Die dunklen Felle

Krimis, Thriller und Science Fiction

Ein Schuss nach hinten: Kommando Abstellgleis – Sophie Hénaff

14 Kommentare


Sophie Hénaff – Kommando Abstellgleis
Verlag: carl’s books
Übersetzerin: Katrin Segerer
345 Seiten
ISBN: 978-3570585610

 

 

 

 

Manchmal verengt sich der Blick, wenn man zu viel liest. Dann sortiert man Bücher schon allein wegen ihres Covers oder Titels aus oder fliegt darüber hinweg ohne es überhaupt wahrzunehmen. Doch dann, entdeckt man das Buch bei einem Blog (so geschehen bei Wortgestalt) und liest die Rezension dazu und denkt sich, hey, das hört sich doch gar nicht schlecht an. Und just beim nächsten Besuch im Buchladen steht das Buch dann auch noch abwartend im Regal. Na klar, dass sich das Schmuckstück dann mit mir auf den Weg nach Hause gemacht hat. Von wegen Abstellgleis!

Und doch ist der Name des Buches gut gewählt. Denn dort landet Anne Capestan mit einigen anderen Polizisten, die nicht den Erwartungen der Chefs entsprechen. Da trifft sich der Säufer neben dem übereifrigen IT-Idioten, die Spielerin mit dem Pechvogel, der Überkorrekte mit dem Plappermaul – und allen voran steht Anne Capestan, einstiger Star der Truppe, die nach einem Schuss zu viel die Karriereleiter herunter purzelt und nun die Leitung dieser 40 Aussortierten übernehmen soll. Naaaa, keine Sorge. 40 Leute tauchen nie auf – nur so nach und nach tröpfeln ein paar Versprengte auf und wühlen sich durch die aussortierten Fälle der Abteilungen. Zwar aussortiert und weggestellt, aber durchaus motiviert macht sich die Brigade an die zwei Mordfälle, die sich in den aussortierten Akten finden lassen und rütteln einiges durcheinander.

Ganz klar sind die Charaktere das A und O des Krimis. Anne Capestan akzeptiert ihren neuen Job, aber stellt sich den ganz anders vor als die Chefs. Sie setzt sich ganz sicher nicht auf ihr Altenteil und akzeptiert ihre Mitarbeiter so wie sie sind. Sie weiß die Nachteile der Kollegen in Vorteile zu wandeln und wenn der direkte Weg nicht geht, wird eben improvisiert. Ihr Partner wird der Pechvogel José Torrez, der erst so gar keine Lust hat, sich aus dem Büro raus zu trauen, denn dies hat ihn schon mehr als einen Partner gekostet. Aber das interessiert Capestan nicht. Eva Rosière, die nach Erfolgen als Autorin und Drehbuchautorin wieder aktiv in der Truppe ist, kombiniert sie mit dem schweigsamen Lebreton, dem ehemaligen Ermittler der Internen. Dann gibt es noch Évrard, die noch einen Euro übrig hat, den sie nicht verspielt hat, ansonsten aber eine kluge junge Frau ist, ganz anders als Dax, der zwar jegliche Informationen aus dem Internet herausbekommen kann, doch man muss schon genau definieren, welche man benötigt. Capitaine Merlot (ja, genau, der Säufer) sorgt für Ablenkung und Orsini für den guten Kontakt zur Presse, Levitz für rasante Verfolgungsfahrten in ungewöhnlichen Fahrzeugen.

Mit all ihren Fehlern ist die Truppe höchst charmant und ganz gewiss nicht fehlerfrei, aber höchst sympathisch. Klar, ein paar Überzeichnungen lassen sich finden, doch die Truppe arbeitet erstaunlich gut zusammen, nachdem Capestan klar gemacht hat, dass das für sie keinesfalls ein Abstellgleis ist und jeder bei den Ermittlungen beteiligt sein soll. Sie weiß die Kollegen geschickt einzusetzen und zu lenken, so dass ihre Nachteile gar nicht weiter auffallen oder zumindest abgemildert werden.

Die beiden Mordfälle, sowie ein Drogendelikt, welche sich die Truppe heraussuchen erweisen sich als trickreich. Nicht anders zu erwarten bei abgelegten und nicht gelösten Fällen. Alle sind Cold Cases, doch die Jahre Abstand zur eigentlichen Ermittlung bringt auch Vorteile. Abstand, einen anderen Blick und veränderte Zeugenaussagen – Dinge, die man vorher nicht für wichtig gehalten hat, für nicht erwähnenswert. Und natürlich spielt der Kampfgeist der Truppe hier auch mit – die Aussortierten verbeißen sich in die Fälle. Und müssen feststellen, dass nicht nur fehlende Spuren die Fälle zu den ungelösten Fällen haben wandern lassen.

Fazit:
Alle aussortierten und ungewollten Polizisten in einer Abteilung? Ein Schuss nach hinten – zumindest für die Chefs. Für alle anderen ein Gewinn, denn Anne Capestan kann mit ihrer Truppe voll überzeugen. Ein witziger, charmanter Kriminalfall mit den Verlierern der Polizei. Was ein Vergnügen!

14 Kommentare zu “Ein Schuss nach hinten: Kommando Abstellgleis – Sophie Hénaff

  1. Da immer mehr dieses Lob so loben, muss ich wohl doch mal einen Blick riskieren, immerhin gibt es schon den zweiten Teil und das Cover allein ist schon ein eye catcher :3

    • Das ist wahr – die beiden Cover gefallen mir auch außerordentlich gut. Einfach mal was ganz anderes. Und: Ja, riskier einen Blick. Das Buch macht einfach gute Laune.

      • Hab gesehn, die gibts auch als Hörbuch, aber das ist ja teurer als das Buch oO dann doch lieber das gebundene Werk :P

        • Abgesehen davon, dass ich eh wenig Zeit für Hörbücher habe und immer noch lieber lese, ist das ein weiterer Grund, dass ich selten auf Hörbücher zurückgreife: der Preis. Zumindest anfänglich, denn Hörbücher kann man ja später doch wieder zu Schnäppchenpreisen abgreifen. Na ja, seltsame Preispolitik. Der vorliegende Band ist auf jeden Fall ein sogenanntes Softcover und damit zwar nicht so teuer wie ein Hardcover, aber eben auch teurer als ein Taschenbuch. Die wissen schon, wie sie uns arm kriegen – aber bei mir bräuchten die mit solchen Mitteln gar nicht nachhelfen. :-D

          • Da sagst du was @Hörbuch deshalb wart ich meist auf Angebote oder hör sie über spotify :P

            Solange das PB ordentlich aussschaut und verarbeitet ist, zahl ich auch mal 3-4€ mehr. Und natürlich, wenn ich es uuuunbedingt haben will :D
            *geldbeutel heult leise*

          • Das „uuuuunbedingt“ kenne ich sehr gut…. :-D

  2. Das Buch ist mir online auch schon mehr als einmal über den Weg gelaufen und immer mit positiven Einschätzungen versehen worden. Jetzt hab ich es doch mal auf meine Leseliste genommen. Auch wenn sie lang ist, das Buch scheint es doch wert zu sein, ein bisschen Lesezeit zu investieren. Zu dumm, dass schon ein zweiter Band existiert und ich damit eine neue Serien-Lawine lostrete, wenn Band 1 mir gefällt. Aber das kenne ich ja auch schon … ;-)

    LG Gabi

    • Hehe… der Fluch der Serie. Just heute ist mir der zweite Band im Buchladen über den Weg gelaufen und ich hab ihn gleich mitgenommen. Für mich passt die Serie gerade genau zu meinen Lesegewohnheiten. Ich mag es grade nicht so anstrengend und ein bisschen mit Humor.
      Tatsächlich versuche ich nicht zu viele Serien zu lesen, weil mich das dann doch oft stresst (einerseits beschwert man sich, dass die Autoren zu „langsam“ schreiben und dann sind die neuen Teiler doch wieder – schwuppdiwupp – schneller da als man dachte. Aber mir hat diese hier wirklich gut gefallen und wie man sieht, hab ich ja gleich den zweiten Teil eingesackt… hehe… verfrühtes Weihnachtsgeschenk sozusagen.
      LG,
      Christina

  3. Freut mich zu hören, dass es dir auch ein Vergnügen war! Ich finde es schön, damit mal wieder eine Reihe an der Hand zu haben, bei der man auf nette Unterhaltung setzen kann ohne zu seicht oder gelangweilt zu werden. Bin mal gespannt, wie sich die Reihe hält.

    • Ich kann nur nochmal sagen: Danke für den Tipp!
      Ich hab mir tatsächlich den zweiten Band schon geholt. Eigentlich fast schon schade, wenn ich den noch dieses Jahr lese… dann muss ich ja so lange auf die nächste Übersetzung warten…

      • Es ist mir ehrlich ein Fest und ich bin immer ganz erleichtert, wenn es dir dann auch gefällt und alle zufrieden sind und sich über das Buch freuen. :) Ich habe mir den zweiten Band tatsächlich erstmal „aufgehoben“, solange der dritte noch nicht angekündigt ist. Da kommt der Buchnerd durch. Aber ich dachte mir, dann habe ich was da, wenn ich mal eher nach etwas „freundlicherem“ suche.

        • Ja, das wäre sinnvoll. Aber im Moment brauche ich ein wenig „anspruchslosere“ Literatur. Aber nur noch 3 Tage… dann hab ich frei. Für den Rest des Jahres! Juchu! Und dann geht auch wieder mal was anderes. Ich freu mich so…. auf und ab hüpf….

      • Das klingt nach der besten Art überhaupt, um das Jahr zu beenden! Und bietet natürlich schön viel Lesezeit! Sehr gut! Wünsche dir schon jetzt viel Entspannung und Erholung! Mein Freund und ich machen es dann zum Jahresbeginn so und haben ab Neujahr 3 Wochen Urlaub. Ich kann deine Freude gut verstehen. Und ja, wenn viel los ist, lese ich auch immer gern etwas „einfacheres“, ich komme abends dann oft nicht mehr in politische und sozialkritische Themen rein, wenn der Kopf schon durchgebraten ist. Oder lese nur 5 Seiten am Tag oder drei Tage gar nicht und bin dann raus. Und wenn richtig krank bin, brauche ich richtig nette, liebliche Bücher. :D

        • Uh – das haben wir ja nett eingerichtet. Ich wünsche Dir in Deinen drei Wochen natürlich auch viel Zeit zum Entspannen und Relaxen. Und natürlich viel Lesezeit.
          Ich bin ja froh, dass es anderen auch so geht, dass nach der Arbeit einfach manchmal der Kopf nicht mehr da ist, um zu lesen. Wenn man manchen Blogs folgt muss man ja vermuten, die arbeiten alle gar nicht. Aber ich bin da ja mittlerweile sehr entspannt (ging ja auch nicht anders) und lass mich nicht unter Druck setzen, aber wundern tue ich mich immer noch.

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