Den meisten ist Val McDermid bestimmt durch ihre Reihe um Tony Hill und Carol Jordan bekannt, doch die schottische Autorin hat vor dieser Reihe schon zwei weitere Reihen hervorgebracht bzw. angefangen. Die erste dreht sich um die Journalistin Lindsay Gordon, die zweite um Privatdetektivin Kate Brannigan. Beide Reihen erschienen in Deutschland auch im Argument Verlag, welcher, wie meine Leser wissen, immer mein Interesse weckt, die Kate Brannigan Reihe ist dort jedoch nicht mehr erhältlich, da die Reihe später nochmal vom Knaur Verlag veröffentlicht wurde, dessen Ausgabe ich nun gelesen habe.
Kate Brannigan ist Junior-Partner in der Privatdetektei Mortensen & Brannigan, spezialisiert auf Wirtschaftsverbrechen. Gerade ist sie auf der Spur von Fälschern von Markenuhren, als Jett, ein Star der Musikszene in Manchester, sie bittet, seine Seelenverwandte Moira auszuspüren. Gemeinsam mit Moira hat Jett seine ersten beiden Alben produziert, sie schrieb die Texte, er die Melodien. Doch dann gab es Streit und seitdem ist Moira untergetaucht. Obwohl Vermisstenfälle nicht Kates Spezialtät sind, macht sie sich auf die Suche und ist erfolgreich. Sie bringt Moira zurück zu Jett. Doch dann klingelt des Nachts Kates Telefon, sechs Wochen später. Moira ist tot.
Der Krimi ist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil macht sich Kate auf die Suche nach Moira. Doch schon hier ist klar, dass nicht jeder in Jetts Umfeld begeistert davon ist, wenn Moira wieder gefunden wird. Seine neue Flamme, Tamar, ist aus vorstellbaren Gründen nicht begeistert, aber auch Kevin sein Manager hält die Rückkehr von Moira für keine gute Idee. Nichtsdestotrotz macht sich Kate auf, um die Verschollene zu finden. Das Musikbusiness hat Moira in die Drogen getrieben, so dass sie sich von Zuhälter zu Zuhälter hangelte und über eine Entzugsklinik letztendlich bei Maggie landet, die Moira nicht nur aufgenommen hat, sondern auch eine Beziehung mit ihr unterhält.
Im zweiten Teil ist nun Moira tot, aufgefunden im Tonstudio in Jetts Haus. Verdächtig: alle, die sich im Haus befunden haben, allen voran Jett. Doch den nimmt Kate erst mal raus aus ihrer Untersuchung, die natürlich auch bei der Polizei aneckt. Da wären dann also Tamar und Kevin, aber auch der angestellte Biograph Neil Webster, der Tontechniker Micky und die Sekretärin Gloria. Nicht zu vergessen Maggie, die Kate nachts fast vor den Wagen läuft, als sie von Jetts Anwesen wegfährt. Da hätten wir sie also – den genau abgesteckten Kreis von Verdächtigen. Mit Jetts Auftrag macht sich Kate also an die Arbeit aus dem Kreis der Verdächtigen schlau zu werden.
Zwar ist nun die Suche nach Vermissten oder die Mordermittlung nicht Kates Hauptbetätigungsfeld – was sie sich im Übrigen nicht scheut hin und wieder einzuwerfen, ob nun aus dem Bedürfnis heraus der Wahrheit Genüge zu tun, oder aus taktischen Gründen, das vermag ich nicht zu sagen – aber nicht undankbar nimmt sie diese Aufgabe an und führt Gespräche mit allen Verdächtigen, anstatt langwierige Observationen der Markenfälscher durchsitzen zu müssen. Schlagfertig und gewitzt führt sie ihre Dialoge und nähert sich nach und nach dem Täter an. Nach einem gut ausgeklügelten Showdown ist denn auch die Polizei überzeugt und Kate Brannigan kann sich demnächst dem nächsten Fall widmen.
Nun ist die taffe Privatdetektivin nicht die Erfindung der Autorin, doch mit Kate Brannigan ist ihr eine weitere wirklich vorzeigbare Privatschnüfflerin gelungen. Warum nun im ersten Fall keine Wirtschaftsfall geklärt wird, welcher zu Detektei der beiden Partner Mortensen & Brannigan ja durchaus besser gepasst hätte, kann ich mir nicht erklären. Vielleicht wurde vermutet, dass man mit Wirtschaftsverbrechen keine Leser gewinnt, dabei ist das mitnichten so. Aber sei es drum, denn die Autorin verbindet hier ja geschickt einen Vermisstenfall mit einem Mordfall und zeigt damit die volle Bandbreite von Kate Brannigans Können. Wenn ich das denn richtig gesehen habe, geht es denn dann auch im nächsten Fall „Luftgärten“ um einen Hypothekenschwindel und Brannigan kann zu ihrem Kerngeschäft zurückkehren. Ich persönlich freue mich schon sehr auf den nächsten Teil um die Privatschnüfflerin und werde die Serie sehr gerne weiterverfolgen.
Fazit:
Es sollte viel mehr Krimis mit Privatdetektivinnen geben, denn unerhörter weise gibt es hier noch einen deutlichen Männerüberhang. Dabei stehen die Schnüfflerinnen ihren männlichen Kollegen in nichts nach, genau wie Kate Brannigan. Gekonnt findet sie sich auch im fachfremden Vermissten- bzw. Mordfall zurecht und bietet eine spannende Ermittlung. Ein gelungener Auftakt der Serie, die sich gerne im nächsten Teil einem Wirtschaftsverbrechen widmen darf!
Val McDermid – Abgeblasen
Verlag: Knaur
Übersetzerin: Renate Orth-Guttmann
304 Seiten
ISBN: 978-3-426416754