten, denn mich haben einige Wendungen sehr überrascht. Die Geschichte war durchweg spannend und logisch aufgebaut, ein Pageturner, den man gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Sehr spannend fand ich im Übrigen auch die kleinen aber feinen Einblicke aus Juliette Perrottes Perspektive.

Fazit:
Nach „Drohnenland“ legt der Autor hier einen weiteren sehr gelungenen Ausflug in die Zukunft vor. Quästor Galahad Singh begegnet der holografierten Zukunft mit der gehörigen Portion Ironie und schaut hinter die Kulissen. Hervorragende Unterhaltung in meiner liebsten Kombination: Krimi und Zukunft.

 


Ich füge hier noch ein Zitat an, welches es absolut wert ist, zitiert zu werden, doch wenn man genau liest, einen Hinweis auf die Handlung gibt, so dass ich es nun als SPOILER markiere – also, wer das Buch noch lesen möchte, hier bitte aufhören!

„Meiner Ansicht nach haben Menschen die unangenehme Angewohnheit, alles auf sich selbst zu beziehen. Ein Rassist glaubt, dass an allem die Ausländer schuld sind. Ein Strafrichter wähnt überall Gauner und Diebe. Und der Chef einer Behörde, die KIs kontrollieren soll, vermutet hinter jeder Schweinerei einen cleveren Computer.“ (Pos. 4597)

 

 


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Vardogger: Am Ende der Zeit – Thomas Carl Sweterlitsch


Thomas Carl Sweterlitsch – Am Ende der Zeit
Verlag: Heyne
Übersetzer: Friedrich Mader
476 Seiten
ISBN: 978-3453316492

 

 

 

 

Shannon Moss ist Spezialagentin des NCIS, der Strafverfolgungsbehörde der Navy. Sie wird zu einem Tatort gerufen, da der vermutliche Täter Verbindungen zu einem geheimen Programm der Navy aufweist. Der Täter ist ein ehemaliger Navy Seal, am Tatort finden sich seine Frau und seine zwei Kinder brutal ermordet. Seine älteste Tochter sowie er, der Ehemann und Hauptverdächtige, sind verschwunden. Hat das geheime Programm der Navy, mit dem diese schon lange Raumschiffe in die Zukunft schickt, etwas mit dieser Tat zu tun? Hat der Mann dort etwas gesehen oder erlebt, was ihn dazu getrieben hat? Shannon Moss muss nicht nur das herausfinden, sondern wenn möglich auch das Ende der Zeit verhindern, denn in der Zukunft befindet sich der Terminus, das Ende der Zeit. Und dieser rückt näher und näher an die Gegenwart heran.

Nachdem ich das erste Kapitel probehalber gelesen habe, war es um mich geschehen. Dort unternimmt Shannon ihren ersten Flug in die Zukunft und bringt dort nicht nur erschreckende und eindrückliche Erlebnisse vom Terminus mit, sondern verliert auch eines ihrer Beine. Diese Tatsache, aber auch Erlebnisse in ihrer Jugend haben aus Shannon Moss eine unglaublich zähe Frau gemacht. Ihr Mantra „Andere würden aufgeben“ hilft ihr ihre letzten Reserven zu mobilisieren und motiviert sie über ihre Grenzen hinaus. Sie ist recht einsam, das liegt natürlich an dem geheimen Projekt. Und es ist nicht nur der Fakt, dass sie anderen nichts von ihrem Job erzählen darf, sondern auch, dass die Reisen, die sie in die Zukunft unternommen hat, sie haben altern lassen. Fliegt sie mit der Grey Dove, einem der Komorane, die in die Zukunft reisen können, los, vergehen für sie Monate – für die Reise aber auch den Aufenthalt in der Zukunft – derweil sie in der Gegenwart schon einen Moment später wieder zurück ist. So ist sie nun mittlerweise fast gleich alt wie ihre Mutter, eine Tatsache, welche die Beziehung zu ihr Mutter oder anderen Menschen nicht einfacher gestaltet.

Scheint der Mordfall, in dem sie mit zwei „normalen“ Agenten ermittelt zuerst nur als Tat eines posttraumatisch belasteten Soldaten, fügen sich nach und nach Puzzleteile zusammen, die auf ein verschwundenes Raumschiff, die Libra, hinweisen und Bezug auf den Terminus nehmen. Für Shannon ist die Aufgabe also nun ungleich schwerer, denn das Ziel jedes einzelnen, der von den Raumzeitflügen weiß, ist es, den Terminus zu stoppen. Doch keiner weiß, was es ist. Einzig die Bilder des Terminus bleiben denjenigen, die ihn erleben, erhalten: Menschen, die sich ins Meer stürzen, Menschen, denen aus offenen Mündern eine silbrige Flüssigkeit fließt, Menschen, die kopfüber gekreuzigt sind.

Um den Mordfall – und den Bezug zum Terminus – zu klären, wird Shannon Moss in die Zukunft geschickt. Von 1997, der Gegenwart, ins Jahr 2012/2016, der Zukunft. Hier soll sie herausfinden, was mit Marian, der Tochter des Ex-Navy Seals passiert ist. Es gibt jedoch ein Problem: die Zukunft ist nicht fix. Mehrere Reisen unternimmt Shannon und die Zukunft ist immer leicht verändert, einzig die Gegenwart bleibt stetig gleich, sie nennen sie die Terra firma, der Fixpunkt, zu dem sie aus den Reisen in die Tiefen zurückkommen. Ganz schön verwirrend, in eine Zukunft zurückzukommen, die dann doch wieder anders ist als die letzte Version der Zukunft.

Soviel ganz grob zum Inhalt, ich weiß ein wenig verwirrend, doch mir hat das Lesen unheimlich viel Spaß gemacht. Nach dem Prolog kam für mich erst mal ein zähes Stückchen, doch dann hat das Buch einen Sog entwickelt und man will unbedingt ständig mit Shannon hin und her reisen und die kleinen Details, die sich verändert haben, aufnehmen, aber natürlich zugleich auch hinter die Geheimnisse der verschwundenen Libra und seiner Crew kommen. Die Spannung ist denn auch ansteigend, am Anfang eben ein wenig zäh, derweil nach und nach mehr Spannung aufgebaut wird, bis zum Ende, welches dann sehr dramatisch und nervenaufreibend ist.

Ich muss zugeben, dass es meines Erachtens einige unlogische Begebenheiten gibt und so ganz klar ist mir nicht, wie diese Zeitreisen funktionieren – aber ich muss auch ehrlich sagen, wenn mir der Autor das näher erklärt hätte, hätte ich es vermutlich trotzdem nicht verstanden. Es ist ein Thriller, den man ohne viel über die Physik nachzudenken lesen sollte, und eher versuchen sollte, die Spuren, welche Shannon findet, zu verbinden und den Fall zu lösen. Und natürlich drückt man die Daumen und fiebert mit, für Shannon, für die Menschen, dass der Terminus gestoppt werden kann und das Ende der Zeit sich noch ein wenig mehr Zeit lässt. Ein Ritt durch Raum und Zeit, ein wenig verwirrend, aber immer mit klarem Ziel vor Augen, mit einer zähen Einbeinigen, gegen die ich es nicht aufnehmen möchte.

Aber: der Epilog ist leider fürchterlich kitschig. Mit den letzten 4 Seiten hat der Autor das Buch fast versaut. Ich schau mal großzügig darüber hinweg, weil mir das restliche Buch ausgenommen gut gefallen hat. Aber bitte – den Eimer Zuckerguss hätte der Autor wirklich behalten können. Ich hätte sogar mit einem ungewissen Ausgang leben können und möchte fast empfehlen, den Epilog links liegen zu lassen.

Fazit:
Eine Ermittlung eingebettet in Quantenschaum und Zeitreisen, ein Pageturner zwischen Thriller und Science Fiction – genau die richtige Mischung, um das Buch nicht mehr aus der Hand legen zu können, wenn man über kleine Unzulänglichkeiten hinweg sehen kann.


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Angefixt: Die drei Sonnen – Cixin Liu


Cixin Liu – Die drei Sonnen
Verlag: Heyne
Übersetzer: Martina Hasse
592 Seiten
ISBN: 978-3453317161

 

 

 

 

Warum dieses Buch?
Nicht nur für die SF-Challenge, sondern auch weil ich dem Thema gerade viel abgewinnen kann, lese ich gerade vermehrt SF. Der SF-Markt ist sehr amerikanisch dominiert, zumindest kommt es mir aus meiner kleinen Perspektive so vor, abgesehen von einigen deutschsprachigen Autor*innen, was sich aber von selbst versteht, denn ich befinde mich ja im deutschsprachigen Raum. Und nun taucht also dieses vielfach gelobte Buch eines chinesischen Autors auf. Bei soviel Lob kann man ja quasi nichts falsch machen. Oder?
Ich persönlich wollte das Buch gerne lesen, da ich mir Frische und Andersartigkeit versprochen habe, einzig und allein durch die Tatsache, dass mal nicht US Army, CIA oder NASA ihre Nase hier reinstecken.

Damals
Die Geschichte erstreckt sich in diesem ersten Band, der sogenannten „Trisolaris“ Trilogie, über mehrere Jahrzehnte und beginnt in den 60er Jahren, in China, zu Zeiten der Kulturrevolution. Diese bekommt immer wieder Gewichtung, doch vor allem im ersten Kapitel, welches mich fast das Buch hat aufhören lassen. Ein schwerer Einstieg, dem Leser, der nichts oder kaum etwas darüber weiß und mitten ins Geschehen geworfen wird. Aber erwähnen möchte ich das Glossar, denn dies gibt nicht nur Einblick in verschiedene Begrifflichkeiten der Kulturrevolution, sondern auch der Physik, zu der ich gleich noch kommen werde. In dieser Zeit also, wird Ye Wenjie als reaktionär abgestempelt und wird nur durch ihre Ausbildung als Astrophysikerin, dem Projekt Rotes Ufer zugeteilt. Was zuerst nach einer Abhörstation aussieht, welche die Feinde Chinas bespitzeln soll, erhält, nachdem Ye Wenjie mehr und mehr Aufgaben bekommt, eine andere Bedeutung, denn das Projekt sucht ganz anderen Kontakt.

Heute
Wang Miao forscht an Nanomaterialien und wird zu einer geheimen Konferenz beordert. Dort diskutieren hochrangige chinesische Beamte und Wissenschaftler über einen gerade stattfindenden Krieg. Krieg? Welcher Krieg? Genaueres will Wang Miao niemand erklären, doch geht es um Veränderungen in den Naturwissenschaften. Wissenschaftler werden getötet oder begehen Selbstmord, die Physik scheint nicht länger eine stabile Konstante zu sein. Welches Geheimnis steckt dahinter?

Physik, Physik, Physik
Es ist unglaublich, welchen Sog das Buch entwickelt hat, obwohl es so vollgestopft mit Physik ist, dass mir davon ganz schwindlig ist. Vieles wird erklärt, entweder im Text oder eben im hinten angefügten Glossar, aber ganz ehrlich: fragt mich bloß nicht danach. Ich kann keines der physikalischen Begrifflichkeiten erklären, auch wenn sie erklärt wurden. Eine VR-Computerspiel , auf welches Wang Miao stößt, leitet ihn durch mehrere Epochen, bringt verschiedenste Physiker auf oder zur Sprache und natürlich – gefühlt – unendlich viele physikalische Themen. Wenn mich nicht alles täuscht, läuft das dann unter Hard SciFi. Ich bin weder ein kleiner noch ein großer Physiker, aber zum Glück haben mir diese Genauigkeiten nicht den Spaß am Lesen genommen, denn wissen wollte ich dann doch schon, wie alles miteinander zusammen hängt.

Charaktere? Nein, danke.
Ach, Charakterzeichnung scheint nun nicht Cixin Lius Stärke zu sein. Mir fallen da Worte wie flach und kalt ein. Und das auch zu den beiden Protagonisten: Ye Wejine und Wang Miao. Wang Miao fand ich noch recht sympathisch, wobei man so kaum etwas über ihn weiß und seine Familie irgendwie nur so nebenher mitläuft und von ihm alsbald völlig ignoriert wird –sehr befremdlich. Für Ye Wejine empfand ich anfangs Mitgefühl, bevor sich das dann allerdings völlig wandelt und sie mir immer fremder wurde und ich ihre Beweggründe nicht mehr verstehen konnte. Keiner der Charaktere entwickelt für mich Tiefe, den Charakter, den ich noch am meisten mochte, war Shih Qiang, ein Polizeiinspektor,der auch zu der Expertengruppe gehört, zu der Wang Miao gerufen wird. Es gibt im Übrigen ein Personenregister, welches mitunter sehr hilfreich war. Shih Qiang gehört nicht zu den Intelligenten, ist kein Wissenschaftler, aber pfiffig und unverschämt. Er reizt seine Vorgesetzten, bis sie platzen und er entwickelt sich zur einzigen Vertrauensperson von Wang Miao.

Zu Ende bevor es anfängt?
Ganz ehrlich: das Buch war eigentlich eine Einleitung. Bei einer Trilogie nun nicht ganz ungewöhnlich und auch völlig in Ordnung. Soweit möglich beantwortet das Buch auch die Fragen, die aufgekommen sind und das ist auch gut so. Nichtsdestotrotz war es eben eine Einleitung, das heißt, dass die Hauptgeschichte ja noch kommt! Die beiden nächsten Teile haben dann auch deutlich mehr Seiten und zum Glück ist nun auch schon der dritte Teil erhältlich – ich kann ja nicht ganz so gut abwarten. Denn obwohl mich die physikalischen Details überwältigt haben und die Charaktere nicht so überzeugt haben, möchte ich wissen, wie es weitergeht. Ich bin angefixt. Und das ist ja wohl das größte Kompliment, welches man dem ersten Teil einer Trilogie machen kann.

Fazit:
Eine nicht ganz einfache Lektüre aufgrund der vielen physikalischen Begrifflichkeiten und Erklärungen und der recht flachen Charaktere, aber eine spannende Geschichte, bei der es noch viel zu sagen gäbe, ich aber nun nicht zu viel spoilern wollte. Ein schwieriger Auftakt, der mich allerdings neugierig gemacht hat.


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Glimpses | Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft

Drei Zeugen zu viel – Steve Hamilton

Worum geht es?
Nick Mason, der gezwungenermaßen zum persönlichen Auftragsmörder von Darius Cole, dem Paten von Chicago, wurde, erhält drei Aufträge: die Zeugen zu töten, wegen derer Cole im Gefängnis sitzt. Der Pate will raus – und das kann er nur, wenn er offiziell freigesprochen wird.

Wie hat es mir gefallen?
Der zweite Teil um Nick Mason hat genauso viel Spaß gemacht wie die Lektüre des ersten Teils. Nick Mason ist verzweifelt und getrieben, hat manchmal mehr Glück als Verstand und sucht nebenbei einen Ausweg. Viel Action, wenig Drumherum, genauso wie ein Thriller manchmal einfach zu sein hat.

Die Drei
Drängend, knallhart, Open End

 


Spielarten der Rache – Seamus Smyth

Worum geht es?
Red Dock entführt ein Kind und versteckt es jahrelang in einem Waisenhaus, um Rache an seiner Familie zu nehmen, aber auch an dem Polizisten, der ihn und seinen Bruder im Waisenhaus abgegeben hat.

Wie hat es mir gefallen?
Ein Krimi, welcher Erwartungen sprengt. So ganz darf man sich nicht auf den Klappentext verlassen – der stimmt zwar schon, aber die Geschichte ist so viel mehr… unglaublich! Neben einem bravourösen Protagonisten, einem Mastermind, der seinesgleichen sucht, handelt der Autor hier ein zutiefst verstörendes Thema ab: die Zeit, in der ein Kind in einem irischen Waisenhaus so wirklich gar nichts zu lachen hatte.

Die Drei
Verzwickt, hinterhältig, eiskalt

 


Die Optimierer  – Theresa Hannig

Worum geht es?
Deutschland, 2052. Es herrscht die Optimalwohlökonomie in BEU, der Bundesrepublik Europa, in der jeder Bürger seinen optimalen Platz findet. Samson Freitag ist überzeugter und loyaler Bürger. Als Lebensberater findet er für jeden den idealen Platz. Als allerdings seine letzte Mandantin nach der Beratung Selbstmord begeht, gerät seine Welt aus den Fugen und er muss erkennen, dass nicht jeder an dem Platz ist, an dem er sich wohlfühlt.

Wie hat es mir gefallen?
Ein Land, in dem jeder den passenden Platz hat, hört sich doch gut an, oder? Die Autorin bringt hier viele Themen auf, die heute schon in aller Munde sind – gläserner Bürger, Roboter, die Arbeit der Zukunft – und verpackt sie in eine spannende Geschichte um Samson Freitag, der sich auf einer Spirale nach unten befindet, weg vom guten Bürger hin zum Piretisten. Ein kurzweiliger und interessanter Einblick in eine Zukunftsvision mit überraschendem Ende, allerdings einem etwas unsympathischem Protagonisten.

Die Drei
Interessant, überraschend, offen abgeschlossen

 


 


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Gefaltet: Der Spalt – Peter Clines


Peter Clines – Der Spalt
Verlag: Heyne
Übersetzer: Marcel Häußler
528 Seiten
ISBN: 978-3453317055

 

 

 

 

 

Nachdem ich dieses Jahr ja an einer ScienceFiction Challenge teilnehme, finde ich mehr und mehr Bücher in meinem SUB, die dazu gut passen. So wie zum Beispiel dieses hier. Aber auch schon das nächste Buch von Peter Clines, „Der Raum“, wartet in meinem SUB.

Mike Erikson wird von seinem Jugendfreund Reggie Magnus zum DARPA-Projekt „Das Albuquerque Portal“ hinzugeholt. Der Leiter des Projekts, Dr. Arthur Cross, hält sich akribisch an die Geheimhaltungsvereinbarung und verrät keine technischen Details, auch nicht der Kommission, die über die weitere Finanzierung entscheidet. Das kommt schlecht an, vor allem, weil der letzte Besucher des Projekts als er danach wieder zu Hause war, seine Frau nicht mehr erkannt hat. Magnus schickt also Erikson hin, um zu überprüfen, ob bei dem Projekt alles mit rechten Dingen zugeht.

Das Albuquerque Portal befördert Dinge, Tiere, Menschen von einem Punkt A zu einem Punkt B. Ursprünglich wurde an einem Verfahren der Teleportation gearbeitet, doch nach einem bedauerlichen Zwischenfall, wurde der Fokus geändert und nun wird der Raum „gefaltet“. Das Versuchsgelände befindet sich nahe San Diego, in der kalifornischen Wüste, Punkt A und Punkt B befinden sich in zwei Lagerhallen, die mehrere Hundert Meter voneinander entfernt sind. Das fetzt, die Zukunft lässt grüßen und nicht nur die Regierung leckt sich die Lefzen nach diesem Stückchen Fortschritt. Wie das „Falten“ so genau vor sich geht, wird nicht erklärt – Geheimhaltung! Ein cleverer Trick eigentlich, denn der Autor muss wirklich erst mal nicht viel erklären, da die Beteiligten ja gar nicht wollen, dass man weiß wie es funktioniert, so ist man nicht nur auf Mikes Untersuchung gespannt, sondern auch darauf angewiesen.

Leland „Mike“ Erikson ist genau der richtige für die Untersuchung, denn er ist hoch intelligent. Warum er dann nicht bei der NASA arbeitet oder an einem Heilmittel für Krebs forscht, sondern Schülern in einer Highschool englische Literatur beibringt, ist seinem Kumpel Reggie ein Rätsel. Schon oft hat er versucht, ihn hinzuzuziehen, doch erst jetzt gelingt es ihm Mike zu übertölpeln, ah, überreden, meinte ich. Zudem ist Mike noch mit einem fotografischen Gedächtnis ausgestattet. Was er einmal gesehen hat, vergisst er nicht, er kann es jederzeit wieder aufrufen. Und seine „Ameisen“ stellen dann die Zusammenhänge in seinem Gehirn her. Schwierig darzustellen, doch dem Autor gelingt das mit dem Vergleich der emsigen Ameisen, die in Mikes Gehirn alle Verbindungen ziehen. Trotz allem ist Mike ein sympathischer, gar nicht so nerdiger Mann, im Gegensatz zu den Beteiligten des Projekts, die erst mal alle unsympathisch sind und sich gegenüber Mike feindselig zeigen, denn schließlich will er entweder die technischen Details klauen oder das Projekt dicht machen. Zudem sind sie für mich recht austauschbar gewesen, die Mitarbeiter im Projekt unterscheiden sich kaum, ob nun Physiker oder Techniker, es ist nicht einfach diese auseinander zu halten, obwohl es sich eigentlich nur um 6-8 Leute handelt.

Nichtsdestotrotz hat „Der Spalt“ alles, was ein guter SF-Thriller haben soll: Spannung, einen sympathischen Protagonisten, mit dem man gerne den unerklärlichen Ereignissen auf den Grund geht, ein Thema, das sich eigentlich nur Physiker wirklich vorstellen können… aber das Ende, ja da hatte der Autor für meinen Geschmack ein wenig zu viel Fantasie. Es ist nun schwierig, daran Kritik zu üben, ohne genau zu sagen, worum es dabei eigentlich geht, aber meines Erachtens wäre der Schluss auch völlig ohne Auftauchen derjenigen, die ich nicht nennen möchte, ausgekommen, denn die Auswüchse des Portals und dessen Implikationen, wären für einen dramatischen und spannenden Abschluss völlig ausreichend gewesen.

Am Ende tauchen im Übrigen noch Mulder und Scully auf. Na gut, sie sagen ihre Namen nicht und sehen auch anders aus, aber die arbeiten bestimmt in der gleichen Abteilung. Jedenfalls lässt sich die Vermutung aufstellen, dass „Der Raum“ die Geschichte  – oder einen Teil davon – weiterführt, auch wenn „Der Spalt“  a) abgeschlossen ist und b) der Klappentext von „Der Raum“ anderes vermuten lässt. Aber vielleicht taucht Mike Erikson dort als Nebenrolle wieder auf? Ah, es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als es zu lesen, um meine Vermutung bestätigt zu wissen.

Fazit:
Der SF-Thriller ist mega-spannend und ratz-fatz weggelesen, doch das Ende war mir persönlich zu fantastisch. Eine ideale Lektüre für einen verregneten Sonntag.


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Volles Potenzial: Die Reinsten – Thore D. Hansen


Thore D. Hanse – Die Reinsten
Verlag: Golkonda
424 Seiten
ISBN: 978-3946503903

 

 

 

 

Die Welt im Jahre 2191 wird von Askit, einer künstlichen Intelligenz, gesteuert. Nachdem die Menschen die Erde durch Kriege und Klimakatastrophen fast vernichtet haben, begleitet und steuert Askit die Überlebenden in der Zukunft. Um die Erde zu retten, sucht sie eine Elite, die für den Schutz und den Erhalt, aber auch den Aufbau und die Regenerierung der Natur arbeiten: die Reinsten. Diese Gruppe von Menschen trainiert und formt sie, so dass sie nicht von ihren Emotionen geleitet werden und logische Entscheidungen treffen können, um die Welt zu retten und zu erhalten. Eve Legrande ist eine von diesen Reinsten. Umso unverständlicher ist es, dass sie von Askit verstoßen wird und die Metropole verlassen muss, hinaus zu den Kolonisten, Menschen, die nicht unter der Fürsorge und Kontrolle von Askit leben. Warum schickt Askit sie in diese lebensfeindliche Umgebung?

In der Welt von 2191 ist die Erde fast unbewohnbar geworden – eine sehr realistische Zukunftsvision der Erde, sieht man sich die aktuelle Lage an. 2191 gibt es die von Askit kontrollierten Metropolregionen, welche unter einem Schirm eine gerade annehmbare Temperatur haben, viele Gebiete außerhalb sind unbewohnbar. Die Metropolen werden von Reinsten bevölkert, aber auch von Angepassten. Diese haben sich, wie der Name schon sagt, angepasst, sind aber keine Reinsten. Die Reinsten werden von Askit jahrelang trainiert und getestet, so dass hier eine Elite entsteht, die für den Erhalt der Welt arbeiten soll. Wer hier nicht reinpasst, also weder Reinster wird, noch sich anpasst, wird degradiert und zu den Kolonisten geschickt – dies sind die Menschen, die, warum auch immer, nicht unter dem Schutz von Askit stehen und außerhalb der Metropolen leben.

„Hingabe, Demut, Reinheit, volles Potenzial:
Gelobt sind Askit und die Agenda.“ (S. 82)

Als das Buch begonnen hat, fand ich die Zukunftsvision gar nicht so schlecht. Klar, die Menschen haben die Welt zugrunde gerichtet, aber die Gesellschaft von 2191 hat erkannt, dass es dieses zerstörerische Verhalten stoppen muss und die Umwelt bei der Regeneration unterstützen muss. Geleitet von einer KI? Warum nicht – Eve und ihre Freunde wirken zufrieden. Doch nach und nach stellen sich Kleinigkeiten ein, die man in Frage stellen muss. Um einen Einblick zu geben, hier ein Beispiel: ein älterer Mann bricht zusammen und Eve verständigt Askit (das funktioniert übrigens per Gedanken durch ein Interface), so dass eine Ambulanz geholt werden kann, doch Askit berechnet die Überlebenschance des alten Mannes so gering, dass sich ein Krankenwagen nicht lohnen würde und so wird keiner geschickt. Derweil Eves Mutter, eine Angepasste, dies schrecklich findet, hat Eve dafür Verständnis, da es Ressourcen verschwendet. Hierbei stellt sich nun nicht nur die Frage, inwieweit man der KI überhaupt trauen kann, sondern ob eine Welt weitgehend ohne Emotionen denn wünschenswert ist.

Ich bin ja immer sehr neugierig auf die Welten der Zukunft, so war ich auch diesmal sehr gespannt und habe darauf gewartet, dass Eve degradiert wird, um mehr davon zu verstehen. Denn in der abgeschotteten Metropole erfährt man ja nur die eine Seite der Medaille. Tatsächlich lässt die Degradierung aber sehr auf sich warten, vielleicht wäre es fast besser gewesen, wenn der Klappentext dieses Detail nicht schon verraten hätte. Und – das war für mich überraschend – Eve ist nicht die einzige, die degradiert wird. Die Zeit in den Kolonien kommt mir dafür dann allerdings zu kurz vor. Hier hätte ich mir ein ausgewogeneres Verhältnis gewünscht, weniger Metropole, mehr Kolonie. Die Sicht der Kolonisten ist natürlich eine völlig andere als die von Askit und den Reinsten, doch die sich emotional kontrollierende Eve Legrande lässt sich davon nicht beeindrucken – ein wenig schade, denn mehr Emotionen hätten hier ein wenig die Spannung erhöht.

Nichtsdestotrotz gibt es Spannung, allen voran durch die bedrohlichen Patriots (große Roboter) und Drohnen, die von Askit gesteuert werden. Vormals zur Verteidigung der Metropolen gedacht, sind diese aber auch Hilfsarbeiter und erledigen Aufgaben in den Gebieten, die für Menschen nicht mehr begehbar sind. Die Spannung spitzt sich auch zum Ende hin zu, wobei es hier zwar Kämpfe und Angriffe gibt, aber Eve meist außerhalb des Geschehens ist und man die spannenden Momente eher aus Beobachtersicht mitbekommt. Der Fokus des Buchs liegt denn eher in den Fragen, ob und wieweit man einer KI trauen kann, ob eine KI Emotionen hat, ob sie immer zum Besten des Menschen handelt. Die KI wurde von Menschen programmiert, verfolgt sie ihre vorgegebenen Ziele bis ins Letzte oder ist es ihr möglich zu lernen und die Ziele anzupassen? Und in wieweit kann man den Menschen trauen? Überlässt man sie wieder sich selbst, werden sie die Erde zugrunde richten oder haben sie aus ihren Erfahrungen gelernt? Eine philosophische Diskussion, der Eve sich stellen muss, denn Askit hat Eve auserkoren, hier das Zünglein an der Waage zu sein.

Fazit:
Thematisch ein sehr interessanter Blick in die Zukunft, der philosophische Fragen  über die Menschheit , die Zukunft und Künstliche Intelligenz aufwirft und zum Nachdenken anregt. Allerdings hätte ich – wie so oft – gerne mehr Einblick in die Welt von 2191 bekommen, vor allem in die nicht von Askit kontrollierten Gebiete, aber auch in die Vergangenheit, also in die Entstehungsphase von Askit.


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Unbefriedigend: Autonom – Annalee Newitz


Annalee Newitz – Autonom
Verlag: Fischer Tor
Übersetzerin: Birgit Herden
350 Seiten
ISBN: 978-3596702589

 

 

 

 

So, ich schreibe diese Rezension nun zum dritten Mal. Man sieht also, irgendwas lässt mich hier nicht los. Und ich glaube, ich habe es jetzt rausgefunden. Es gibt nämlich ein Problem. Die Frage ist, ob das nicht immer so ist und warum mich das jetzt so stört. Ich vermute nämlich, weil es eben nicht das erste Buch zu dem Thema ist, welches ich lese und sich unweigerlich Vergleiche auftun, dass ich immer das andere Buch im Kopf habe. Das Buch, welches meines Erachtens, das Thema besser aufarbeitet.

Die Autorin hat sich in ihrem Buch ein hehres Ziel gesetzt, denn sie schreibt über künstliche Intelligenz und geht der Frage nach, wann diese autonom sein darf und wann nicht. Eingepackt hat sie das Ganze in eine leider nur leidlich spannende Jagd: Produktpiratin und Revoluzzerin Jack bringt eine Kopie von Zacuity, dem neuesten aber noch in der Testphase befindlichen Produkt von dem Pharmariesen Zaxy, auf den Markt. Dummerweise sterben daran Menschen und Zaxy schickt die beiden IPC (International Property Coalition) Agenten Eliasz, einen Menschen, und Paladin, einen Bot, auf die Jagd nach Jack.

Leidlich spannend war die Geschichte nun deshalb, da die beiden Agenten zwar auf ihrer Jagd keine Gefangenen machen, aber man bei Jack nicht unbedingt das Gefühl hat, dass sie sich ernstlich in Gefahr sieht. Zwar ist ihr schon bewusst, dass sie da jemand sucht, aber die Gefahr ist eher eine Dringlichkeit und viel wichtiger ist ihr, eine Therapie gegen Zacuity zu finden und den Pharmakonzern auffliegen zu lassen. Unwahrscheinlich erscheint mir auch, dass, wie es sich in der Zukunft von 2144 gehört, zwar sehr viele technische Neuerungen vorhanden sind, die Agenten aber mehr oder weniger hinter Jack her trödeln und all die technischen Finessen scheinbar kaum hilfreich sind. Ein unangenehmer Zug der Agenten ist, dass sie dabei wirklich vor nichts zurückschrecken und dabei Folter und Mord anscheinend übliche und völlig akzeptable Methoden sind.

Kommen wir nun aber zurück zum Kernthema: Autonomität der Künstlichen Intelligenz. Die Frage, ob man Robotern Autonomie gewährt, wenn sie nun schon eine dem Menschen ähnliche Stufe erreicht haben, ist nun nicht neu. Einen interessanten Aspekt hat die Autorin hier allerdings eingebracht, denn in ihrer Zukunft sind auch nicht mehr alle Menschen autonom. Am Spruch „Geld regiert die Welt“ orientiert, kann man hier Bürgerrechte kaufen und wer kein Geld dazu hat, begibt sich als Arbeiter unter „Kontrakt“, was man im Prinzip als modernen Sklavenhandel sehen kann.

Leider verheddert sich die Autorin dann in einem Gedankenwettstreit Paladins, um sein eigenes Geschlecht und ob die Möglichkeit besteht, Sex mit Eliasz zu haben, anstatt der Frage nachzugehen, was Autonomie für einen Roboter, aber auch für einen Menschen eigentlich bedeutet. Paladin scheint sich auch einzig um Eliasz Gefühle Gedanken zu machen, über die Vielzahl an Opfern, die sie auf ihrer Suche nach der Produktpiratin, hinterlassen, macht er sich gar keine Gedanken. Es fehlt die Empathie. Und keine Frage, es gibt auch Menschen die keine oder kaum Empathie empfinden können. Und doch stellt man sich bei einem Roboter unweigerlich die Frage, ob das nun seine Programmierung ist oder eine bewusste Entscheidung.

Dieses Buch hätte so viel mehr können, hat es aber leider nicht. Es zeigt nur sehr wenig Einblick in die Zukunft, bzw. eine Zukunft, die hätte sein können. Weder die Frage nach Autonomie – bei Bots und bei Menschen – noch die gedankliche Herleitung durch Paladin ist ausreichend betrachtet worden, derweil allerdings die Beziehung zwischen Eliasz und Paladin ins Erotische rutscht. Zusammen mit der vermissten Spannung bei der Jagd auf Jack, war das Buch zwar ok, aber mehr eben auch nicht.

Fazit:
Interessante Themen  – KI und Autonomie – machen leider noch lange keine gute Geschichte. Hier hat mir einfach zu viel gefehlt.


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Nomen est Omen: Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten – Becky Chambers


Becky Chambers – Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten
Verlag: TOR / Fischer Verlage
Übersetzerin: Karin Will
544 Seiten
ISBN: 978-3596035687

 

 

 

 

Warum dieses Buch?
Ich lese zwar hin und wieder Dystopien, doch in die Tiefen der Science Fiction habe ich mich nun noch nicht hineingewagt. Als ich allerdings die Rezension von Reisswolfblog zu diesem Titel gelesen habe, dachte ich mir, das könnte was für mich sein. Und so ist das Buch denn in meinen Regalen gelandet.

Worum geht es?
Rosemary Harper heuert auf der Wayfarer an, einem Schiff, welches Löcher in den tiefen Raum bohrt und so anderen Schiffen die Reisen zu entfernten Gegenden erleichtert. Kurz nachdem sie sich auf dem Schiff eingewöhnt hat, erhält die Crew, unter der Leitung von Kapitän Ashby, einen neuen Auftrag: sie sollen ein Loch bohren, um die gerade geschlossene Allianz zu einem fremden Volk zu stabilisieren und die Verhandlungen damit zu erleichtern. Eine lange Reise steht bevor….

Die lange, lange Reise
Tatsächlich ist der kleine zornige Planet erst am Ende des Buches ein wichtiger Teil, denn das Buch dreht sich um den Weg dorthin und allerlei kleine und große Gefahren, welche der Crew begegnen, aber auch deren gegenseitiges Kennenlernen. Die Crew ist bunt gemixt und bietet Einblick in vielerlei Rassen in Becky Chambers zukünftigem Universum. Die meisten der Crewmitglieder sind eigen, aber sympathisch. Doch auch zwei, nun ja, schwierige Charaktere dürfen bzw. müssen mitfliegen. Rosemary Harper ist nun neu und muss sich nicht nur mit der Crew anfreunden – und den Besonderheiten je nach Rasse, sondern auch auf lange Reisen im tiefen Raum einstellen.

Weltraum-Roadtrip
Der Weg ist das Ziel. Auch wenn ich erwartet habe, dass „der zornige, kleine Planet“ eine größere Rolle spielen würde, fällt es überhaupt nicht auf, denn die Seiten fliegen an einem vorbei. Es macht riesigen Spaß, gemeinsam mit Rosemary die Crew kennen zu lernen und all die kleinen und größeren Abenteuer zu erleben. Die Autorin bietet hier kurzweilige Unterhaltung, auch für nicht eingefleischte Science Fiction Leser. Und wer dann doch eher auf die großen Abenteuer steht, der kann auf die nächsten Teile warten, denn die Autorin plant nicht nur weitere Teile in diesem zukünftigen Universum, sondern es ist auch schon ein weiterer Titel erschienen, der nächste ist in Vorbereitung.

Fazit:
Ein Science Fiction Trip, der riesigen Spaß macht, in dem er eine lange Reise mit kleinen und größeren Abenteuern füllt. Kurzweilig und unterhaltsam!

 


Und das findet die Bücherreisende: „Es ging ihr weniger darum, eine zusammenhängende, dramatisch zugespitzte Geschichte zu erzählen, sondern mehr darum, so viele verschiedene Lebewesen und Gesellschaften mit ihren Probleme und Besonderheiten vorzustellen wie möglich, um aufzuzeigen, wie eine hoch entwickelte und eng vernetzte Weltengemeinschaft aussehen könnte.“