Andy Weir – Artemis
Verlag: Heyne
Übersetzer: Jürgen Langowski
426 Seiten (inkl. Interview, abzüglich Leseprobe „Der Marsianer“)
ISBN: 978-3453271678
Andy Weir ist vielen durch „Der Marsianer“ bekannt , mir auch und für alle, die es nicht wissen, hat es der Verlag mit aufs Cover gepackt – im übrigen gleich zweimal, einmal gedruckt und einmal geklebt. Nur falls es jemand noch nicht mitbekommen hat… das Buch nicht gelesen, oder den Film nicht gesehen, oder bisher hinter dem Mond (!) gelebt hat. ;-) Mit Artemis folgt nun der zweite Science Fiction Roman aus seiner Hand, diesmaliger Planetenprotagonist: der Mond.
Jazz (Jasmine) Bashara lebt in Artemis, der einzigen Stadt auf dem Mond. Mehrere verbundene Blasen bilden die Stadt; es gibt ärmere und reichere Kugeln, viele Touristen und eine Aluminiumhütte. Jazz versucht eine EVA-Lizenz zu bekommen, um Touristenführungen auf der Mondfläche anzubieten und viel Geld zu verdienen, doch sie saust durch die Prüfung und muss sich wohl wieder ganz auf ihre Einkommen durch Schmuggelei verlassen. Da bietet ihr Trond Landvik, ein ansässiger Milliardär, ein Engagement. 1 Millionen Motten, denen Jazz nicht widerstehen kann. Dafür muss sie allerdings die Aluminiumhütte sabotieren.
Der Mond in einer nahen Zukunft, in einer sehr nahen, denn es lassen sich kaum technologische Neuerungen ausmachen. Klar, die Stadt wurde auf dem Mond erbaut und man musste sich einiges einfallen lassen, um z. B. die niedrigere Schwerkraft auszugleichen, doch es fühlt sich an wie unsere heutige Zeit, nur eben auf dem Mond. Artemis gehört irgendwie zu Kenia, ist aber aufgebaut wie eine Freihandelszone. Keine Steuern, keine Gesetze, aber ein paar Regeln gibt es dann doch, zudem haben sich Gilden gebildet, Handwerkszünfte, die allerdings ein wenig an Banden erinnern und ihrer „gildenfreien“ Konkurrenz Steine in den Weg legen.
Jazz Bashara ist eine junge Frau in den Zwanzigern, die sich auf Artemis so durchschlägt. Mit ihrem Vater ist sie zerstritten, mit ihrem besten Freund auch. Dafür betreibt sie einen florierenden Schmuggelhandel, der Zigaretten, Feuerzeuge und ähnliches auf den Mond schafft – alles illegal, weil es brennbar ist und die Hülle zerstören könnte, was zwangsläufig alle tötet. Von ihrem ganzen Verhalten her ist Jazz sehr jung, ehrlich gesagt, hätte ich anfangs sogar vermutet, dass sie noch eine Teenagerin ist. Sie ist nicht dumm, liest sich einige Kenntnisse, welche sie für die Sabotage benötigt, an, trifft aber eben nicht immer die richtigen Entscheidungen. Sie hat das Herz am rechten Fleck, auch wenn jugendlicher Leichtsinn und Trotz dies oft nicht erkennen lassen.
„Doch schließlich schmiedete ich einen Plan. Und wie alle guten Pläne erforderte er die Mitwirkung eines verrückten Ukrainers.“ (S. 82)
Das Buch ließ sich wirklich super an einem Tag durchlesen, es ist spannend und gut geschrieben. Die Heldin, Jazz, war mir persönlich zu jung und zudem konnte ich mit ihr nicht so mitfiebern bzw. mitleiden. Wenn ich Andy Weir mit sich selbst vergleichen möchte, muss ich sagen, dass sein Protagonist Mark Watney aus „Der Marsianer“ mich viel mehr gepackt hat. Nicht nur wegen der Dramaturgie der Geschichte, sondern auch wegen seiner ironischen Einstellung, seines Pragmatismuses und seinem unbedingten Lebenswillen. Aus Jazz könnte aber noch so eine Protagonistin werden… in ein paar Jahren, wenn sie älter und erwachsener ist.
Der Mond, der Mond. Artemis ist ausgeklügelt aufgebaut und funktioniert eigenständig und ohne Verbindung zur Erde, dafür gibt es zwar nicht so leckeres Essen, aber eben Unabhängigkeit. Der Sauerstoff wird von der Aluminiumhütte als Nebenprodukt geliefert und die Touristen bringen das Geld nach Artemis. Die niedrigere Schwerkraft bietet natürlich einige schnelle Möglichkeiten der Fortbewegung. Artemis kann ich mir schon gut und gerne im Hier und Jetzt vorstellen – warum gibt es noch keine Stadt auf dem Mond? Gefreut hätte ich mich über ein paar technologische Neuerungen, die der Autor einbaut. Im angefügten Interview sagt er aber, dass ihm die nahe Zukunft mehr liegt, als die ferne Zukunft. Da kann ich ihm nur zustimmen, doch die heutige technologische Wandlung ist so schnell, dass mitunter 10 Jahre schon bedeutende Unterschiede aufzeigen können.
Fazit:
Feel-good-Science-Fiction – ein locker-flockig zu lesendes Abenteuer auf dem Mond, mit der sympathischen, nicht perfekten und noch jungen Jazz Bashara und dem Mond als Schauplatz.
Pingback: Challenges 2019 | Die dunklen Felle
1. Dezember 2019 um 20:08
Hach, nachdem ich mittlerweile auf Rezensionen dieses Buches gestoßen bin, die Andy Weir allen Ernstes Sexismus, Rassismus, Homophobie und Ableismus vorwerfen, bin ich froh, wieder mal eine sachliche, unaufgeregte Besprechung des Buches zu lesen. :-) Mir hat es gefallen. Und Jazz im Übrigen auch – auch wenn ich verstehe, dass man mit ihr einige Probleme haben kann.
2. Dezember 2019 um 09:15
Ich wusste gar nicht, dass das Buch solche Wellen geschlagen hat…. Ableismus hab ich auch erst mal googlen müssen.
Ich jedenfalls fand das Buch ganz gut und die jugendliche Jazz, das ist eher so eine persönliche Geschmackssache. Ich mag zu jugendliche Helden nicht so sehr – hat aber nichts mit Andy Weir zu tun, sondern empfinde ich allgemein so.
2. Dezember 2019 um 09:20
Ich schätze, dass waren weniger Wellen, sondern mehr ein leichtes Kräuseln an der Wasseroberfläche, verursacht von Reflexempörten. ;-) Tragischerweise bin ich auf genau die gestoßen … – es reicht, in dem Zusammenhang übrigens „Andy Weir Artemis Sexismus“ zu googeln, dann findet man die besagten Wutreden …
Bei Jazz hatte ich irgendwie das Gefühl, als wolle Weir eine betont coole Figur, eine Art Watney in weiblich, erschaffen und ist dabei dann manchmal übers Ziel hinausgeschossen.
2. Dezember 2019 um 09:27
Ach, ich will mir ja den Spaß an der Lektüre nicht nachträglich vermiesen, also lass ich das mal mit dem Googlen.
Wenn man natürlich so einen Riesenerfolg mit seinem Debüt hat, ist es immer schwierig, daran anzuknüpfen. Einen weiblichen Mark Watney zu schaffen, war dann vielleicht einfach zu viel und hat eben nicht so gut geklappt, aber das kann er ja beim nächsten Mal anders machen. So lange es nur das ist… denn ich finde, er kann einfach gut erzählen und unterhaltsame Geschichten schreiben. An den Protagonisten kann er ja noch ein wenig herumexperimentieren. :-)