Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction

Fein und leise: Die schwere Hand – Dror Mishani

9 Kommentare


Dror Mishani – Die schwere Hand
Verlag: Zsolnay (Hanser)
Übersetzer: Markus Lemke
286 Seiten
ISBN: 978-3552058842

 

 

 

 

Avi Avraham wurde vor Kurzem zum Leiter der Ermittlungsbehörde ernannt und bekommt nun seinen ersten Mordfall, den er unter eigener Regie lösen muss. Avi kennt die Ermordete, Lea Jäger, denn sie war vor einigen Jahren das Opfer einer Vergewaltigung. Derweil sich sein Chef und seine Kollege, der bei der Beförderung übergangen wurden, schnell auf den Sohn als Tatverdächtigen einschießen, ermittelt Avi in eine andere Richtung. Kann es sein, dass ein Polizist, der vorgibt die Vergewaltigungsopfer nochmal verhören zu wollen, der Täter ist?

Obwohl ich erst mit dem jetzt vorliegenden, dritten Teil der Reihe eingestiegen bin, bereitet das überhaupt keine Probleme und ich konnte problemlos einsteigen. Avi Avraham ist befördert worden und leitet nun die Ermittlungen. Er vermisst seine frühere Vorgesetzte und fühlt sich auch noch nicht wohl in seiner neuen Aufgabe, trotzdem ermittelt er beharrlich in die Richtung, die ihm die Ermittlungen vorgeben. Und lässt sich weder von seinen Vorgesetzten einschüchtern, die um den guten Ruf der Polizei fürchten, noch von seinem Kollegen, der sich übergangen fühlt und nach Ermittlungsfehlern sucht. Avi ist sowieso ein ruhiger, nachdenklicher Mensch, fast melancholisch. Hier erinnert er sehr an die skandinavischen Ermittler, aber ohne Düsternis oder gar Alkoholproblem. Nichtsdestotrotz macht ihm auch sein Privatleben ein wenig zu schaffen, so ist doch mittlerweile seine Liebe, Marianka, aus Belgien bei ihm eingetroffen. Ein Versuch, denn Marianka spricht weder die Sprache, noch hat sie einen Job in Israel, aber die Liebe überwindet Grenzen. Nur ist es eben nicht immer einfach.

Tatsächlich muss sich Avi Avraham das Buch aber mit einem zweiten Erzählstrang teilen. Hier geht es um Mali, eine junge Frau, die vor einigen Jahren in Eilat auf einem Betriebsausflug  nachts vergewaltigt wurde. Der Täter ist nicht gefasst worden und die damaligen Ermittler hatten denn auch Zweifel an Malis Geschichte. Doch Mali hat heute noch Albträume von der schweren Hand des Täters, die sich auf sie legt. Dieses Ereignis hat die kleine Familie zutiefst erschüttert. Coby, ihr Mann kann keinen Job behalten und ist auf der Suche nach neuer Arbeit. Es macht ihm zu schaffen, dass er die Familie nicht versorgen kann, er zieht sich zurück und wird immer schweigsamer. Mali versucht die Familie zusammenzuhalten, hat Albträume und kann nicht mehr alleine schlafen. Nach und nach beginnt Mali zu ahnen, dass es ihrem Mann nicht nur aufs Gemüt schlägt, dass er die Familie nicht versorgen kann, sondern das weit mehr dahinter steckt.

Wer nun einen Reiseführer über Israel erwartet hat, wird enttäuscht sein, denn der Fokus von Dror Mishani liegt nicht auf seinem Land, sondern auf dem Seelenleben der Menschen. Ganz leise, feine Charakterbilder zeichnet er, die Stimmung ist ruhig und melancholisch, mit wenig, aber kontinuierlicher Spannung versehen. Es gibt keinen großen Knall und auch schon früh ahnt man, wer der Täter ist, es ist keine große Überraschung. Trotzdem liest man weiter, erkennt und blickt tief, tief in die Seelen der beteiligten Menschen: der Vergewaltigungsopfer, der Angehörigen, der Ermittler.

Fazit:
Großes Kino ganz leise erzählt – nicht auf den Knalleffekt kommt es an, denn Spannung kann auch ganz leise überzeugen. So wie in Avi Avrahams erster eigener Mordermittlung. Lesenswert!

9 Kommentare zu “Fein und leise: Die schwere Hand – Dror Mishani

  1. Mh, vielleicht sollte ich Dror Mishani noch einmal eine Chance geben. Als damals das erste Buch der Reihe herauskam, waren ja alle voll des Lobes, mich hat es aber weder inhaltlich noch stilistisch packen können. Still und leise ist inzwischen ja gerne mein Ding. Damals aber auch schon. Es muss also irgendetwas anderes gewesen sein, das mich stilistisch gestört hat. Leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was es war. Obwohl … zum Glück. Denn was sich nicht eingebrannt hat, kann übertüncht werden. Also noch ein Anlauf mit Mishani für mich.

    • Einen Versuch ist es bestimmt wert. Ich kenne den ersten Teil nicht, obwohl ich den auch schon in meinem SUB beherberge, aber ich fand den dritten Teil recht gut. Vielleicht liegt er Dir ja mehr als der erste Teil? Und manchmal ist sowas ja auch stimmungsabhängig.

  2. Ich habe noch den ersten Band ungelesen im Regal stehen. Muss doch glatt mal schauen, dass ich das bald mal lese. Seelenleben der Menschen finde ich ja in jedem Fall immer interessanter als Touri-Flair! :)

    • Hehe – den ersten Teil hab ich auch noch ungelesen im Regal. Na ja… :-D
      Touri-Flair mag ich auch nicht, aber ein wenig Einblick ins Land darf es dann schon hin und wieder sein. Fremde Länder, fremde Kulturen sind ja per se schon interessant und spannend.

      • Muhahaha, sehr gut. :D Ja, da gehe ich mit, Einblicke ins Land, in Kultur und Politik und Gesellschaft, das ist reizvoll, deshalb finde ich Romane außerhalb unserer üblichen geografischen Stationen immer besonders anziehend. Solange es nicht zu oberflächlich ist, wie ja immer gern bei den pseudofranzösischen Urlaubskrimis.

        • Ich hab zugegebenermaßen noch nie eine „pseudofranzösischen“ Urlaubskrimi gelesen – ich grusel mich davor. Ich weiß, ein wenig albern, aber ich befürchte da zwischen den Buchdeckeln schreckliches….

          • Ich hatte vor zwei Jahren ja mal im Sommer so ein kleines Projekt laufen, hab ein paar dieser Krimis gelesen und bis auf zwei Ausnahmen war es, zumindest für meinen Geschmack, genauso schrecklich wie du vermutlich erwartest, schrecklich platt und schrecklich eindimensional und schrecklich bieder.

          • Oh, daran erinnere ich mich noch. Und stimmt, die sind bei Dir alle nicht sehr gut weggekommen.
            Aber ich hab dich damals sehr bewundert, dass Du das durchgezogen hast. Ich hätte spätestens nach dem zweiten aufgegeben und das Subgenre begraben…

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