Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction

Hardboiled-Schätzchen: Ein letzter Drink – Dennis Lehane

7 Kommentare

30030
Dennis Lehane – Ein letzter Drink
Verlag: Diogenes
Übersetzer: Steffen Jacobs
353 Seiten
ISBN: 978-3257300307

 

 

 

 

Es ist ja schon ein wenig schade, dass Bücher mittlerweile eine so kurze Halbwertszeit haben. Da sind Neuerscheinungen von vor drei Monaten schon wieder vergessen und Bücher vom letzten Jahr finden sich auf den Ramschtischen. Wie sieht es da erst mit Büchern aus, die vor 5, 10 oder mehr Jahren veröffentlicht wurden? Total „outdated“, quasi eingestaubt und mit Motten durchsetzt, in völliger Vergessenheit – oder nicht mehr oder nur kaum zu haben. Vielleicht antiquarisch oder bei einem Tauschportal. Zum Glück gibt es aber gerade einen kleinen, aber feinen Trend, der Verlage animiert, alte Meister und Meisterwerke aus der Versenkung zu holen und neu zu übersetzen und/oder herauszugeben. So ist dies auch bei Dennis Lehanes erstem Teil um das Detektivpaar Kenzie & Gennaro passiert. Ursprünglich lief der Titel unter „Streng vertraulich“ und nun ist er vom Diogenes Verlag passender mit dem Titel „Ein letzter Drink“ neu übersetzt und herausgegeben worden. Im Übrigen mit einem schicken, schwarz-gelben Cover, aber immer noch unvergleichlich Diogenes.

Jenna Angeline, die Putzfrau der Senatoren Mulkern und Paulson, ist verschwunden. Zusammen mit einigen brisanten Dokumenten für eine neue Gesetzesvorlage. Patrick Kenzie wird beauftragt, besagte Dame, aber vor allem, die Dokumente wieder zu finden. Gemeinsam mit seiner Partnerin Angela Gennaro macht er sich auf die Suche und wird auch schnell fündig. Doch kaum hat die Putzfrau die Situation klar gestellt und Patrick Kenzie ein kompromittierendes Foto hinterlassen, wird sie schon erschossen. Und das ist erst der Anfang vom Krieg, der sich in den Straßen Bostons abspielt – mit Kenzie und Gennaro mitten drin.

Patrick Kenzie und Angela Gennaro kennen sich seit Kindertagen. Derweil Angela mit Phil verheiratet ist, mit dem beide aufgewachsen sind und der Angela regelmäßig mächtig verprügelt, führt Patrick ein unstetes Leben und nimmt gerne mal die eine oder andere Frau mit. Dabei weiß er genau, dass er viel besser zu Angela passen würde und wenn sie auch nur ein Wort sagen würde, würde er – oder wahlweise Bubba Rogowski, ein Waffenschieber, mit dem die beiden freundschaftlich verbunden sind – Phil mal sowas wie von durchprügeln. Aber Angela will nicht, sie liebt Phil.
Detektivisch sind Kenzie & Gennaro aber ein Pärchen wie zwei Zahnräder, die ineinander fußen. Hier ist nicht nur der männliche Part hartgesotten, sondern Angela muss hier in keinster Weise nachstehen. Mit allen Waffen ausgestattet, die so benötigt werden – Schießeisen und Mundwerk – ergänzen sich die zwei und hauen Dialoge heraus, die einem wahrlich Freude bereiten.

Was mit einer einfachen Suche nach einer Verschwundenen beginnt, endet in einem Bandenkrieg im eigentlich beschaulichen Boston. Denn, seien wir mal ehrlich, die neuenglische, traditionsreiche und universitäre Stadt hätte ich jetzt doch nicht mit Los Angeles und New York verwechselt. Doch schaut man genauer hin, entdeckt man eben auch hier Orte und Gegenden, die von der Politik allein gelassen werden, in denen sich die arme Bevölkerung stapelt und die Minderheiten zusammengepfercht sind. Jedes für sich ein Pulverfass, welches nur einen Funken an der Lunte benötigt, um zu explodieren. Doch offiziell ist Boston natürlich „sauber raus“, die Politiker werden einen Teufel tun, um sich hier die Hände schmutzig zu machen.

„Am meisten hört man sie, wenn Politiker, die an Orten wie Hyannis Port und Beacon Hill und Wellesley leben, Entscheidungen fällen, die Menschen betreffen, die in Dorchester und Roxbury und Jamaica Plain leben, und dann zurücktreten und sagen, dass kein Krieg herrsche.
Aber es herrscht Krieg. Er findet auf den Schulhöfen statt, nicht in schicken Fitnessstudios. Er wird auf den Straßen ausgetragen, nicht auf gepflegten Rasenflächen. In diesem Krieg wird mit Metallrohren und Flaschen gekämpft und neuerdings auch mit Automatikwaffen. Und solange der Krieg sich nicht seinen Weg durch die schweren Eichentüren zu den Eliteschulen und Parlamentssitzungen und Geschäftsessen-plus-Martini bahnt, wird er nie wirklich existieren.“ (S. 142)

Neben dem wunderbaren Hardboiled Pärchen Kenzie & Gennaro und der überraschend gewalttätigen Stadt Boston besticht der Autor mit ausgeklügelten Charakteren. Neben Bubba, den wirklich jeder lieben wird – ja, wirklich, auch wenn er ein Waffenschieber ist – liefern sich korrupte Politiker, herzlose Väter, abgestumpfte Söhne, Schwarze und Weiße, Polizisten und …. Ein Schaulaufen. Keiner kommt hier ungeschoren davon, Lehane lässt an keinem ein gutes Haar. Rassismus, Bandenkrieg, Pädophilie, dem Autor gelingt es, diese Themen alle in eine actionreiche Handlung einfließen zu lassen, aus der Kenzie & Gennaro nur mit versengten Haaren und blutenden Wunden herauskommen. Doch keine Sorge, hier kommt keiner ungeschoren davon – dafür sorgen die beiden schon.

Fazit:
Ein Hardboiled-Schätzchen, welches der Diogenes Verlag, hier wieder ausgegraben hat. In Bostons Straßen wird ab sofort wieder hart gekämpft, natürlich mit Kenzie & Gennaro.
Nun bleibt nur zu hoffen, dass die restlichen Bände der Reihe von Diogenes auch neu aufgelegt werden. Ich drücke kräftig die Daumen!

7 Kommentare zu “Hardboiled-Schätzchen: Ein letzter Drink – Dennis Lehane

  1. Tolles Buch bisher, bin knapp über der Hälfte.

    • Ah, ich bin so spät dran. Ich gehe mal davon aus, mittlerweile ist es ausgelesen? Und, wie gefällt es Dir???

      • Ich fand es sehr gut, werde es auch fürs CrimeMag besprechen ;) Man merkt an ein paar Stellen, dass es noch etwas unausgereift ist, aber das macht auch ein bisschen den Charme aus. Als Debütant will man eben manchmal ein bisschen viel auf einmal. Der Elmore-Leonard-Gedächtnis-Humor ging mir nach einiger Zeit etwas auf die Nerven. Ich bin froh, dass sich Lehane den abgewöhnt hat.

        • Da ist es doch manchmal gut, wenn man auch mal was nicht kennt – der Elmore-Leonard-Gedächtnis-Humor ist mir gar nicht aufgefallen, von dem Autor kenn ich noch gar kein Buch. :-)
          Und als „Debütant“ darf man in der Tat noch ein wenig üben – wobei das schon besser ist, als vieles was man heute bei „Nicht-Debütanten“ so liest….

  2. Das Buch hat für mich erst funktioniert als ich es als Satire gelesen habe. Vorher habe ich nur gedacht: Was für ein Quatsch. Warum ein Toter wieder lebendig wird, konnte ich mir allerdings nicht einmal mit Humor erklären.

  3. Pingback: Dennis Lehane - Ein letzter Drink - WortGestalt-BuchBlog

  4. Pingback: Rückblick und so was alles…. | Die dunklen Felle

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..